"Was erhoffst du, dort zu finden?“, fragte ein Kollege zweifelnd, ob das Ziel des ersten Spazierganges mit Paula heuer das richtige sei. Doch falsch kann es auch nicht sein, die Schritte dorthin zu lenken, wo sich nicht Offensichtliches aufdrängt – also auf in die Theodor-Körner-Straße. Durch Sackstraße, Kaiser-Franz-Josef-Kai, die Keplerstraße übersetzt, durch ein Stück der Körösistraße, rechts in die Lange Gasse, nach wenigen Metern öffnet sich eine breite Straße einladend.

„Ursprünglich war sie als neue Hauptstraße geplant, angelegt kurz vor 1900 zusätzlich zur Graben- und zur Körösistraße, die ebenfalls nach Norden führen und schließlich verschmelzen“, gab Stadthistoriker Karl Kubinzky an Grundwissen mit auf den Weg.

Theodor Körner, der Präsident, war erst in der Kriegsschule

Bevor wir den Spaziergang fortsetzen, wäre noch anderes Grundlegendes abzuklären: Nämlich, nach wem die Theodor-Körner-Straße benannt ist. Die meisten Grazerinnen und Grazer wähnen, hier dem einstigen Bundespräsidenten, nach Karl Renner der zweite Amtsträger in der höchsten Funktion der Zweiten Republik, zu begegnen. Doch als die Straße 1899 ihren Namen erhielt, schloss dieser Körner gerade die Kriegsschule als Oberleutnant ab und begann seine Karriere in der Armee von Kaiser Franz Joseph, in der er im Ersten Weltkrieg zum Generalstabschef eines Armeekorps an der Isonzofront berufen wurde und sich einen Namen machte.

Nach dem Krieg im Rang eines Generals aus dem Heer entlassen, danach sozialdemokratischer Politiker und Berater des Republikanischen Schutzbundes, nach dem Zweiten Weltkrieg Bürgermeister von Wien, von 1951 bis 1957 erster vom Volk direkt gewählter Bundespräsident Österreichs. Von der Biografie her hätte es Theodor Körner verdient, Pate einer großen Straße zu sein. Im konkreten Fall ist er es aber nicht, kann er es auch vom Zeitpunkt der Benennung her nicht sein.

Der "richtige" Körner wurde nur 23 Jahre alt

Die Straße würdigt einen Nicht-Österreicher. „Dieser Theodor Körner war ein deutscher patriotischer Literat und Kämpfer in den Freiheitskriegen gegen die Franzosen unter Kaiser Napoleon. Er fiel 1813 im Alter von 23 Jahren in einem Gefecht“, erklärt unser Stadthistoriker. Joseph Roth erwähnt im „Radetzkymarsch“, seinem grandiosen Abgesang auf die Donaumonarchie, Körners Drama „Zriny“. Heute versuchen rechts-rechte Gruppen der Covid-19-Maßnahmen-Gegner Körner zu okkupieren mit einem Gedicht, das so gar nicht zu seiner Biografie passt und tatsächlich aus der Feder eines Neonazis stammt.

Historischer Baustil prägte den ersten Bau-Abschnitt der Straße bis zum Hasnerplatz
Historischer Baustil prägte den ersten Bau-Abschnitt der Straße bis zum Hasnerplatz © Jürgen Fuchs

Womit wir bei der Bebauung der Theodor-Körner-Straße angelangt sind. Diese erfolgte in verschiedensten Abschnitten, die in unseren Tagen mit modernen, nüchternen Gebäuden durchsetzt wurden. Den Bereich bis zum Hasnerplatz prägte ein historistischer Stil. Kubinzky: „1901 stand ein Haus dort, 1916 waren es 14 Häuser.“ In der Fortsetzung prägte das nationalsozialistische Regime mit Wohnbauten das Bild. „Teils entworfen vom in Wien geborenen Peter Koller, der unter der Hitler-Diktatur als Architekt und Stadtplaner maßgeblich an der Errichtung der VW-Stadt Wolfsburg wirkte.“

Auch Bauten aus der Zeit der Habsburger prägen die Straße: die Lehrerbildungsanstalt von 1909 (heute: Pädagogische Hochschule) ...
Auch Bauten aus der Zeit der Habsburger prägen die Straße: die Lehrerbildungsanstalt von 1909 (heute: Pädagogische Hochschule) ... © Archiv Kubinzky

Nicht achtlos vorbeigehen sollte man am Hasnerplatz, wo das monumentale Gebäude der Pädagogischen Hochschule steht, die hier 1909 als Lehrerbildungsanstalt entstanden ist. Noch ein Bau führt in die Zeit der Habsburgermonarchie – die Seniorenresidenz, die den Namen des in Graz geborenen Großmeisters der leichten Muse, Robert Stolz, trägt. Zuvor diente das Haus als Unfallkrankenhaus, 1919 wurde es das erste UKH Österreichs, 1914 gründete die Arbeiterversicherungsanstalt hier ihr orthopädisches Krankenhaus. „Im Ersten Weltkrieg kam in diesem Haus der Behandlung von Kriegsopfern eine besondere Bedeutung zu“, ergänzt Kubinzky.

... und das erste UKH Österreichs, später orthopädische Heilanstalt, heute Seniorenheim
... und das erste UKH Österreichs, später orthopädische Heilanstalt, heute Seniorenheim © Archiv Kubinzky

Durch die Theodor-Körner-Straße führte ab 1901 eine Tramlinie bis zur Andritzer Maut, ab 1903 bis ins Zentrum von Unter-Andritz. Zur Hauptverkehrsader aber, so wie es die Planer in einer noch fast autofreien Epoche für spätere autoreiche Zeiten vorsahen, wurde diese Straße nicht. Was Bewohner nicht bedauern werden – auch nicht jene, die sich doch zu einem Spaziergang entlang der Gleise entschließen, um Neues zu entdecken. Mit oder ohne Paula.

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