Der Klimawandel und die industrielle Landwirtschaft setzen der Natur zu. Auch in der Steiermark sind viele Pflanzen- und Tierarten vom Aussterben bedroht. Mindestens ebenso viele engagierte Einzelpersonen und Initiativen setzen sich aber mit voller Kraft dafür ein, die Artenvielfalt in der Steiermark zu erhalten.

Um Biodiversität zu fördern und Vorzeigeprojekte zu belohnen, vergibt das Land Steiermark seit 2021 die "Silberdistel", den M. & W. Graf Biodiversitätspreis. Untenstehend stellen wir Ihnen die 16 Finalisten des Bewerbes 2023 vor. Und hier können Sie darüber abstimmen. Das Voting ist bis 23 April möglich – pro Person kann in dieser Zeit in jeder Kategorie nur eine Stimme abgegeben werden.

NGOs, Vereine, Körperschaften öffentlichen Rechts

  • Mindestens zehn Jahre lang will das Projekt "Schutz der steirischen Hornotter" des steirischen Reptilien- und Amphibienvereins sich genau diesem Ziel widmen. Der Anfangspunkt ist dabei die Datenerfassung: Wie groß sind die Populationen? Wie entwickeln sich die Bestände? Diese Fragen sollen geklärt werden. Gleichzeitig sollen aber auch Maßnahmen ergriffen werden, um den Hornottern möglichst gute Lebensräume zu schaffen. In der Steiermark gibt es nur noch drei Standorte, an denen überhaupt noch Hornotter leben können. Diese sind von umso größerer Bedeutung, weil sie die nördlichsten Hornotter-Gebiete weltweit darstellen.

  • Langfristige Planung lohnt sich: Seit 20 Jahren kaufen Naturschutzbund, Naturschutzjugend, die Interessensgemeinschaft "Mein Quadratmeter Raabtal" und die Wasserwirtschaft immer mehr Flächen im Raum Hohenbrugg-Schiefer und St. Martin. Auf inzwischen 20 Hektar Wiesen, Hecken, Feldgehölz und Auwaldresten finden seltene Fische, Vögel und Säugetiere Platz: Vom Steinbeißer, Bittling, Eisvogel bis zum Fischotter und Biber ist alles dabei. Entscheidend ist dabei die Vielfalt an Lebensräumen, die die Flächen bieten. Das Raabtal soll eine "Arche Noah" für bedrohte Tierarten bleiben.

  • Klimaschutz, Naturschutz und Förderung der Artenvielfalt sind große Ziele, die wir uns gemeinsam erreichen können. Davon ist die Regionalentwicklung Oststeiermark überzeugt und hat deswegen das Projekt "NaturVerbunden – Natur Netzwerk Oststeiermark" initiiert. Dabei geht es um zweierlei Netzwerke: Einerseits soll ein Netz von naturbelassenen Flächen entstehen, um eine große Biodiversität zu gewährleisten. Andererseits sollen sich die Oststeirerinnen und Oststeirer vernetzen und gemeinsam die Bildungsangebote des Projekts nutzen. Dazu zählt etwa die Ausbildung zum Natur-Scout, die 2023 starten soll.

  • Wilde Wiesen, soweit das Auge reicht. Dieser idyllische Anblick, wie man ihn im Naturpark Südsteiermark oft genießen kann, ist nicht nur für die Seele der Menschen gut, sondern auch die Lebensgrundlage zahlreicher Insekten und Tiere. Darum widmet sich das Regionalmanagement Südweststeiermark den "Wilden Wiesen" mit dem gleichnamigen Projekt. Landwirtinnen und Bürger erhalten eine Prämie für die Pflege ihrer eigenen Wilden Wiesen. Für die Biodiversität sind sie nicht nur als Nahrungsgrundlage von großer Wichtigkeit. Außerdem können sie zur Herstellung von Pferdeheu auch noch ein wertvoller Teil der Wertschöpfung sein.

