"Komm ruhig näher, sonst siehst du den Gartenlaubkäfer nicht.“ Mit seinem breiten Stanzer Dialekt kann Walter Krenn nur schwer verheimlichen, wo seine Wurzeln liegen. Wurzeln, dieses Wort kommt immer wieder vor, wenn Krenn von seiner Leidenschaft erzählt. Beruflich bei den Bundesbahnen tätig, zieht es ihn abseits des Arbeitsalltags zumeist ins Grüne oder in die Berge. Seit mehr als zwei Jahrzehnten schneidet Krenn Obstbäume, seit 2019 mit eigenem Gewerbe.

„Oft werde ich aber gerufen, wenn es schon fast schon zu spät ist“, sagt der zertifizierte Obstbaumwart. In den Streuobstgärten der Region kennt sich Krenn zwischen Äpfeln, Pfirsichen und Zwetschken bestens aus, nimmt es mit Sporen, Pilzen und Läusen auf. Weil der Hilferuf aber eben oft erst mit Verzögerung kommt, will Krenn sein Wissen und Handwerk vermehrt vermitteln. Das Ziel: gesunde Früchte auf vitalen Bäumen.

„Viele Leute schneiden den Baum im Frühjahr und wundern sich im Herbst, warum keine genießbaren Früchte da sind.“ Dabei weiß Krenn um die Bedeutung einer kontinuierlichen Pflege, die auch im Sommer stattfinden muss: Ein Schnitt vor dem Austreiben im Frühjahr fördert das Wachstum, ein Schnitt im Juli und August beruhigt den Baum. Damit der Garten frei von Krankheiten bleibt, braucht es das notwendige Fachwissen, jede Menge Erfahrung und einen grünen Daumen.

Gekonnt schreitet Krenn im Schulungsgarten hinter dem Wirtshaus am Webergut von Baum zu Baum. Dort, wo Krenn für das Ländliche Fortbildungsinstitut (LFI) regelmäßig Kurse abhält, kennt er förmlich jeden Zweig – und die damit verbundenen Herausforderungen. „Im Grunde habe ich es mit zwei Gruppen zu tun, nämlich mit Pilzen und tierischen Schädlingen.“ Bei tierischen Schädlingen kann Krenn mit Schnittmaßnahmen allerdings nicht viel machen, lässt sich der Wurm im Apfel doch nur bedingt aufhalten. Vermehrt konzentriert sich Krenn aber auch auf Pilzbefall. Ist die Krone zu dicht, breitet sich ein Pilz bei Feuchtigkeit leichter aus. Je früher krankes Holz aus dem Baum entfernt wird, desto besser.

Seine Aufmerksamkeit an diesem sonnigen Junitag trägt auch den Namen „Wasserschoss“. Ein Sommertrieb, der aus altem Holz entspringt. Wasserschosse sind die Reaktion des Baumes auf zu massiven Rückschnitt, wobei der Baum jenes Holz ersetzen will, das im Frühjahr entfernt wurde. „Ich reiße die Wasserschosse aus, bevor der Trieb verholzt. Gleichzeitig nehme ich die Knospen an der Basis mit, dann stellt das Wasserschoss im nächsten Jahr kein Problem mehr dar.“

Mit den Fingerspitzen reißt er Wasserschoss um Wasserschoss aus, zurück bleibt lediglich ein kleines Grübchen. Diese Wunde kann der Baum in der Vegetationszeit problemlos verschließen. Lässt der Gartenbesitzer dem Wasserschoss freien Lauf, kommt es zu Verholzungen, dann hilft nur noch der Einsatz der Schere.

Wasserschosse benötigen viel Handarbeit
Wasserschosse benötigen viel Handarbeit © Marco Mitterböck

Kaum hat Krenn eine ganze Reihe an Wasserschossen in seinem Plastikkübel untergebracht, erregt die Apfelfaltenlaus seine Aufmerksamkeit, erkennbar durch rote Bläschen am Blatt. Auch hier zupft er Blatt für Blatt aus, danach wandern die infizierten Blätter in den Kübel. „Man soll solche Sachen keinesfalls über den Kompost entsorgen, weil sie sich sonst trotzdem im Garten verbreiten.“

Das gilt auch für jene Blätter, die auf einem benachbarten Baum wahrlich nicht mehr taufrisch aussehen. Der Mehltau hat sich ausgebreitet, leicht erkennbar an den weißen Spitzen der eingerollten Blätter. „Die Sporen sollen sich nicht auf die gesunden Blätter übertragen, deshalb braucht es auch hier einen Rückschnitt ins gesunde Holz.“

Nicht von Garten zu Garten tragen

Immer wieder ist Krenn mit den diversen Krankheiten konfrontiert, die sich je nach Baumart unterschiedlich äußern. Ein wichtiges Gegenmittel dabei: ein Feuerzeug. Indem er damit sein Messer erhitzt, verhindert Krenn, dass die Sporen und Bakterien von Baum zu Baum oder – noch schlimmer – von Garten zu Garten übertragen werden. Das würde Krenn zwar zusätzliche Aufträge bringen, langweilig wird ihm aber auch so nicht.

Fungiert doch der eigene Garten als Zufluchtsort im Zeitalter der permanenten Ungewissheit. Man merke, dass sich die Leute vermehrt mit dem eigenen Garten auseinandersetzen und Baumschnitt nicht mehr "nur als Arbeit" empfunden werde: „Umso wichtiger ist es auch, am Ende eines Jahres gesunde Früchte zu ernten und einen persönlichen Erfolg zu verbuchen.“