Patrick Feier hatte sein eigenes Tempo. Die Ruhe am Land war ihm lieber als die Gschaftlhuberei in der Stadt. Seitdem er ein Kind war, lebte der 27-Jährige in seiner kleinen Heimatgemeinde Ligist, in der Weststeiermark. Patrick hielt sein Zuhause nie für einen angestammten Ort, der ihn in irgendeiner Weise bremste. Das mag daran liegen, dass er selbst voller Energie war und so die Fähigkeit besaß, die Menschen um ihn herum anzuziehen. Wo auch immer er hinkam, lernte er binnen kürzester Zeit die liebsten Menschen kennen. Zuerst im Kindergarten, dann in der Hauptschule, in seiner Ausbildung zum Maschinenbauingenieur an der HTL Bulme. 2019 entschied er sich dann für eine Ausbildung zum Polizisten.

Patrick war ein Einzelkind, "aber das merkte man ihm nie an", erzählen seine Eltern Annemarie und Gottfried Feier. Ständig kam wer vorbei, Patrick versammelte alle um den großen Eichentisch in der Küche. Freunde, später Kollegen waren da, um die Familie zu erweitern. Das sind sie heute noch, auch nach dem Tod des 27-Jährigen.

Fahrlässige Tötung

Am Mittwoch, dem 14. September 2022, wurde Patrick bei einem Einsatztraining in der Landespolizeidirektion in Graz tödlich verletzt. Die Ausbildung des jungen Inspektors sollte sechs Monate dauern, knapp zwei Wochen nach Beginn ereignete sich der schreckliche Unfall.
Der Gruppenkommandant demonstrierte an diesem Tag an einem Kollegen eine häufige Einsatzsituation, und wie gefährlich es für den Vordermann sein kann, wenn dabei die Waffe nicht zu Boden gerichtet ist. Zur Veranschaulichung richtete er die vermeintliche Trainingswaffe auf den Rücken seines Kollegen – auf Patrick – und drückte ab. Ein Schuss löste sich. Der Kommandant feuerte direkt auf Patrick, er fiel zu Boden, erlag noch an der Unfallstelle seinen Verletzungen. Der Ausbildner hatte an jenem Tag die Dienstwaffe mit einer Übungswaffe verwechselt, woraufhin der tödliche Schuss fiel. Ein Unfall, der das ganze Land in Schock versetzte. Am Freitag entschied das Gericht in Graz: Es war grob fahrlässige Tötung.

Das Leben ohne Patrick

Als an diesem Abend das Telefon von Gottfried Feier läutet, sitzt er gerade auf dem Bett in seinem Hotelzimmer in Osttirol, in der Hand hält er die Fernbedienung. Patricks Eltern hatten einen Wanderurlaub gebucht und waren gerade vom Spaziergang zurückgekehrt.
Als Patrick noch ein Kind war, ist die Familie immer gerne in den Bergen gewesen. Und auch Patrick hat die gemeinsame Zeit genossen. Er war nie der maulende Teenager, der die Zeit mit seinen Eltern am liebsten im Schnelldurchlauf hinter sich gebracht hätte, "das hat die Erziehung einfach gemacht", sagt Gottfried. Er liebte die Natur. Das sieht man auch auf dem Bild in der Küche, das Patrick und seine Freunde am Grand Canyon zeigt. Der Blick in die Ferne gerichtet.

Die Nachricht über den Tod ihres 27-jährigen Sohnes holte Annemarie und Gottfried wie ein Platzregen gewaltiger Trauer ein. Das Geschehene brach über sie herein, ohne Zufluchtsmöglichkeit. Die Tage danach sind nur noch schwammige Erinnerungen. "Wie ferngesteuert", beschreibt Gottfried das Gefühl. So, als würde diesmal jemand anders die Fernbedienung auf sie richten.

Was passiert, wenn das eigene Kind plötzlich stirbt? Es werden Wunden bleiben, die für immer wehtun, weil die Zeit zum Heilen einfach nicht ausreicht. Annemarie und Gottfried kannten ihren Sohn zu gut, um sich keine Vorwürfe zu machen. Niemals hätten sie Patrick die Entscheidung, an die Polizeischule zu gehen, ausgeredet. Oder an ihm gezweifelt. Sie hatten Vertrauen in ihn.

Der erste Muttertag ohne ihn

Er war schon immer ein unproblematisches Kind gewesen, ein Vernünftiger. Man konnte ihn mit Logik abholen – "aber eine Mutter bleibt immer besorgt", sagt Annemarie. Das war sie damals zum Sommerfest der Feuerwehrjugend, als er mit 16 Jahren das erste Mal nachts allein unterwegs war. Und später, als er mit 24 die Polizeiakademie besuchte. Heute, am Muttertag, schmerzt der Verlust besonders. Jedes Jahr hatte Patrick einen Blumenstrauß für seine Mama. Es waren diese Sträuße, zusammengebunden aus einer ungeraden Zahl verschiedener Wildblumen, mit Gräsern. Schön und teuer. Patrick solle doch nicht so viel Geld für sie ausgeben, schimpfte Annemarie mit ihrem Sohn immer wieder aufs Neue – "jedes Jahr dasselbe mit dir", sagte sie und doch freute sie sich über den Strauß. Im letzten Jahr überraschte Patrick seine Mama.

Statt Blumen schenkte er ihr ein Backbuch, mit einem Rezept für Dinkelweckerln, die beide am liebsten hatten. "Davon profitier' jetzt auch ich", sagte er und lachte. Heute bewahrt Annemarie in diesem Kochbuch Erinnerungen an ihren Sohn auf.

Am 14. September 2022 ist für Annemarie und Gottfried die Welt stehen geblieben. Ohne Patrick wird sie auch nie mehr so, wie sie einmal war. Vielleicht wird der Schmerz irgendwann erträglicher. Das Lachen leichter. Irgendwann. Vielleicht.