Thomastag in Gams bei Hieflau. Es ist bewölkt, feucht und kühl. „Wetterfinster“ neigt sich der ohnehin kürzeste Tag des Jahres früh seinem Ende zu. Hinter einer schneebedeckten Wiese steigen Nebel auf, als plötzlich Schellenklang zu hören ist. Wie aus dem Nichts tauchen Gestalten auf einer Geländekuppe auf und bewegen sich flotten Schrittes in Richtung Mandlbauerhof.

Angeführt werden sie von vier hellen Figuren: dem heiligen Thomas, dem weißen Thomas mit einem „brennenden Hiefler“, der Nikolofrau und dem Gabenbringer, auch Sackträger genannt. Das Gefolge bilden die skurrile „Thomashutzn“, ein zittriger Greis sowie einige Krampusse. Die Szenerie ist mystisch und zugleich beeindruckend. Fast wie im Kino. Tatsächlich ist sie Teil eines Filmes, den ein Team für Schloss Trautenfels produziert, um den Brauch des Thomasnikolo zu dokumentieren.

Ein Bauernhof als Drehscheibe

Für diesen Film wird auf dem Mandlbauerhof auch ein Hausbesuch der illustren Brauchtumsgruppe aufgezeichnet. Aufgeregt warten Kinder in der Stube. Der Heilige Thomas klopft mit seinem Stab, auf dem sich vier Schellen, die die vier Jahreszeiten symbolisieren, befinden, an die Tür. Und wird eingelassen. Nachdem die Kinder ein einstudiertes Gedicht aufgesagt haben, werden sie von der Nikolofrau und dem Gabenbringer mit Mandarinen, Nüssen und Süßigkeiten belohnt.

Sonja Illmayer achtet darauf, dass dieser besondere Brauch weiterlebt
Sonja Illmayer achtet darauf, dass dieser besondere Brauch weiterlebt © KLZ/Martin Huber

„Früher zog die Thomasnikolo-Gruppe nur von Haus zu Haus. Seit 1994 tritt sie auch auf dem Kirchplatz auf, damit Auswärtige unseren schönen Brauch miterleben können“, erklärt Sonja Illmayer. Sie ist aktuell die „gute Seele“ in der Brauchtumsgruppe und hat diese Rolle von ihrer Mutter, die auch Sonja heißt, übernommen: „Nachweislich gibt es den Brauch seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Während der Kriege geriet er leider in Vergessenheit.“

Ein Versprechen für die Ewigkeit

Siegfried Moser, praktischer Arzt in Großreifling, ließ ihn anlässlich einer ORF-Sendung ‚Advent in den Eisenwurzen‘ 1970 wieder aufleben. Seit 1973 hat der Brauch beim Mandlbauerhof eine Bleibe gefunden. „Meine Eltern haben Siegfried Moser damals das Versprechen gegeben, dass der Thomasnikolo jedes Jahr durch den Ort zieht und den Menschen Glück und Segen bringt. An dieses Versprechen haben wir uns bis heute gehalten“, sagt sie.

In der Küche des Mandlbauerhofs herrscht am 21. Dezember reges Treiben. Die Darsteller werden vor ihrem Auftritt von Sonja und ihrer Familie verköstigt, ehe sie sich ihre Gewänder anziehen. Diese sind allesamt das ganze Jahr über in einem eigenen Raum auf dem Bauernhof gelagert. Bei Einbruch der Dunkelheit geht es dann los: Vor dem Haus wird jeder Darsteller geweiht - „damit wieder alle gesund zurückkommen“, wie Sonja erklärt. Dann setzt sich der Tross in Bewegung.

Der Heiliger Thomas stellt eine Kerze zu einem Marterl, das einem Mentor des Brauchs, Hermann Edlinger gewidmet ist
Der Heiliger Thomas stellt eine Kerze zu einem Marterl, das einem Mentor des Brauchs, Hermann Edlinger gewidmet ist © KLZ/Martin Huber

Brauch mit Zukunft

Vorerst aber nur wenige Meter, denn bei einem Marterl am Hofeingang wird ein Stopp eingelegt. Der Heilige Thomas entzündet eine Kerze im Gedenken an Hermann Edlinger, Sonjas Vater. Danach geht die Gruppe in Richtung Ortszentrum. Mittlerweile regnet es. Dennoch sind hunderte Menschen gekommen, um den Thomasnikolo live mitzuerleben.

Nach einem bildlichen und verbalen Rückblick auf die vergangenen 50 Jahre, Gesangseinlagen des Chors „Sing ma zaum“ und dem Mettenjodler der Bläsergruppe Gams ist es so weit: Die Brauchtumsgruppe hält Einzug auf dem Kirchplatz. Der Regen ist vergessen. Kinderaugen strahlen. Und Sonja Illmayers Blick richtet sich bereits in die Zukunft: „Das Vermächtnis meiner Eltern werde ich natürlich meinen Kindern und Enkelkindern weitergeben. Damit der schöne Brauch weitergepflegt wird.“