"Wäre ich gestorben, hätten mich meine Zieheltern nach Eibiswald geführt und ins Grab gesteckt. Dann wäre schon lange nichts mehr von mir da und niemand wüsste etwas von mir", so die Worte von Pepi Heußerer. Seine Geschichte wird im neuen Buch "Niemand wüsste von mir" von Autorin Alexa Wild erzählt.

Das Schicksal des Südsteirers steht exemplarisch für unzählige Kinder, die als "Kinder der Schande" ihr Dasein fristen mussten. Seine Mutter war eine Magd, sein Vater ein Knecht. Als lediges Kind wurde er sozial geächtet und als Hilfskraft von einem Bauern zum anderen gereicht.

"Frissumsist"

In der Zwischenkriegszeit, in die er 1928 hineingeboren wurde, herrschte große Not. Vor 1914 reichten 10.000 Kronen noch für ein dreistöckiges Haus, 1923 erhielt man für den gleichen Betrag nur mehr einen Laib Brot. Etliche Bauern in der Region fielen auf die unterste Stufe der Naturalwirtschaft zurück. Es gab kaum noch Bargeld. Leidtragende waren die zahlreichen Kinder aus den Keuschler- und Kleinbauernfamilien. Sie galten als unnötige Esser. "Frissumsist" nannte man sie damals.

Pepi Heußerer im Alter von zwanzig Jahren
Pepi Heußerer im Alter von zwanzig Jahren © Privatarchiv Heußerer

Noch in den 1950er-Jahren verzeichnete die Region eine der höchsten Geburtenraten des Landes. Die Zahl der unehelichen Kinder war überdurchschnittlich hoch. Oft wurden sie bereits im Säuglingsalter an Bauern verschenkt, die kinderlos waren, die keinen männlichen Hoferben hatten, oder die billige Arbeitskräfte benötigten. Kinder wurden verliehen, vergeben, getauscht oder verkauft. Das war gängige Praxis am Land.

Schon als Kleinkind hatte Pepi Heußerer Angst davor, verhungern zu müssen. Seiner Mutter, einer mittellosen Magd, wollte niemand im Ort helfen. So musste er bereits als Kind mit Arbeit sein Essen selbst verdienen. "Meine Mutter konnte sich gar nicht für mich einsetzen. Sie war darauf angewiesen, dass mich der Bauer behielt", beschreibt Pepi das Dilemma seiner Kindheit.

Buchcover
Buchcover © Keiper Verlag

Schutzlos war er jenen ausgeliefert, bei denen er landete und er machte einige Stationen durch. Als Achtjähriger musste er in einem Sautrog schlafen: "Dieser Trog wurde jeden Abend vom Bauern und mir in den Kuhstall und in der Früh wieder ins Freie getragen. Sonst hätten die Kühe untertags in den Trog geschissen. Der Sautrog war im Winter am Abend eiskalt, das spürte ich auch durch das Stroh. Einmal wurde ich sehr krank, da mussten mich die Zieheltern im Haus schlafen lassen. Der andere Ziehsohn, der spätere Hoferbe, musste nie im Stall schlafen."

Weil Pepi unterernährt war, und mit sechzehn Jahren nur 31 Kilo wog, entkam er dem Einberufungsbefehl im Jahr 1944. Sein Schicksal wendete sich erst, als er als Zwanzigjähriger von einem anderen Bauern abgeworben wurde. Dieser sah ihn nicht nur als Knecht, sondern schätzte ihn als Menschen und brachte ihm richtiges Wirtschaften bei.

Pepi Heußerer mit seiner Frau, ein Jahr vor seinem Tod. Sie waren fast 60 Jahre lang verheiratet
Pepi Heußerer mit seiner Frau, ein Jahr vor seinem Tod. Sie waren fast 60 Jahre lang verheiratet © Alexa Wild

Von da an ging es aufwärts in seinem Leben. Er fand Arbeit in den Kohlengruben der Region, heiratete und gründete eine Familie. Mit seiner Nebenerwerbslandwirtschaft wurde er mehrfach als einer der besten Milchkuhzüchter der Steiermark ausgezeichnet.

Pepi Heußerer verstarb im September 2022 im Alter von 94 Jahren. Das Erscheinen des Buches erlebte er nicht mehr. Aber das Wissen um sein Schicksal, das er mit so vielen anderen Kindern von damals teilte, bleibt.