Wenn es darum geht, die Kasse zu füllen, stellt der Intendant der Grazer Oper seine eigenen ästhetischen Vorlieben zurück. Auf die karge, betont unsentimentale "La Bohème"-Deutung seines Lieblingsregisseurs Peter Konwitschny lässt Jörg Koßdorff nun eine Rückkehr ins Opernmuseum folgen. Er zeigt Giacomo Puccinis bittersüße Liebesgeschichte in der 2003 am Klagenfurter Stadttheater herausgebrachten Inszenierung des im Mai 2007 verstorbenen Dietmar Pflegerl, einstudiert von dessen Ex-Assistenten Michael Eybl.

Wohlgefällig, wohlbekannt. Wohlgefällige Aufnahme bei den Premierenbesuchern fand eine szenische Umsetzung, in der das nur vom bunten Treiben im Café Momus kontrapunktierte Grau der Bühnenbilder von Bernd-Dieter Müller Tristesse verströmt und ein mit einer Plastikhülle abgedecktes Motorrad, in dessen Beiwagen Marcello seine Malutensilien hortet, schon den kühnen Gipfel der Aktualisierung der um 1830 angesiedelten Handlung darstellt. Ansonsten kann man genau das sehen, was in den Regieanweisungen steht und schon tausende Male vorgeführt worden ist.

Klangvollbad. Zum Nachteil gereicht dieser Produktion, dass der spanisch-dänische Dirigent Alberto Hold-Garrido einer ausgeprägte Vorliebe für Klangvollbäder frönt. Immer wieder treibt er den Phonpegel der von ihm präzise gesteuerten und von Süßlichkeit fern gehaltenen Grazer Philharmoniker so sehr in die Höhe, dass er die Sänger zu einer vokalen Tour-de-Force zwingt. Der kehlige Tenor des Mexikaners Arturo Chacón-Cruz klingt bereits heiser, bevor der Rauch aus dem verstopften Kamin des Mansardenzimmers die Bühne verqualmt, erklimmt aber mit großem Krafteinsatz alle Spitzentöne des Rodolfo.

Durchwachsen. Adriana Damato besitzt mit ihrem dunkel timbrierten, über genügend Reserven für dramatische Ausbrüche verfügenden Sopran zwar alle stimmlichen Voraussetzungen für die Mimi, singt aber stets so sehr auf maximalen Effekt bedacht, dass ihr Vortrag mehr Kalkül als Ausdruck vermittelt. Margareta Klobucar wagt sich als temperamentvolle Musetta an eine Grenzpartie, die sie nur mit etlichen stimmlichen Schärfen bewältigt. Carlo Kang führt als Marcello einen markigen und fülligen Bariton ins Treffen, den er aber reichlich undifferenziert einsetzt.

Gute Figur. Einen Lichtblick beschert hingegen Wilfried Zelinka, der die Mantel-Arie des Colline mit schlichter Eindringlichkeit wirklich in jenem Piano singt, das Puccini vorgeschrieben hat. Ivan Orescanin und Konstantin Sfiris machen als Schaunard und Alcindoro gute Figur. Manuel von Senden (Parpignol), István Szécsi (Zöllner) und Zoltán Galamb (Sergeant) sind die unverwüstlichen Veteranen der Konwitschny-Inszenierung.