Gert Christians kleines Atelier in der Breitenau platzt aus allen Nähten: An den Wänden hängen Werke, die in ihrem Surrealismus an Traumgebilde erinnern und Kisten mit Büchern stapeln sich rund um die Staffelei, auf der ein angefangenes Werk hängt. Christian sitzt auf einem Hocker und ist die Ruhe selbst. Man merkt dem pensionierten Kunstlehrer und Experten für Archäologie an, dass er gerne erzählt, als er zu sprechen beginnt. Immer wieder macht er eine kurze Pause, zwinkert verschmitzt, während er auf sein Werk zurückblickt.

Sie sind jetzt bereits jetzt bereits seit Jahrzehnten Kunstschaffender – wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?

Gert Christian: Mein Stil ist erstens sehr gegenständlich – immer bezogen auf Wirklichkeiten in der Welt – und hat gleichzeitig einen sozial-, politischkritischen Hintergrund.

Hat er sich über die Jahre stark verändert?

Christian: Er hat inzwischen schon viel mehr Symbolgehalt als ganz am Anfang. Da muss man lange selber nachdenken, bevor man hinter den Inhalt kommt - diese Aufschlüsselung spielt eine wesentliche Rolle in der Kunst. Aufgrund meiner symbolhaften Malerei bin ich in letzter Zeit übrigens den Wiener Phantasten – dem fantastischen Realismus – zugeordnet worden. Das ist mir nicht ganz recht, denn diese Gruppe macht Kunst, die sehr gefällt ist. Meine dagegen schmiert nicht so schön um die Ecke.

Gibt es eine Deutung für jedes Ihrer Bilder?

Christian: Sicher, aber die sag ich nicht. Wenn einer kommt und sagt, er möchte ein Gemälde haben, dann kann er das Werk kaufen, nicht aber die Aufschlüsselung. Wenn er herausfindet, was gemeint ist, dann kommt er meist eh wieder oder schreibt einen Brief. Das ist dann auch immer sehr spannend für mich.

In der DABOGA – der Dachbodengalerie der Neuen Mittelschule Frohnleiten – zeigen Sie Bilder aus „Tod in Dalmatien“. Wie ist dieser Zyklus in Ihr künstlerisches Werk einzuordnen?

Christian: Ich spiele in dieser Serie mit unserer Vorstellung von Realität und erzeuge dabei neue Wirklichkeiten. Meistens gibt es einen realen, überwirklichen Hintergrund, das tatsächliche Bild aber ist surreal. (Er hebt eines der gerahmten Werke aus der Ausstellung auf) Das da etwa ist die Hafenseite von Zadar, mit der großen romanischen Rotonde, dem Stadtbürgermeisteramt und dem Dom. Aber dahinter erhebt sich eine Blase. Das Bild heißt „Zadar war immer bedroht“ und es stimmt ja auch geschichtlich gesehen: Immer wieder wurde in Zadar geschossen. Dennoch hat das Bild einen surrealen Hintergrund, denn solche Blasen steigen in einem normalen Himmel nicht auf.

"Zadar war immer bedroht" ist eines der Bilder, die in Frohnleiten gezeigt werden.
"Zadar war immer bedroht" ist eines der Bilder, die in Frohnleiten gezeigt werden. © Reisinger

Wieso der eigentlich eher negative Titel „Tod in Dalmatien“?

Christian: Den habe nicht ich erfunden, der hat sich in vielen Gesprächen mit Kollegen herausgezaubert, ungefähr acht Jahre nachdem die Serie fertig war. Vorher hieß sie „Dalmatinische Naturgeschichte“ und meine Kollegen meinten, das klinge wie ein Lehrbuch für Pflanzen- und Gesteinskunde. So kann man das nicht machen, haben sie gesagt. Und da ungefähr die Hälfte aller Blätter hat etwas mit dem Tod zu tun hat, hat sich schließlich dieser Titel herauskristallisiert, der mir auch sehr gefällt. Witzigerweise lässt sich der Werkband allerdings trotz der Änderung nur schwer verkaufen.

Insgesamt 120 Mal wurden Ihre Werke schon in ganz Europa ausgestellt – wie kam es zu der kleinen Schau ausgerechnet in Frohnleiten?

Christian: Es ist ein Experiment, dass Ulli Gollesch (Kuratorin und Kunstlehrerin an der Neuen Mittelschule) damit begründet hat, dass viele ihrer Schüler aus der Breitenau kommen. Sie möchte ihnen zeigen, welche Künstler es in der Umgebung gibt. Grundsätzlich bin ich in der Breitenau nämlich kaum präsent, die Leute kennen mich zwar von Angesicht zu Angesicht, aber sie wissen nicht, was ich mache. 

Sie haben sich ja auch intensiv mit Flavia Solva beschäftigt und sind seit Jahrzehnten Experte dafür - woher kommt Ihre Faszination für Archäologie?

Christian: Flavia Solva ist ein richtiges Hobby, das mit meinem neunten Lebensjahr begonnen hat. Die Nachbarn waren mit dem Ausgräber von Flavia Solva verwandt und haben alle Broschüren und Unterlagen für Archäologie in ihrer Bibliothek. Da habe ich dann geschmökert und habe mich bis zur Matura so eingelesen, dass ich alles wusste, was darüber geschrieben worden ist. Später als Kunstlehrer habe ich mir dann wegen Flavia Solva Leibnitz als Schulstandort ausgesucht und sofort zu den passenden Experten Kontakt aufgenommen. Jetzt bin ich eben seit 1962 Flavia Solva-Spezialist und seit 1997 auch Präsident des Archäologischen Vereins. An all dem ist der Nachbar schuld.

Sie haben das Verdienstzeichen der Republik Österreich erhalten, es wurde sogar ein Weg nach Ihnen benannt – was wollen Sie als nächstes erreichen?

Ich möchte auf jeden Fall noch gute 20 Jahre leben und noch ein bisschen auf den hundertsten Geburtstag zurückschauen können. Ja, das wäre schön.