In die Beziehungsumstände muss man nicht in allen Details eintauchen. Mann lernt Frau über eine Dating-App kennen. Man trifft sich, kommt einander näher, aber es ist nicht auf Dauer. Nur ist da ein Kind. Nicht geplant, aber geliebt von beiden Seiten. Schon als werdender Vater war für Andreas (45) klar: "Ich übernehme Verantwortung, egal, wie die Beziehung läuft." Heute ist seine fünfjährige Tochter sein Ein und Alles.

Doch zurück zum Start, der sich als Albtraum herausstellte. Der 45-Jährige muss von Anfang an um Zeit mit dem Kind kämpfen. Als alles Bemühen samt Mediation keinen Erfolg bringt, beantragt er eine Doppelresidenz. Nun will er sogar die Hauptbetreuung. Dreieinhalb Jahre später hat er 70.000 Euro für Anwalts- und Gutachterkosten ausgegeben, sich verschuldet und vertritt sich vor Gericht selbst. Seine Anwältin kann er nicht mehr bezahlen. Sein Fazit: "Das ist ein Vätervernichtungssystem. Vom Jugendamt bis zum Gericht gibt man Vätern einen Misstrauens-, Müttern einen Vertrauensvorschuss."

Begrenzte Zeit mit Tochter

Psychologe Andreas Willmann, der im Prozess als Sachverständiger vor zweieinhalb Jahren die Doppelresidenz – also je ein Zuhause bei Vater und Mutter – vorgeschlagen hat, attestiert dem Grazer heute noch: "Er ist ein kompetenter, empathischer Vater, der trotz schwieriger Umstände eine hervorragende Beziehung zum Kind aufgebaut hat." Als er die Doppelresidenz empfahl, durfte der Vater seine Tochter gerade einmal vier Stunden in der Woche sehen, bis zur ersten Übernachtung sollten noch eineinhalb Jahre vergehen. Auch heute noch darf das Kind nur jede zweite Woche einmal am Wochenende und jede andere zweite Woche werktags nach der Abholung vom Kindergarten beim Vater übernachten.

Richter angezeigt

Der Richter sei säumig in seinen Entscheidungen gewesen, hätte das Verfahren verzögert, wo doch für die Beziehung zu einem Kleinkind jede Stunde wichtig wäre, fühlt sich der Vater ungerecht behandelt. Dann die Eskalation: Der Grazer stellt einen Ablehnungsantrag gegen den Richter und zeigt ihn wegen Amtsmissbrauchs an. "Der Richter hat sich wegen Befangenheit vom Verfahren zurückgezogen", bestätigt die Sprecherin des Bezirksgerichts Graz-Ost, Maria Wesiak: "Ein Richter ist befangen, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen", erklärt sie, eine Strafanzeige sei aber kein grundsätzlicher Grund. So eine Eskalation ist nicht die Norm, weiß Wesiak, selbst Familienrichterin: "Aber natürlich sind Sorgerechtsstreitigkeiten immer besonders emotional." Haben Väter vor Gericht die schlechteren Karten, wie auch Vätervereine stets behaupten? "Nein", sagt Wesiak, "wir haben immer nur das Kindeswohl im Auge."

Auch Psychologe Martin Mayerhofer, Sachverständiger in Obsorgeverfahren, betont: "Beide Elternteile finden gleiches Gehör. Aber wird das Kind zum Streitobjekt und fühlen sich Elternteile benachteiligt, führt das zu enormer emotionaler Belastung. Sie laufen Gefahr, alles nur noch im Tunnelblick zu sehen und sind nur noch sehr schwer zu erreichen." Dann werde jeder zum Feind.

Das lässt Andreas nicht gelten. Dass er nach dreieinhalb Jahren Kampf trotz bester Bewertung im Gutachten seine Tochter noch immer nur eingeschränkt sieht, nimmt er nicht hin. Er will weiterkämpfen, mit allen gebotenen Mitteln.