Sie sind auch mit 70 noch höchst aktiv. Personifizieren Sie ein Modell der nächsten Pensionssicherungsreform?
JÖRG KOSSDORFF: Wenn die Gesundheit es zulässt und der Kopf jung bleibt, gibt es keinen Grund, nach den Zahlen zu gehen, wie in Frankreich, wo sich Gérard Mortier mit 65 als Intendant der Pariser Oper verabschieden muss.

Unter Intendant Gerhard Brunner waren Sie dessen Stellvertreter. Wollten Sie sein Erbe antreten?
KOSSDORFF: Überhaupt nicht. Beide Positionen, den Technischen Direktor und den Intendanten, habe ich nicht angestrebt.

Ist aus der heutigen Perspektive Ihre Kür zum "Bühnenbildner des Jahres" 2001 durch die Zeitschrift "Opernwelt" oder die Intendanz der Höhepunkt Ihrer Karriere?
KOSSDORFF: Die Verantwortung für so viele Leute und den Inhalt unserer Arbeit ist der Höhepunkt. Die Oper in die Köpfe der Leute zu bekommen, ist eine Aufgabe, die mich sehr befriedigt hat.

War für Sie der künstlerische Erfolg wichtiger oder die Steigerung der Zuschauerzahlen?
KOSSDORFF: Die strategische Planung hat als Ziel, die optimale Mischung für dieses Haus und diese Stadt zu finden.

Da hatten Sie ja als langjähriges Mitglied des Hauses gegenüber Ihren Vorgängern Startvorteile.
KOSSDORFF: Das ist mir zugute gekommen, dass ich meine Grazer kenne und weiß, welche Zielgruppen ich zusammenführen muss. Meine Vorgängerin hat ein sehr gutes Ohr gehabt für die Auswahl der jungen Sänger. Das war für mich der Angelpunkt, um zu sagen, auch für mich muss der Sänger das Wichtigste sein.

War es für Ihre Intendanz von Vorteil, dass Sie als Bühnenbildner von der künstlerischen Seite kommen und als Technischer Direktor das Haus gut kannten?
KOSSDORFF: Der Startvorteil ist natürlich da, denn diese Erfahrungen helfen. Was ich gelernt habe, ist, mit den Leuten umzugehen. Das kann ich einfach. Wichtig ist auch, dass ein Intendant seinen Sängern ein Ziel vorgibt.

Ihre Theaterkarriere haben Sie schon recht früh begonnen?
KOSSDORFF: 1952 wirkte ich mit 14 im Landhaushof bei Friedrich Schillers "Verschwörung des Fiesco zu Genua" als Statist mit.

Wie begannen Sie in der Oper?
KOSSDORFF: Als Techniker. Intendant Karlheinz Haberland hat mir 1967 das erste Bühnenbild anvertraut: "Das tapfere Schneiderlein" im Schauspielhaus.

Für wie viele Stücke haben Sie die Bühnenbilder entworfen?
KOSSDORFF: Mindestens hundert. Meist für Graz, aber auch für Berlin, Dresden, Bremen, Nürnberg, Saarbrücken und Salzburg.

Welches ist Ihnen Ihrer Meinung nach am besten gelungen?
KOSSDORFF: Das für Peter Konwitschnys Inszenierung von Verdis "Macbeth" in der Grazer Oper und auch jenes für Axel Cortis "Don Giovanni"-Regie in Graz.

Worauf sind Sie als Technischer Direktor besonders stolz?
KOSSDORFF: Als sich Intendant Carl Nemeth verabschiedete, bedankte er sich dafür, dass ich nie ein Problem auf ihn abgewälzt habe.

Die schlimmsten Flops?
KOSSDORFF: Als Bühnenbildner war ich sehr unglücklich über die "Zauberflöte", die ich mit Regisseur Christian Pöppelreiter gemacht habe. Als Intendant hat mich das "Wiener Blut" schwer gequält. Für mich als Technischen Direktor war es eine Niederlage, wie wir den Betonvorbau beim Orchestergraben in der Oper wegschneiden mussten.

Welche Wünsche sind für Sie unerfüllt geblieben?
KOSSDORFF: Sehr gerne hätte ich "König Lear" von Aribert Reimann auf den Spielplan gesetzt. Auch ein Werk von Luigi Nono hätte ich gerne gemacht.

In Ihrer letzten Saison werden Sie keine Operette spielen. Kapitulieren Sie vor diesem Genre?
KOSSDORFF: Die Operette hat mich einige graue Haare gekostet, weil ich ihr wirklich liebend gegenübergetreten bin. Ich spiele statt einer Operette "My Fair Lady", weil mit Kurt Schreibmayer ein interessanter Henry Higgins zur Verfügung steht.