Es waren kleinere Unannehmlichkeiten, die die Proponenten der Initiative aber gerne in Kauf nahmen. Als am Montagvormittag die Eintragungswoche für das Klimavolksbegehrenbegann, bildeten sich vor manchen innerstädtischen Amtsräumlichkeiten unerwartet Schlangen an Unterschriftswilligen. Geduld war gefragt. Gleichzeitig war die Homepage des Volksbegehrens zwischenzeitlich wegen der Vielzahl an Zugriffen überlastet. Keine schlechten Anzeichen für die alles entscheidende Woche, die für die Initiatoren des Volksbegehrens läuft. Nach Monaten der Vorarbeit geht es bis einschließlich kommenden Montag um alles: um das Sammeln möglichst vieler Unterschriften für eine ambitioniertere Klimapolitik in Österreich.

Rund 114.000 Stimmen hat die Initiative bereits über die vorab eingeholten Unterstützungserklärungen fix. Die formale Hürde für eine Behandlung des Begehrens im Nationalrat ist damit genommen. Doch mit dem bloßen Überschreiten dieser Schwelle können die Betreiber schwerlich zufrieden sein. Es geht ihnen darum, ein möglichst kräftiges Zeichen aus der Bevölkerung zu erwirken, wonach stärkerer Klimaschutz ein verbreitetes und nicht mehr ignorierbares Anliegen ist. Und bislang läuft es recht gut: Mit Stand gestern früh hielt das Volksbegehren bei bereits rund 178.000 Unterschriften.

Veränderte Rahmenbedingungen

Ob es die ganze Woche so weitergeht, lässt sich nur schwer vorhersagen. Denn seit das ursprünglich von der niederösterreichischen Grün-Abgeordneten Helga Krismer initiierte und später von einer überparteilichen Initiative übernommene Volksbegehren im vergangenen Sommer offiziell präsentiert worden ist, haben sich wesentliche Rahmenbedingungen verändert. Damals setzte das Begehren auf einer Welle allgemeiner Besorgnis über die Erderwärmung auf, wie sie das Land nie zuvor gesehen hatte. Die von Jugendlichen getragene Fridays-For-Future-Bewegung mit ihren Schulstreiks, ein von Hitze und Trockenheit geprägter Sommer sowie alarmierende wissenschaftliche Studien hatten den Klimaschutz binnen kürzester Zeit an die vorderste politische Themenfront gespült.

Dann kam die Coronakrise. Im Sog der Pandemie geriet die Klimadiskussion wie alles Andere zum Randthema. Entsprechend händeringend versuchen die Proponenten des Volksbegehrens jetzt, die Aufmerksamkeit für das Treibhausgas-Problem zurückzubekommen, das durch die Viruskrise ja nicht beseitigt, sondern lediglich überdeckt worden ist. Seit Tagen jagt eine öffentlichkeitswirksame Aktion die nächste. Personenkomitees werden präsentiert, Forscher, NGOs und Unternehmen rufen in Offenen Briefen zum Unterschreiben auf. Am Mittwoch stellten sich sogar die Vertreter der Glaubensgemeinschaften geschlossen hinter die Forderungen. Ein bis dato in Österreich einzigartiger Vorgang. Somit gerät das Volksbegehren auch zum Stimmungstest, ob und wie sehr sich das Klimathema in der Bevölkerung tatsächlich dauerhaft verankert hat.

Der grüne Faktor

Und noch etwas ist heute anders als noch im vergangenen Jahr. Inzwischen sitzen die Grünen in der österreichischen Bundesregierung und haben Teile der Kernforderungen des Volksbegehrens von sich aus ins koalitionäre Arbeitsprogramm eingebracht. Ob das dem Unterschriftensammeln förderlich ist oder es eher bremst, ist eine offene Frage. Durchaus kurios mutet an, dass auch die Grünen zum Unterschreiben des Volksbegehrens aufrufen, das sich ja nicht zuletzt an jene regierungsverantwortlichen Stellen richtet, die sie selbst besetzen. Dahinter steht die Hoffnung, für das grüne Kernthema Klimaschutz neuen Rückenwind gegenüber dem türkisen Koalitionspartner zu gewinnen. Denn inhaltlich gehen mehrere der Forderungen des Volksbegehrens über das Regierungsprogramm weit hinaus.

So verlangt der Text des Begehrens, die österreichischen Treibhausgasemissionen binnen der nächsten zehn Jahre um mindestens die Hälfte zu senken. So radikal diese Forderung auch klingt, sie ist fachlich gedeckt. Denn will Österreich bis 2040 tatsächlich klimaneutral sein, wie es im türkis-grünen Regierungsprogramm verankert ist und es den Paris-Zielen entspricht, ist dieser Zwischenschritt unerlässlich. Machbar wäre das nur, wenn auch die milliardenschweren Subventionen klimaschädlicher Strukturen abgebaut werden – ein unpopulärer Schritt, den bisher keine Regierung zu setzen wagte, den das Volksbegehren aber einfordert. Flankiert werden soll das Paket mit einem verfassungsmäßigen Grundrecht auf Klimaschutz sowie einem „Klimarechnungshof“, der künftig die tatsächliche Einhaltung der CO2-Reduktion prüft.

Unverbindlichkeit

Ob irgendetwas davon tatsächlich umgesetzt wird, steht unabhängig von der Zahl der Unterschriften freilich auf einem anderen Blatt. Dieses grundsätzliche Schicksal teilt die Klimakampagne mit allen bisherigen Volksbegehren: Sie sind stets unverbindlich, ein direkter Einfluss auf die Gesetzgebung leitet sich aus ihnen nicht ab. Selbst wenn bis Montag noch jeder einzelne Österreicher unterschreiben sollte.