Ich lerne fast täglich dazu", sagt Siegfried Nagl ungeschützt. Ungewöhnlich für den Bürgermeister der zweitgrößten Stadt Österreichs. Noch vor ein paar Jahren, als der Quereinsteiger ganz schnell zum Parteiobmann und Bürgermeister aufgestiegen war, hätte man so eine Ansage als politische Naivität abgetan. So war damals sein Ruf - ein smarter junger Mann, politisch ahnungslos, der im Sog von Landesmutter Waltraud Klasnic an die Spitze gespült wurde.

Redet gerne. Heute, fünf Jahre politisch reifer, kommt die Botschaft gut an: Noch kann er dazulernen, der Herr Bürgermeister, hört zu, weiß nicht alles besser. Und wenn Nagl so redet - und er redet gerne -, hören die Wähler zu. Im Lauf der Jahre ist er ein guter Redner geworden, macht kaum Kunstpausen, in denen er nachdenken muss, wie der nächste Satz weitergeht. Und wenn es um seine Stadt geht, sprudelt es nur so aus ihm heraus. Ein Nebensatz charakterisiert ihn gut: "Die Sucht Politik hat mich voll erwischt".

5.30 Uhr Tagwache. Und so schaut sein Leben jetzt aus: Tagwache in der Regel um 5.30 Uhr, "das ist die einzige Möglichkeit, mit meinen Sohn Maximilian ein wenig zu spielen". Tagsüber oder gar am Abend sieht er seinen Vater kaum, der kleine Max (2) - er ist der Nachzügler, die Familie Nagl besteht aus drei weiteren Töchtern, Sandra (25), Martina (24) und Katharina (18). Der Urlaub mit der Familie ist ihm heilig, im Sommer fährt man ans Meer, zwischendurch auch zum Segeln.

Termine. Doch jetzt gibt es Wahlen. Der ganze Tag ist mit amtlichen Terminen vollgepflastert, wer hat nicht gern den Bürgermeister bei einer Eröffnung, bei einer Ehrung ober bei sonst einem Sauaustreiben. Dazwischen ist Wahlkampf. Und obwohl "der Sigi", wie ihn die Parteifreunde rufen, alles eher als menschenscheu ist, ist er nur wenig auf der Straße im Einsatz. Viel wichtiger ist die tägliche Medienarbeit, sind die strategischen Positionierungen. Zum Beispiel die Koalitionsansage in Richtung der Grünen.