Ob in Verpackungsmaterial, imprägnierter Kleidung oder in E-Autos – PFAS (Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen) werden in der Industrie in beinahe jedem Bereich genutzt. Allerdings verbleiben sie nicht dort, sondern werden inzwischen beinahe in jedem Bereich unserer Umwelt nachgewiesen, so auch in Nahrungsmitteln, Tieren und dem Menschen. Das Wasser ist vor der Verschmutzung durch PFAS ebenfalls nicht geschützt, im Gegenteil. Eine Studie der Uni Graz, die im Rahmen einer Doktorarbeit von Viktoria Müller mit Chemiker Jörg Feldmann und dem schottischen James Hutton Institut durchgeführt wurde, zeigt eine hohe Konzentration des Umweltgifts in der Mur.

"In Zentraleuropa gibt es relativ wenige Daten über die Verunreinigung von Wasser durch PFAS", so Feldmann. "Insgesamt gibt es 12.000 Substanzen, die in diese Gruppe fallen, mit herkömmlichen Verfahren werden bei Routineuntersuchungen aber nur 10 Prozent der Stoffe entdeckt." Das Forschungsteam nahm das Wasser der Mur rund um die Kläranlagen Gössendorf und Leibnitz genauer unter die Lupe. "Wir haben festgestellt, dass die Konzentration der PFAS im gereinigten Wasser, also wenn es aus der Kläranlage kommt, höher ist, als wenn es hineinfließt", so Feldmann. Das bedeute allerdings nicht, dass die Kläranlagen das Wasser zusätzlich verschmutzen, betont er. "Die Ergebnisse zeigen, dass durch den Klärungsprozess neue PFAS aus sogenannten Vorläufersubstanzen entstehen. Die verschmutzenden Substanzen waren also in anderer Form bereits im Wasser."

Chemiker Jörg Feldmann führte die Studie gemeinsam mit Viktoria Müller durch
Chemiker Jörg Feldmann führte die Studie gemeinsam mit Viktoria Müller durch © Universität Graz/Tzivanopoulos

PFAS bleiben lang im Organismus

Die derzeitige Technologie der Kläranlagen ist demnach nicht in der Lage, die Stoffe aus dem Wasser zu entfernen. In Kläranlagen erfolgen unter anderem eine chemische und mechanische Trennung, als auch eine Oxidation. "In Deutschland werden gerade Versuchsanlagen aufgebaut, die mit Ozonierung arbeiten, wir sind da im Gespräch mit einer Firma im Ruhrgebiet", so Feldmann. "Dieses Verfahren ist aggressiver, aber nicht gesetzlich vorgesehen", ergänzt der Forscher. Besorgniserregend ist für Feldmann das Ergebnis, dass es sich bei PFAS um sehr mobile Chemikalien handelt. "Dadurch können sie sogar ins Grundwasser gelangen."

Ein weiteres Problem an PFAS sei ihre Langlebigkeit. Das bestätigt auch Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner der Med Uni Wien. "Man nennt sie auch 'Ewigkeitschemikalien', ein Begriff, den ich nicht mag, denn die Chemikalien leben tatsächlich nicht ewig, aber sehr lange." Die meisten PFAS haben eine geringe akute Toxizität, aufgrund der niedrigen Konzentration, die man zu sich nimmt, haben diese also kurzfristig keine gesundheitlichen Auswirkungen. Auf Dauer kann eine übermäßige Exposition aber chronische Beschwerden hervorrufen, wie der Experte sagt. "Sie haben eine Resistenz von mehreren Jahren im menschlichen Organismus und setzen sich in Leber, Niere und Blutproteinen ab."

Verbot auf EU-Ebene im Gespräch

Bei erhöhter Exposition können PFAS unter anderem den Fettstoffwechsel stören. Zudem gebe es eine hohe Evidenz, dass die Chemikalien einen Effekt auf das Immunsystem haben und bei Schwangeren das Geburtsgewicht beeinflussen können. "Das heißt aber nicht, dass wir alle vergiftet sind", stellt Hutter klar. Forschungen helfen dabei, Maßnahmen treffen zu können, um die Exposition zu verringern.

Auf EU-Ebene gibt es im Moment Überlegungen, die Verwendung von PFAS zu verbieten, ein schwieriges Unterfangen, wie Feldmann sagt. "Diese Chemikalien werden in so vielen Industriebereichen verwendet, ein Verbot würde eine radikale Änderung benötigen, denn viele Produkte können ohne sie im Moment nicht hergestellt werden." Eine Reduktion sei allerdings unausweichlich, sagt Hutter. "Schließlich wollen wir zukünftige Generationen schützen."

Mur ist kein Hotspot

Die Konzentration von PFAS in der Mur in Leibnitz und Graz ist hoch, allerdings handelt es sich um keinen Hotspot, wie Feldmann erklärt. "Die Werte sind dort, wo sie auch in anderen Großstädten angesiedelt wären", sagt er. Zudem seien die Ergebnisse in Leibnitz und Graz gleich, was bedeutet, dass die Industrie in der Landeshauptstadt die Konzentration nicht zusätzlich verstärkt. Im Alleingang könne die Steiermark das Problem nicht lösen, heißt es aus dem Büro von Umweltlandesrätin Ursula Lackner. "Wir brauchen EU-weit gültige Regelungen. Denn wenn ein PFAS-hältiges Produkt für den europäischen Markt zugelassen ist, können weder Österreich noch die Steiermark das Inverkehrbringen unterbinden."

Wissenschaftlerin Müller will mit den gewonnenen Daten nun Folgestudien durchführen. "Ich will nun untersuchen, ob verbesserte Filteranlagen und die Behandlung des Wassers mit Ozon die Konzentration mit PFAS reduzieren kann." Sobald es neue, erprobte Wege gebe, werde auch in der Steiermark umgerüstet werden, unterstreicht das Büro Lackner. "Fakt ist, dass die steirischen Kläranlagen dem aktuellen Stand der Technik entsprechen müssen."