Mehr als 30 Prozent der Medizinabsolventen werden nicht in Österreich als Ärztin oder Arzt tätig – der Großteil von ihnen geht ins Ausland, manche in Forschung oder in die Industrie. Laut der Ärztekammer liege das daran, dass Jungärzte in Österreichs Spitälern "in Bürokratie untergehen". Laut Cornelia Sitter, Jungmediziner-Referentin und Turnusärztin in Steyr, verbringen Jungärzte 50 Prozent ihrer Arbeitszeit mit "Schreibkram". Arztbriefe abtippen, nach freien Betten telefonieren, Patientendaten dokumentieren: "Dafür sind wir nicht Ärzte geworden, wir wollen mehr Zeit mit unseren Patientinnen und Patienten", sagt die Jungärztin. Die Forderung der Ärztekammer: Eine administrative Unterstützung in den Krankenhäusern, die nicht ärztliche Tätigkeiten übernimmt.

So gebe es laut dem steirischen Ärztekammerpräsident Michael Sacherer in den Spitälern keine Rund-um-die-Uhr-Unterstützung für die Dokumentation von Patientendaten und fordert von den Spitalsträgern, das zu ändern – indem Stationssekretäre oder Ordinationsgehilfen auf den Stationen mit dem Papierkram helfen. "Wir verbringen im Nachtdienst Stunden damit, herumzutelefonieren und freie Betten für Patienten zu finden", kritisiert Sacherer – das sei keine ärztliche Aufgabe.

Cornelia Sitter und Michael Sacherer von der Ärztekammer
Cornelia Sitter und Michael Sacherer von der Ärztekammer © (c) HARRY SCHIFFER PHOTODESIGN

Kinderbetreuung auch am Wochenende

Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei für Jungärztinnen und Jungärzte ein wichtiger Faktor in der Wahl des Arbeitgebers – Ärztekammerpräsident Sacherer ortet hier großen Aufholbedarf: "Wir brauchen ein Kinderbetreuungsangebot von 6 bis 20 Uhr, um frühe Dienstbeginne und Spätdienste abzudecken." Auch die Kinderbetreuung am Wochenende müsse für Spitalsmitarbeiter gewährleistet sein, denn Ärztinnen und Ärzte arbeiten ja auch am Wochenende.

Die Nachfrage der Kleinen Zeitung bei der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft, kurz Kages, ergibt, dass es an allen Kages-Standorten Kinderbetreuung gibt - teilweise betriebsintern, teilweise mit Kooperationspartnern wie Gemeinden oder Vereinen. Und: "Die Kinderbetreuungskontingente werden großteils nicht ausgeschöpft", heißt es von der Kages weiter. Auch den Bedarf nach Sonderöffnungszeiten wie am Wochenende gebe es nur vereinzelt, jedenfalls nicht in dem Ausmaß, dass es ein flächendeckendes Angebot rechtfertige. Sollte der Bedarf auftauchen, könnte es über Tagesmütter gelöst werden, erklärt die Kages.

"Wir wollen 40-Stunden-Woche"

In Sachen Work-Life-Balance im Krankenhausbetrieb beschreibt Jungärztin Sitter: "Wir wollen eine echte 40-Stunden-Woche. Tatsächlich reduzieren aber viele Kollegen auf 30 Stunden Teilzeit, weil sie mit den immer anfallenden Überstunden ohnehin auf 40 Wochenstunden kommen." In Einzelwochen könne es für Ärztinnen und Ärzte sogar zu 72 Stunden Wochenarbeitszeit kommen.

Die "Work-Money-Balance" spricht Gerhard Posch, junger Facharzt im LKH Hochsteiermark an: "Die Steiermark hat bei den Einstiegsgehältern definitiv Aufholbedarf gegenüber anderen Bundesländern." Für steirische Ärztinnen und Ärzte sei es ein leichtes, zum Arbeiten ins Burgenland zu fahren und dort deutlich mehr zu verdienen. "Ich kenne viele Kollegen, die darüber nachdenken, sich beruflich zu verändern", sagt Posch - und entweder in die Ordination oder in ein anderes Bundesland zu gehen.

Nicht zuletzt dürfe die Qualität der Ausbildung der Jungmediziner nicht vergessen werden: "Die Ausbildung muss genutzt werden, um ärztliche Kompetenz zu erwerben, dazu muss sie ernst genommen werden", betonte Sacherer. Dazu brauche es jedenfalls mindestens einen Ausbildungsoberarzt an jeder Abteilung, an der ausgebildet werde. Noch sei dies nicht der Fall.

Ärztemangel im Spital

In den nächsten Jahren gehen viele Ärztinnen und Ärzte in Pension, einige medizinische Fächer gelten jetzt schon als Mangelfächer und viele Spitäler hadern mit der knappen Personalpolitik: In der Steiermark sei es derzeit so, dass innerhalb der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft, kurz Kages, 200 ärztliche Stellen nicht besetzt werden können. Das Problem Ärztemangel treffe vor allem die Landeskrankenhäuser in der Peripherie – dort gebe es in allen Fachbereichen offene Stellen.