Meine Augen sind geschlossen. Obwohl ich nichts sehe, nehme ich das, was um mich herum passiert, wahr. Die Vögel zwitschern, die kühle Abendbrise streichelt mein Gesicht, das grüne Gras kitzelt die Zehen. Ich spüre, dass ich beobachtet werde. Ich versuche dem Drang, die Augen zu öffnen, zu widerstehen.

Ein Schnauben am Ende meines Kopfes, ich kann nicht anders - ich schlage die Augen auf. Zwei dunkle Knopfaugen starren mich an. Meinem Instinkt nach würde ich jetzt zurückschrecken, aber ich bemühe mich es nicht zu tun. Die Nasenlöcher weiten sich, es schnuppert. Dann ganz plötzlich wendet es sich ab, das Alpaka.

Vor dem Yoga erfolgt ein Kennenlernen zwischen Alpakas und Yoginis
© Veronika Teubl-Lafer

Unbeeindruckt richtet es sich auf und stapft ein Stück weiter zur Matte neben mir - auch auf dieser liegt eine Person - mitten auf der Alpakaweide am Hohenberg bei Gleisdorf. Hier sagen sich seit kurzem nicht mehr Fuchs und Hase gute Nacht, sondern Alpaka und Mensch "Namaste". Die Familie Spielhofer vom gleichnamigen Bauernhof hat zur ersten Stunde ihres Alpaka-Yogas geladen. Die Kleine Zeitung ist dabei, um das tierische Bewegungsprogramm in einem Selbstversuch zu erproben.

Bitte nicht streicheln!

"Jeder einzelne Muskel wird jetzt angespannt, von der Zehenspitze bis zum Gesicht", fordert Anita Novak auf. Sie ist ausgebildete Yogalehrerin. Auch Yoga mit Alpakas ist ihr nicht neu, in Mitterdorf an der Raab hat sie in den vergangenen Jahren bereits mit den südamerikanischen Herdentieren zu tun gehabt. Ich spanne die Muskeln an. Ein paar Sekunden halten, dann darf entspannt werden.

Eine kurze Einschulung durch die Alpaka-Halterinnen und die Yoga-Lehrerin
© Veronika Teubl-Lafer

Fünf Alpakahengste haben es sich in unserer Yoga-Runde gemütlich gemacht. Prinz, Esprit, Eragon, Sunny und Jonathan beäugen uns. Neugierig, interessiert und doch distanziert. Sie wagen sich nahe heran, fast könnte man sie berühren, die Versuchung sie zu streicheln ist groß. "Bitte nicht", sagt Selina Spielhofer. "Sie sind Fluchttiere und sehr scheu", erklärt die 23-jährige Landwirtin.

Denn obwohl es "Alpaka-Yoga" heißt, werden die Tiere nicht aktiv in den Übungen integriert. Sie sind jedoch die wichtigsten Nebendarsteller. Und: "Sie sorgen dafür, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer schneller zur Ruhe kommen", erklärt Spielhofer. Vor zwei Jahren ist sie auf das Alpaka gekommen. Mittlerweile zählt die Herde neun Tiere - bereits nächste Woche wird Nachwuchs erwartet.

Seit zwei Jahren hat sich Selina Spielhofer den flauschigen Kamelen aus den Anden verschrieben
© Veronika Teubl-Lafer

Angespannte Muskeln, entspannte Alpakas

"Und nun begeben wir uns zurück auf unseren bequemen Stuhl", sagt die Yogalehrerin. Der Stuhl ist kein echter, er ist imaginär und bequem ist er nicht wirklich. Vor allem für mich, die sich bisher erst einmal im Leben an Yoga probiert hat. Ich muss schmunzeln, auch die anderen Yoginis, die mit angewinkelten Beinen in der Hocke auf ihren Yogamatten stehen, lachen. Sie kennen meinen Schmerz, die Muskeln spannen, die Oberschenkel brennen.

Das einzig Schöne ist in dem Moment der Ausblick auf die weiten, grünen Wiesen und Hänge des Bauernhofes und natürlich auf die Alpakas. Unbeeindruckt von unseren Schmerzen stacksen sie in unserem Yoga-Zirkel umher. Schließlich ist es ihr Gehege.

In der waagrechten Position mit Blick auf die Alpakas findet die Yoga-Stunde ihr Ende
© Veronika Teubl-Lafer

"Es ist eine Win-win-Situation", sagt die Yogalehrerin. Durch die fließenden Bewegungen kommen nicht nur die Leute zur Ruhe, sondern eben auch die Tiere. Und das stimmt wirklich, je länger wir hier sind, desto entspannter wirken die Alpakas. Jonathan, der älteste Hengst der Gruppe, zupft an der Decke einer Teilnehmerin. Und auch ich bin ruhig, vor allem zum Schluss, als die eineinhalbstündige Yoga-Einheit in der waagrechten Position auf der Matte ihren Abschluss findet.

"Namaste", sagt die Lehrerin. "Namaste", sagen wir. Gemeinsam mit den Alpakas verlässt die Gruppe die Weide. Mein Fazit: Tolle Aussicht, freche Racker, Yoga nur mehr mit Alpaka!

Blick auf die Alpakas und die grüne Landschaft am Hohenberg
© Veronika Teubl-Lafer