Die Sache ist kompliziert und heikel: Soll man in herausfordernden Zeiten für die Gastronomie noch Salz in die Wunde streuen? Und den Gast, der oft nach eigenem Empfinden schon genug für Kaffee, Schnitzel und Co zahlt, um mehr Extramünzen bitten? Fakt ist: In der Branche kocht die Debatte hoch, dass Kellnerinnen und Kellner weit weniger Trinkgeld erhalten als noch vor Jahren. Ja, einige Chefs beteuern, dass sich nichts verändert habe, viele andere aber bestätigen den Schwund beim monetären Gruß der Gäste. Diese Diskussion, die an dieser Stelle vier Wirte und eine Wirtin der Kleinen Zeitung bestätigen (siehe unten), pendelt zwischen dem Hinweis auf den unermüdlichen Einsatz des Personals – und der Sorge, dass die Work-Life-Balance-Diskussion noch mehr Schlagseite erhält, wenn langfristig dieser Zuverdienst als Anreiz wegfällt.

„Das bargeldlose Bezahlen, das immer mehr aufkommt, spielt sicher eine Rolle“, meint Klaus Friedl, Spartenobmann in der Wirtschaftskammer. „Als Gast denkst dann oft gar nicht ans Trinkgeld, du bist nur aufs Kastl und deinen PIN-Code konzentriert.“ Zehn Prozent der Rechnung schenkt man der Kellnerin dazu, lautet eine gängige Regel – die aber in teuren Zeiten unter Druck gerät. Trinkgeld ist jedenfalls steuerfrei, sofern es „in ortsüblicher Höhe“ ausfällt und vom Gast direkt ans Personal geht. Auch bei Kartenzahlung.

Karli Pichlmaier, Ferl’s Weinstube: „Wir sind ein Beisl, das man in der Steiermark kennt, das darf ich so sagen. Trotzdem geht es uns gleich wie allen: Du merkst, die Leute schauen bewusster aufs Geld. Aber Trinkgeld braucht’s: So wie ich mich als Koch freu, wenn ich hör, dass es schmeckt, so freuen sich meine Leut‘ über eine Wertschätzung. Manche Gäste zahlen auch einen Kaffee oder so für die Kellner als Dankeschön mit.“

Grazer Kochlegende: Karl Pichlmaier
Grazer Kochlegende: Karl Pichlmaier © Paul Stajan

Albin Sorger-Domenigg, Bäckerei Sorger: „An Standorten mit Tischservice merken wir keinen Unterschied zu früher. Anders ist es tatsächlich bei Filialen mit Selbstbedienung, da steigen die Umsätze mit Kartenzahlungen, die Trinkgelder gehen ein wenig zurück. Ich bin sicher, das ist oft schlicht eine Zeitfrage: Will der Kunde ein Trinkgeld geben, muss unser Mitarbeiter den Zahlvorgang für die Bankomatkarte abbrechen, den neuen Betrag eingeben ... Das dauert manchen Gästen zu lange.“

Albin Sorger: Mehr Bankomatzahlungen, weniger Trinkgeld
Albin Sorger: Mehr Bankomatzahlungen, weniger Trinkgeld © KLZ/Pajman

Isabella Edler, Glöckl-Bräu: „Meine Kellner sagen mir, dass die meisten Gäste zum Glück weiterhin Trinkgeld geben, dass es insgesamt aber schon ein bissl weniger wird, weil die Leute halt momentan mehr aufs Geld schauen und sparen müssen. Auffällig ist auch eine Entwicklung bei Firmenfeiern, sagen sie: Denn immer öfters meint jene Person, die im Namen der Firma letztlich bei uns die Rechnung unterschreibt, dass sie leider kein Trinkgeld geben dürfe.“

Isabella Edler, Chefin im Glöckl Bräu
Isabella Edler, Chefin im Glöckl Bräu © Glöckl Bräu/Werner Krug

Georg Leitner, Welscher Stub’n: „Ich finde es spannend, dass bei uns Trinkgeld nach Sympathie, Lust und Freude vergeben wird. Und nicht wie in anderen Ländern als fixer Bestandteil der Konsumation. Aber zum Glück werden unsere Mitarbeiter für Service, Weinberatung und Atmosphäre von den Gästen belohnt. Dass mittags das Trinkgeld im Budget der Gäste nicht immer so üppig vorhanden ist wie am Abend, ist klar, auch wenn wir mittags genauso Qualität bieten.“

Georg Leitner von der Welscher Stub’n: „Trinkgeld wird nach Sympathie, Lust und Freude vergeben“
Georg Leitner von der Welscher Stub’n: „Trinkgeld wird nach Sympathie, Lust und Freude vergeben“ © Ripix

Stephan Pensold, Barista‘s Coffeeshops: „Viele Stammgäste, die unser Service und die Atmosphäre schätzen, geben selbstverständlich weiter regelmäßig den einen oder anderen Euro mehr dazu. Ansonsten wird derzeit aber schon eher knapp aufgerundet, das muss man ehrlicherweise sagen. Doch dank der Frequenz bei uns, auch wegen Coffee-to-go, sind unsere
Mitarbeiter unterm Strich zum Glück dennoch zufrieden.“

Stephan Pensold: „Derzeit wird eher knapp aufgerundet“
Stephan Pensold: „Derzeit wird eher knapp aufgerundet“ © Rene Walter