Gewerbliche bzw. landwirtschaftliche Betriebe und Unternehmen

  • Stefan Gunczy führt den artenreichsten Hof Österreichs. Seit über 40 Jahren wird der Familienbetrieb biologisch bewirtschaftet. Über rund 17 Hektar erstrecken sich Streuobstwiesen, Hecken und Weingärten. Viel Platz für viele Tiere: Über 2500 Arten konnte Gunczy bereits auf seinen Flächen dokumentieren. Besonders wertvoll: 30 der Arten stehen auf der Schutzliste der EU. Wie es der Biobauer schafft, so vielen Arten ein Zuhause zu bieten? Durch den Verzicht auf Herbizide und Insektizide und der Errichtung von Nisthilfen, Wasserstellen und der Erhaltung von Totholz. Der Biohof ist eine Insel der Biodiversität mitten in der Südsteiermark.

  • Die Dachige Siegwurz war bereits nahezu ausgestorben, als 1998 ein BOKU-Student zufällig einige Exemplare auf einer Wiese von Andreas Reismann entdeckte. Seither hat sich Reismann zum Ziel gesetzt, "Die Dachige Siegwurz vor dem Aussterben zu schützen". Das ist umso wichtiger, weil Reismanns Wiese die letzte in der Steiermark ist, auf der die Siegwurzenart noch wächst. Seit 2011 ist die Fläche Teil des Biodiversitätsmonitorings. Um sie möglichst gut zu schützen, wird hier auf Dünger völlig verzichtet, gemäht wird nur einmal im Jahr. Reissmann will diese Rarität erhalten und auch weiter verbreiten.

  • Wenn ein Tier in einen Lebensraum zurückkommt, kann das auch für Konflikte sorgen. Seit 20 Jahren leben wieder europäische Biber in der Steiermark, eine Rückkehr, über die sich so manche Grundbesitzer nicht nur freuen. Wie wichtig Biber für das Ökosystem sind, will das Bibermanagement Steiermark des Ökoteam-Instituts für Tierökologie und Tierraumplanung der Bevölkerung erklären. Dafür werden gerade 30 Mitglieder der Berg- und Naturwacht zu Biberberaterinnen und -berater ausgebildet. Außerdem betreibt das Institut eine Hotline für alle Biber-Fragen und bietet kostenlose Lokalaugenscheine.

  • "Wir verstehen uns als Biobauern nicht als Besitzer oder Nutzer unserer Flächen und Wälder, sondern als Verwalter, Behüter und Bewahrer wertvoller natürlicher Ressourcen", berichtet Johanna Marchner-Pichler. Um den nächsten Generationen guten Boden, sauberes Wasser und klimafitte Wälder zu übergeben, setzten die Biolandwirte auf Innovation, Achtsamkeit und Besonnenheit. Das funktioniert etwa über die Förderung von Nützlings- und Insektenpopulationen oder Bodenschutz. Das Projekt nennt sich "Ganzheitliche Konzepte zur ökologisch nachhaltigen Bewirtschaftung klein strukturierter landwirtschaftlicher Betriebe".

Einzelpersonen und Bürger/-innen-Initativen

  • "Warum bauen die Mehlschwalben genau bei unserem Haus so viele Nester?", fragte sich Karl Koller vom Projekt "Mehlschwalbe – Vogel des Jahres 2022" bereits als Kind. Als ihm auffiel, dass immer mehr Nester mit jungen Küken herunterfallen, ergriff er die Initiative und kaufte 30 Kunstnester, in denen die Mehlschwalben jetzt ein sicheres Zuhause haben. Das kommt auch zukünftigen Schwalbengenerationen zugute, denn für den Fortbestand der Art sind ausreichend Brutplätze entscheidend. Verschmutzung rund um sein Haus nimmt Koller "gerne in Kauf", solange den Vögeln damit geholfen ist.

  • Anstatt auf monotone, vorgezogene Zierpflanzen setzt die Initiative "NATURE!" von Anita Fuchs auf eine bunt blühende Wildpflanzenfläche. Auf der Wiese vor der Grazer Oper wurde mit heimischen, regional vermehrten Pflanzen gesät. Die städtische Grünfläche ist nicht nur für Passanten ein Augenschmaus, sondern auch ein Lebensraum für viele Tierarten: Wildbienen, Florflügler und diverse Wespenarten freuen sich über die Gräser, Kräuter und Stauden. Wie sich die verschiedenen Insekten vor der Oper etablieren, wird mittels faunistischen und vegetationskundlichen Monitorings überwacht.

