Fährt man auf die Sommeralm, stehen die Kühe Spalier. Gespannt beäugen sie Wanderer und Autofahrende. Wenige Meter nach der bekannten "Holdahütte", noch vor dem Holzmeisterlift, findet sich auf 1300 Metern Seehöhe die Kaltenbrunn-Hütte. Von Mai bis Oktober ist sie das Zuhause von Johann und Maria Derler aus St. Kathrein am Offenegg.
Sechs Monate lang kümmert sich das Ehepaar um rund 20 Jungkalbinnen und zehn Hektar Almgebiet. Beeindruckend ist aber vor allem das Alter der beiden "Holter": Gemeinsam haben sie 172 Jahre am Buckel. Gebückt gehen aber beide nicht.

Alm als Jungbrunnen
"Die Alm hält jung", scherzt der 90-Jährige "Holter Hansl" und deutet auf die sanfte Weidelandschaft rund um die Hütte. "Man ist immer auf den Beinen, das hält fit", pflichtet ihm auch seine 82-jährige Frau bei. Die Arbeit geht nicht aus. "Das Schönste am Almleben? "Die 'Viecha', ohne die stirbt die Alm", ist sich Johann sicher. Der erste Weg am Morgen führt das Ehepaar darum genau dort hin: zum Vieh. Um 6 Uhr ist Tagwache.
Statt des Weckers läuten die Kuhglocken. Beim Gang zur 500 Meter entfernten Weide, wo die Jungkalbinnen grasen, wird gleich einmal Morgensport gemacht. "Wir müssen ja schauen, dass alles passt", erklärt der Almbauer. Bisher hat es das auch immer. Unfälle gab es in den vergangenen Jahren kaum. Eher machte die Trockenheit und Wasserknappheit im letzten Jahr zu schaffen. "Wir mussten mit dem Kanister Wasser auf die Alm führen, damit die Viecher zu trinken haben", erzählt das Ehepaar.

Aufgetrieben wird Mitte Mai, der Almabtrieb erfolgt im Oktober. "Früher wurden die Kühe manchmal vom Blitz getroffen", sagt Johann. Heuer ist bisher alles gut gegangen. Damit dem so bleibt, halten die beiden die Alm in Schuss: Zäune ausbessern, Disteln mähen und die Wege "herrichten" - Arbeit fällt täglich an. Das Brennholz für den Tischherd, auf dem Maria gern Sterz, Schmarrn oder Buchteln zubereitet, wird per Hand gespalten.

Harmonika-Klang im Abendrot
Strom kommt allerdings aus der Steckdose. Vor zwölf Jahren haben "die Derlerischen" ihre Almhütte erneuert. Tisch, Kasten und Bett hat der "Holter Hansl" selbst gezimmert. Am Dach der Hütte erkennt man eine Photovoltaikanlage. Im vergangenen Jahr wurde sie neu gemacht. Sie bringt zwei Kwp. "Für Kühlschrank und Fernseher reicht es", lacht der 90-Jährige.
Trotzdem: Zeit fürs Fernsehen bleibt, wenn, dann nur am Abend. Lieber noch greift der Holter Hansl aber zu seiner Harmonika. Die Finger finden den Weg zu den Knöpfen alleine. Sie drücken sie seit knapp 80 Jahren.
Beim Wallfahrten hat es "gefunkt"
Der Kontakt zu anderen Leute geht dem Ehepaar nicht ab. Auf der Alm genügen sich die beiden. Vor 62 Jahren haben sich der St. Kathreiner und die gebürtige Passailerin kennen und lieben gelernt. Am Floriani-Sonntag, bei der Wallfahrt auf die Lindenbergkirche wurden erste Blicke getauscht. Zwei Jahre später, am 13. Mai 1963, läuteten die Hochzeitsglocken.

60 Jahre währt die Ehe bereits - heuer feierte das Paar Diamantene Hochzeit. Ihr Geheimnis: "Dass man sich so annimmt wie man ist", sind sich die beiden einig.
Wie lange sie noch gemeinsam auf die Alm kommen wollen? "Solange wir gehen können, gehen wir auf die Alm. Es ist eine gesunde Luft, wir fühlen uns wohl und es ist einfach schön, dass man das, was man als junger Mensch kennengelernt hat, im Alter noch verwirklichen kann."