Die Steiermark ist vor einem Anstieg des Rassismus nicht gefeit - im Gegenteil: Er ist längst im Gange, wie die Grazer Experten Christian Ehetreiber (Geschäftsführer der ARGE Graz gegen Gewalt und Rassismus) und Joachim Hainzl (Aktivist, Padagöge und Historiker) erzählen. Grundsätzlich müsse man in Österreich davon ausgehen, dass 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung zu rechtsextremem Gedankengut tendieren. Demokratieablehnung, Ausländerfeindlichkeit und speziell Islamophobie sind auch unter den Jugendlichen längst keine Seltenheit mehr. Oft führt Hainzl in Pflichschulklassen anonyme Abstimmungen durch, bei denen von 40 Schülern 100 Prozent gegen eine Moschee in ihrem Ort stimmen - in einigen Klassen haben sogar über 50 Prozent noch nichts von der Religionsfreiheit in Österreich gehört. Als Neonazis seien diese Schüler jedoch nicht einzustufen, oftmals handle es sich um jugendliche Provokationen, die durch fehlende Bildung jedoch schnell zu Gewalt und Rassismus umschlagen kann - was die Jugendlichen von der gebildeten rechten Elite unterscheidet.

Lockrufe von rechts. Gerade schwierige Zeiten wie diese sind für den rechten politischen Rand Blütephasen. Die Jugend wird verunsichert und verliert an Perspektiven, Bildung und Berufstätigkeit sind nicht länger selbstverständlich - zu verlockend klingen plötzlich die "Botschaften" der rechten Szene: Identität, Macht und klare Strukturen. "Rebellierende Selbstunterwerfung" nennen die Experten dieses Phänomen – man lehnt sich auf, indem man sich der rechten Ideologie unterordnet, ohne diese per se zu unterstützen. Nicht selten sind auch die Lehrer mit ihren Klassen überfordert und melden manche Vorkommnisse überhaupt nicht - oft um die Zukunft der Schüler nicht zu belasten - doch sind manchmal zwei oder drei bekennende Neonazis in einer einzigen Klasse ein beängstigender Nährboden für Gewalt. Gerade in der Obersteiermark legt die rechtsextreme Szene rasant zu, die Großräume Liezen und Mürzzuschlag werden von den Experten und der Sicherheitsdirektion längst mit einigem Kopfzerbrechen beobachtet.

Verharmlosung als Mantra. Die Ursachen der starken Mobilisierung der rechten Szene lassen sich freilich nicht nur in der Krise suchen. Zu lang und zu deutlich lässt sich der Anstieg der Zwischenfälle bereits beobachten und ebenso lange wartet man auf einen Aufschrei der Politiker. Österreichweit haben sich die Anzeigen wegen rechtsextremer Umtriebe seit 2006 mehr als verdoppelt, allein in der Steiermark waren es 2008 ganze 70 Anzeigen gegen das Verbotsgesetz, zwischen Januar und April 2009 immerhin schon 21. Hainzl sieht das Problem vor allem in gesellschaftlicher Doppelmoral: FPÖ und BZÖ dürfen politisch ungestraft mit polemischen Slogans wie "Abendland in Christenhand" auf Stimmenfang gehen und sogar gegen Moscheen demonstrieren, auch wenn das gegen die verfassungsrechtlich geschützte Religionsfreiheit verstößt. Jugendlichen fehlt das Gespür, was erlaubt und was strafbar ist, sind sich Ehetreiber und Hainzl einig. "Der Strache darf das doch auch" – nur zu oft fällt dieser Satz in den Gesprächen mit jungen Steirern.

Aufklärung. Spätestens beim Thema Integration hat die Politik Nachholbedarf. Man muss den Rassismus verstehen können, um ihn richtig zu bekämpfen, meint Hainzl. Die Angst vor der Arbeitslosigkeit wirkt für Fremdenhass jedoch wie ein Lockvogel - zu deutlich wird die Bedrohung für viele Steirer, in ihrem Job durch billigere Arbeitskräfte aus dem Ausland ersetzt zu werden. "Vor genau diesem Phänomen kann man gar nicht genug warnen", so Ehetreiber. Jetzt müsse man den Hebel mit guter Präventivarbeit und Aufklärung ansetzen, um bedrohliche Zustände und blutige Proteste wie unlängst in Paris oder Athen gar nicht erst möglich werden zu lassen.