Es waren „liebe Grüße“ seitens der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) an Gastronomiebetriebe, die zuletzt für hitzige Debatten sorgten. Denn die Nachforderungen der ÖGK, wenn das in der Sozialversicherung pauschal veranschlagte Trinkgeld deutlich überschritten wurde, erhitzten die Gemüter. Die Diskussion, ob Trinkgelder überhaupt sozialversicherungspflichtig sein sollen, hat daher bundesweit Fahrt aufgenommen. Während viele in Wirtschaft und Politik eine komplette Abschaffung der Abgabe fordern, spricht sich die Gewerkschaft für eine Neuanpassung aus.

Fakt ist aber auch: Diese Diskussion betrifft einen Topf, der in den letzten Jahren leerer geworden ist. Tatsächlich bestätigen viele Gastronomen und Kellnerinnen wie Kellner der Kleinen Zeitung, dass das Trinkgeld nicht mehr so locker sitzt wie noch vor einigen Jahren. Wie ist das bei Ihnen, liebe Leserin und lieber Leser?

Anlässlich der aktuellen Debatte bringen wir an dieser Stelle noch einmal jene Stellungnahmen aus der Grazer Gastrobranche, die wir vor exakt einem Jahr erhielten – bei nicht ganz einfachen Gesprächen: Soll man in herausfordernden Zeiten noch Salz in die Wunde streuen? Und den Gast, der oft nach eigenem Empfinden schon genug für Kaffee, Schnitzel und Co zahlt, um mehr Extramünzen bitten? Ja, einige Chefs beteuerten und beteuern, dass sich nichts verändert habe, viele andere aber bestätigen den Schwund beim monetären Gruß der Gäste. Diese Diskussion, die an dieser Stelle vier Wirte und eine Wirtin der Kleinen Zeitung bestätigten (siehe unten), pendelt zwischen dem Hinweis auf den unermüdlichen Einsatz des Personals – und der Sorge, dass die Work-Life-Balance-Diskussion noch mehr Schlagseite erhält, wenn langfristig dieser Zuverdienst als Anreiz wegfällt.

Karli Pichlmaier, Ferl’s Weinstube: „Wir sind ein Beisl, das man in der Steiermark kennt, das darf ich so sagen. Trotzdem geht es uns gleich wie allen: Du merkst, die Leute schauen bewusster aufs Geld. Aber Trinkgeld braucht’s: So wie ich mich als Koch freu, wenn ich hör, dass es schmeckt, so freuen sich meine Leut‘ über eine Wertschätzung. Manche Gäste zahlen auch einen Kaffee oder so für die Kellner als Dankeschön mit.“

Grazer Kochlegende: Karl Pichlmaier
Grazer Kochlegende: Karl Pichlmaier © Paul Stajan

Albin Sorger-Domenigg, Bäckerei Sorger: „An Standorten mit Tischservice merken wir keinen Unterschied zu früher. Anders ist es tatsächlich bei Filialen mit Selbstbedienung, da steigen die Umsätze mit Kartenzahlungen, die Trinkgelder gehen ein wenig zurück. Ich bin sicher, das ist oft schlicht eine Zeitfrage: Will der Kunde ein Trinkgeld geben, muss unser Mitarbeiter den Zahlvorgang für die Bankomatkarte abbrechen, den neuen Betrag eingeben ... Das dauert manchen Gästen zu lange.“

Albin Sorger
Albin Sorger: Mehr Bankomatzahlungen, weniger Trinkgeld © KLZ/Pajman

Isabella Edler, Glöckl-Bräu: „Meine Kellner sagen mir, dass die meisten Gäste zum Glück weiterhin Trinkgeld geben, dass es insgesamt aber schon ein bissl weniger wird, weil die Leute halt momentan mehr aufs Geld schauen und sparen müssen. Auffällig ist auch eine Entwicklung bei Firmenfeiern, sagen sie: Denn immer öfters meint jene Person, die im Namen der Firma letztlich bei uns die Rechnung unterschreibt, dass sie leider kein Trinkgeld geben dürfe.“

Isabella Edler, Chefin im Glöckl Bräu
Isabella Edler, Chefin im Glöckl Bräu © Glöckl Bräu/Werner Krug

Georg Leitner, Welscher Stub’n: „Ich finde es spannend, dass bei uns Trinkgeld nach Sympathie, Lust und Freude vergeben wird. Und nicht wie in anderen Ländern als fixer Bestandteil der Konsumation. Aber zum Glück werden unsere Mitarbeiter für Service, Weinberatung und Atmosphäre von den Gästen belohnt. Dass mittags das Trinkgeld im Budget der Gäste nicht immer so üppig vorhanden ist wie am Abend, ist klar, auch wenn wir mittags genauso Qualität bieten.“

Georg Leitner von der Welscher Stubn: Dass er sein Schnitzel auch ohne Beilagen verkauft, "kommt bei den Gästen gut an"
Georg Leitner von der Welscher Stub’n: „Trinkgeld wird nach Sympathie, Lust und Freude vergeben“ © Ripix

Stephan Pensold, Barista‘s Coffeeshops: „Viele Stammgäste, die unser Service und die Atmosphäre schätzen, geben selbstverständlich weiter regelmäßig den einen oder anderen Euro mehr dazu. Ansonsten wird derzeit aber schon eher knapp aufgerundet, das muss man ehrlicherweise sagen. Doch dank der Frequenz bei uns, auch wegen Coffee-to-go, sind unsere
Mitarbeiter unterm Strich zum Glück dennoch zufrieden.“

Stephan Pensold tischt neue Cafés auf
Stephan Pensold: „Derzeit wird eher knapp aufgerundet“ © Rene Walter