Roman Rainer vom Fischereiverein Irdning hockt im flachen Uferbereich der immer noch eiskalten Enns und weiß gar nicht, wo er zuerst hinschauen soll. In einem weißen Kübel, den er knapp an der Wasseroberfläche balanciert, wurlt es.

Was mit einigem Abstand wirkt wie eine undefinierbare schwarze Masse, stellt sich bei näherer Nachschau als dicht gedrängter Schwarm winzig kleiner Fische heraus. Bachforellen, genau gesagt, jede für sich gerade einmal ein paar Millimeter groß und doch schon voll ausgebildet, von den Flossen bis zu den charakteristischen bunten Tupfen.

Aus Säcken, die mit Wasser und Sauerstoff gefüllt sind, werden die Brütlinge händisch in Eimer umgefüllt und zu den Besatzstellen getragen
Aus Säcken, die mit Wasser und Sauerstoff gefüllt sind, werden die Brütlinge händisch in Eimer umgefüllt und zu den Besatzstellen getragen © Christian Nerat

"Wahnsinn, die sind alle quicklebendig", entfährt es Roman Rainer, der als erfahrener Fliegenfischer ein scharfes Auge fürs Detail hat: "Verblüffend, dass sie sich instinktiv sofort ein Versteck suchen, unter einem Stein oder einem kleinen Ast im Wasser. Und das, obwohl sie in ihrem kurzen Leben bisher noch kein natürliches Gewässer gesehen haben."

Aus nachhaltiger, naturnaher Zucht

Stimmt. Die quietschfidelen Winzlinge stammen aus der Fischzucht Kehlbach im salzburgischen Saalfelden, wo Züchter Stefan Magg sich seit Jahren auf nachhaltige und naturnahe Fischzucht – vor allem für den Besatz von Gewässern – spezialisiert hat. In Säcken, gefüllt mit Wasser und Sauerstoff, haben sie die Reise über die Landesgrenze angetreten, hinein in ein Leben in der steirischen Enns. Und obwohl die kleinen Bachforellen seit ihrem Schlupf aus dem Ei nur steril saubere Brutbecken kannten, sind die frostigen Fluten der Enns für sie ein ideales Habitat. "Die Fische sind genetisch perfekt an das Leben im alpinen Fließgewässer angepasst", berichtet Zuchtexperte Stefan Magg, "da sind die Laichzeiten exakt, wie sie sein sollen, und die Fische halten sich sehr gut in den Gewässern."
Genau das ist der entscheidende Grund, warum sich die Verantwortlichen des Fischereivereines Irdning entschlossen haben, ein ganz besonderes Renaturierungsprojekt zu starten.

Ökologisch schwer unter Druck

Die Enns gilt zwar mit ihren 147 Kilometern unverbauter Flussstrecke als einer der längsten unverbauten Flüsse Mitteleuropas, trotzdem ist sie – wie die meisten anderen Fließgewässer im Land ökologisch schwer unter Druck. Ein Umstand, den (hörbar emotional) auch der Obmann des Landesfischereiverbandes Steiermark, Max Scharzenberger, bestätigt: "Unsere Position ist eindeutig, völlig unabhängig, ob es sich um regulierte, nicht regulierte oder renaturierte Gewässer handelt. Es ist nirgends, ich wiederhole nirgends eine zufriedenstellende Biomasse in den heimischen Gewässern vorhanden."

Ein drastisches Bild, das Scharzenberger noch mit weiteren Zahlen unterfüttert: "Alle seriösen Experten gehen davon aus, dass 50 Kilogramm Biomasse auf einen Hektar Wasserfläche das absolute Minimum eines gesunden Ökosystems sind." Untersuchungen hätten gezeigt, dass in vielen Gewässerabschnitten nicht einmal ein Bruchteil davon nachweisbar sei.

Mit Baumstämmen wird versucht, der Enns Struktur zu geben, die Fließgeschwindigkeit zu bremsen und den Lebensraum damit zu verbessern
Mit Baumstämmen wird versucht, der Enns Struktur zu geben, die Fließgeschwindigkeit zu bremsen und den Lebensraum damit zu verbessern © Christian Nerat

Der Druck auf das Leben im Wasser – vom Plankton über unzählige Insektenarten und Amphibien bis zu den Fischen – ist seit Jahren groß und kommt von mehreren Seiten. Eine davon – und das seit weit mehr als 100 Jahren – ist der technische Eingriff des Menschen in die Wasserläufe. Begradigungen von Flussläufen (an der Enns wurde damit schon im Jahr 1860 begonnen) erhöhten die Fließgeschwindigkeit der Gewässer beträchtlich und wirkten sich enorm auf die Wasserlebewesen aus. Dazu kommen Faktoren wie der Schwallbetrieb von Kraftwerken und die Wasserentnahme für die Kunstschneeerzeugung auf den großen Skibergen.

Kormoran, Otter und Co.

Auch natürliche Räuber setzen den Gewässern zu. Neben Reiher, Kormoran und Co. ist es vor allem der Otter, der Gewässerökologen wie Fischern Kopfzerbrechen bereitet. "Aktuell gehen seriöse Schätzungen davon aus, dass wir 2500 Fischotter in der Steiermark haben", rechnet Scharzenberger vor. Für Fische, Amphibien und Bodenbrüter ein existenzielles Problem.