  • Unter dem Motto "Von der landwirtschaftlichen Nutzfläche zur Kulturlandschaft" widmet sich Johann Maßwohl seit 30 Jahren der Biodiversität. Einen Hektar Land, der bis dahin großteils eine landwirtschaftliche Nutzfläche war, revitalisierte Maßwohl, um eine "Kulturlandschaft für Mensch und Tier" zu schaffen. Dafür scheute er keinen Aufwand: Drei Teiche, 400 Meter Hecken mit heimischen Sträuchern und ein Bauerngarten sind entstanden. Ein besonderes Anliegen ist Maßwohl die große Wiese, auf der er seltene Blumensamen säte: "Nirgends ist die Vielfalt größer als auf einer Wiese", ist er überzeugt.

  • Heutzutage verdrängen neue hochgezüchtete Kulturpflanzen viele alte Sorten. Die biologische Vielfalt ist vor allem durch die Industrialisierung der Landwirtschaft bedroht. Martha Zach, Renate Schwarzkogler, Eva Huber und Birgit Eker wollen dieser Entwicklung mit ihrem Projekt "Altes Saatgut" entgegentreten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Historische Gemüsesorten sind samenfest und können vermehrt werden, sie kommen ohne mineralische Dünger aus und haben sich über viele Generationen an das regionale Klima angepasst. Das Wissen über altes Saatgut wird durch das Projekt auch an die jüngste Generation weitergegeben.

Bildungseinrichtungen und Gemeinden

  • Immer weniger Menschen wissen über seltene Arten Bescheid, gleichzeitig fehlen Daten für die Verbreitung vieler Arten in der Steiermark. Das Institut für Biologie der Universität Graz will mit der Nutzung der Plattform "iNaturalist" beide Probleme mit einem Schlag lösen: Studierende und Mitarbeiter des Instituts haben rund 110.000 Datensätze mit Fotos oder Tonaufnahmen online hochgeladen, die weltweit frei zugänglich sind. Das Projekt hilft Interessierten, sich selbstständig über alle möglichen Tier- und Pflanzenarten zu informieren. Dadurch wird der Artenkenner-Nachwuchs gesichert. "Ohne Wissen ist Naturschutz nicht möglich!"

  • Als die ÖBB in den 1990er-Jahren zwischen den Leobener Ortsteilen Donawitz und Hinterberg einen Bahntunnel baute, wurde die Route um den Leobener Häuslberg zur Umfahrungsstrecke. Seit 2010 steht sie völlig still. Darüber freuen sich seither zahlreiche Eidechsen, Schlingnattern und andere Reptilien, die sich in der verlassenen Bahntrasse angesiedelt haben. Die Reptilien-Trasse der Stadtgemeinde Leoben erhält diesen Lebensraum und errichtete zusätzlich Trockensteinmauern, Wildbienenbrutbeete und Asthaufen, um Reptilien und Insekten auch im Winter ein sicheres Zuhause zu bieten.

  • Wenn in der unmittelbaren Umgebung Rohstoffe abgebaut werden und intensiv Landwirtschaft betrieben wird, ist der Umweltschutz umso wichtiger, aber auch schwieriger. In der Gemeinde Weißkirchen wurde mit dem "Räumlichen Leitbild – Sachbereichskonzept zur Freiraumgestaltung KG Maria Buch" genau dieser Konflikt gelöst. Drei Kugelahorne, 43 Ulmen und 200 Wildgehölze wurden gepflanzt. Zudem wurde an den Rändern der Schottergruben und Straßen Platz für gemischte Vegetation geschaffen. Das flussnahe Ökosystem, das voller pflanzlichen und tierischen Leben steckt, wird so aufrechterhalten.

  • Wie geht es unseren Tieren und Pflanzen im Klimawandel? Diese Frage stellt die Gemeinde Sölk in einer neuen Ausstellung im Schloss Großsölk. Unter dem Titel "Früher war alles später" zeigt die Ausstellung die Auswirkungen des Klimawandels auf die heimische Vegetation. Im zweiten Teil, "Anpassen, Auswandern oder Aussterben" werden die Folgen der Erwärmung für die Tierwelt untersucht. Schaffen Birkhuhn und Co. die Anpassung an den Klimawandel? Die Besucherinnen und Besucher können ihr Wissen am Ende mit einem Quiz unter Beweis stellen. Mit Experimentierstationen bietet die Ausstellung auch einiges "zum Angreifen".