„Dass ich Künstler geworden bin, ist einfach so passiert“, sagt Stefan Schmidt. Der Gratwein-Straßengler ist eigentlich Techniker und sein Zugang zur Kunst von wissenschaftlicher Natur: Schmidt arbeitet mit Aminosäuren, die er unter dem Mikroskop auflöst und fotografiert. Es entstehen abstrakte, schillernde Bilder – ganz eigene Welten. „Ich verwirre den Betrachter gerne“, sagt Schmidt. Er experimentiert oft so lange herum, bis die Fotos aussehen wie gemalt. „Aber eigentlich ist die Natur der Künstler, nicht ich.

Seit 2017 ist Schmidt ein „crystal maker“, wie sich die Künstler in der Szene selbst bezeichnen und inzwischen Mitglied des Künstlerbundes Graz. Er war es, der Bürgermeister Harald Mulle (SPÖ) die Ausstellung „Augenblicke“ vorschlug. „Ich wollte schon immer so etwas in Gratwein organisieren und das hat sich gut ergeben“, sagt Schmidt.

Stefan Schmidt mit einem Mikroabbild der Welt.
Stefan Schmidt mit einem Mikroabbild der Welt. © Ludmilla Reisinger

Stimmungen und Gefühle

30 Künstler nehmen an „Augenblicke“teil, die Hälfte der Ausstellenden stammt aus der Region, die andere gehört zum Künstlerbund Graz. Präsentiert werden Höhepunkte aus dem künstlerischen Schaffen, Momentaufnahmen – eben „Augenblicke“. Insgesamt 160 Werke füllen so das Verwaltungszentrum vom großen Festsaal bis ins kleinste Büro.

Und für jedes einzelne von ihnen hat Michael Birnstingl, einer der Kuratoren, in den vergangenen Tagen den perfekten Platz gesucht: „Ich achte auf alles, die Wände, die Gefühle, die Stimmungen“, sagt er. Zwei Waldlandschaften etwa hängen in einer Ecke, wo auch eine Topfpflanze ihr Zuhause gefunden hat. Direkt gegenüber hat er erdfarbene Arbeiten platziert – als Kontrast. „Ich könnte lange über jeden Raum sprechen“, sagt Birnstingl, während er durch die Ausstellung eilt. „Die Hingucker zum Beispiel hängen am Eingang und natürlich alle Werke, die Augen zeigen. Das passt dann zum Titel.“

Michael Birnstingl hat viel Zeit mit der Anordnung der Werke verbracht.
Michael Birnstingl hat viel Zeit mit der Anordnung der Werke verbracht. © Ludmilla Reisinger

Auf der Treppe bleibt Birnstingl vor seinen eigenen Bildern stehen: Der Grazer arbeitet mit surrealen Welten, seine Arbeiten sind richtiggehende Wimmelbilder. Immer darin versteckt: sein eigener Name. Genau gegenüber vom Büro des Bürgermeisters hängt Birnstingls Bild „Mutter Natur“, das eine nackte Frau mit einem Baby auf dem Arm zeigt. Der abstrakte Kopf der Frau besteht aus einem weit aufgerissenen Maul mit Reißzähnen. Im Gestrüpp rechts unten hängt eine Birne.

Freude schenken

Eine Frau im orangen Blazer schüttelt Birnstingl die Hand, als sie ihn im Gang erkennt. „Ich gratuliere, die Hängung ist ausgezeichnet gelungen“, sagt Maria Schrettl. Sie ist Pensionistin sowie Hobbykünstlerin und ihre Werke sind ebenso orange-erdfarben wie ihr ganzes Outfit. Seit 15 Jahren ist die Gratweinerin kreativ tätig und hat schon einige Ausstellungen hinter sich. „Ich male gerne schön“, sagt sie über ihre Kunst. „Ich möchte, dass meine Bilder Freude machen.“ Ihre Arbeiten zeigen abstrakte Muster mit goldenen Verzierungen: Auf einer Leinwand sind etwa religiöse Symbole zu sehen, die in der Mitte zu einem Herz zusammenlaufen. Die Ausstellung „Augenblicke“ ist für Schrettl eine großartige Möglichkeit: „Ich habe mich sofort beworben, als ich davon gehört habe.“

Maria Schrettl malt gerne in ihrer Lieblingsfarbe: orange.
Maria Schrettl malt gerne in ihrer Lieblingsfarbe: orange. © Ludmilla Reisinger

Mehr als zufrieden ist auch Initiator Stefan Schmidt, für den die Vernissage zudem sentimentalen Wert hat: Der Abend ist sein letzter als Gratwein-Straßengler. „Morgen ziehe ich nach Gösting – so gesehen war dieses gelungene Projekt ein guter Abschluss.“