Auch viele Jahrzehnte später werden noch Erinnerungen ausgetauscht: jeden ersten Dienstag im Monat beim Alumni-Stammtisch in Teheran oder in der WhatsApp-Gruppe „Die Jugendlichen von Graz“. Erinnerungen an eine schöne, aber auch turbulente Studienzeit in Graz in den 1950er- bis 70er-Jahren, als insbesondere die Technische Hochschule (TH; heute TU) von ausländischen Studierenden gestürmt wurde. Hier kam Ende der Fünfziger sogar nur ein Drittel aus Österreich, der größte Anteil der Auslandsstudenten waren Iraner – ihre bislang unbekannte Geschichte haben Maryam Mohammadi und Joachim Hainzl vom Verein Xenos aufgearbeitet, zu sehen derzeit in einer Ausstellung im GrazMuseum.

Studentenausweis von Hossein Sabzehvari
Studentenausweis von Hossein Sabzehvari © privat

"Graz war damals sehr anders"

Drei der damaligen „Jugendlichen von Graz“ sind Yousef Haririan, Hossein Sabzehvari und Gholamali Khoschsorur (alle 79 Jahre alt). „Graz war damals sehr anders, sehr traditionell“, erinnert sich Haririan, der auch als wuschelköpfiger junger Mann das Ausstellungssujet ziert. „Wir waren hungrig nach Kultur, dafür war Österreich ja auch im Iran bekannt. Wir haben hier tanzen gelernt oder alles über europäisches Essen – das war für uns alles neu.“ Ab 1964 studierte Haririan an der TH Maschinenbau, dann ging er zurück in den Iran. Seit 1979 lebt er wieder in Graz, wo er erst bei der Maschinenfabrik Andritz gearbeitet hatte und dann die Orientteppichabteilung einer Firma leitete.

Gholamali Khoschsorur 1978 im Chemielabor in Graz
Gholamali Khoschsorur 1978 im Chemielabor in Graz © privat

Gholamali Khoschsorur hatte ab 1967 Biochemie in Graz studiert, bis zu seiner Pensionierung 2009 arbeitete er am Institut für Labordiagnostik der Uniklinik, 2007 wurde er zum Professor ernannt. Auch seine Frau Mina Schahbasi schloss ihr Medizinstudium in Graz ab – ihre Schwester Simin wiederum heiratete Hossein Sabzehvari, der ab 1963 Maschinenbau an der TH studiert hatte. Davor hatte er als Pfadfinder schnell Anschluss gefunden. „Die ersten drei Monate hatte ich nur Österreicher um mich, erst bei der Inskription habe ich meine Landsleute wieder getroffen“, erzählt er. 1972 musste er das Doktoratsstudium in Graz aus finanziellen Gründen aufgeben, im Iran arbeitete er ab 1975 für die IDRO Group, heute lebt er im Iran und in Österreich.

Die Iraner in Graz vermittelten ein ganz anderes Bild ihres Lands: Während die Regenbogenpresse das prunkvolle Leben von Schah Reza Pahlavi zeigte, demonstrierten sie gegen das Regime. Haririan wurde nach seiner Rückkehr in den Iran deswegen monatelang inhaftiert und gefoltert.

Yousef Haririan bei seiner Graduierung an der TH Graz, Graz, 1975
Yousef Haririan bei seiner Graduierung an der TH Graz, Graz, 1975 © Haririan Yussef, privat

Lokalverbote

Die „exotischen“ jungen Männer fielen im damals verträumten und noch völlig untouristischen Graz aber vor allem optisch auf. Obwohl sie aus gutem Hause waren, sich adrett mit Anzug und Krawatte kleideten und sich – oft im Gegensatz zu den Einheimischen – auch schon früh Autos leisten konnten, wurden sie angefeindet.

Lokalverbote waren nicht selten. Während sich die jungen Iraner im Café Columbia (heute Operncafé) trafen, wurden sie in andere Lokale gar nicht eingelassen – die Kleine Zeitung widmete dem Thema Anfang der 60er-Jahre eine Serie und begleitete etwa Studierende für eine Reportage.
„Vieles war gesperrt für uns Ausländer“, erinnert sich Haririan. „Ich hatte großes Glück, eine Zimmervermieterin zu finden, die mich nicht nur aufgenommen hat, sondern mir auch geholfen hat, mich anzupassen.“ Trotz allem sei es aber eine wunderschöne Zeit gewesen, meint er. Und grinst: „Wir haben unsere Jugend in die Länge gezogen."

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Kleine Zeitung 1961