Rechnen? Ich weiß nicht, das mag ich nicht so gern, das kann ich nicht gut. Die Buben, die sind da irgendwie besser.

So in etwa könnte das aus dem Mund eines achtjährigen Mädchens kommen. Denn schon im Volksschulalter sind Mädchen ziemlich kritisch, was ihr eigenes Können in Fächern wie Mathe oder Sachunterricht angeht, weiß Silke Luttenberger von der Pädagogischen Hochschule Steiermark. "Sie bringen zuerst großes Interesse mit, zweifeln dann aber eher an ihren Fähigkeiten als die Burschen und das Interesse nimmt dadurch ab. Das hat uns die Forschung gezeigt."

Die Folgen: Immer noch werden eher Mädchen Friseurin und eher Buben Mechaniker. Junge Menschen ergreifen also typische Frauen- oder Männerberufe. In Österreich ist der Anteil der Frauen in MINT-Berufen, also in Berufen, die sich um Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik drehen, "sehr niedrig", sagt Luttenberger. Nur rund 38 Prozent der Absolventen naturwissenschaftlicher Fächer sind Frauen, zeigen Zahlen von Eurostat aus dem Jahr 2020.

Initiativen setzen oft zu spät an

Und das trotz eines Haufens an Initiativen. Die setzen oft erst spät an – im Übergang zur Oberstufe zum Beispiel oder kurz vor der Matura. "Da, wo schon Entscheidungen zu treffen sind. Aber da hat das Interesse der Mädchen schon abgenommen. Wir müssen viel früher ansetzen, und zwar dort, wo die Schere aufgeht: Das Interesse ist zwar noch da, die Fähigkeiten werden aber schon kritischer eingeschätzt", erklärt Luttenberger. Also wollen sie und ihr Team bereits im Kindergarten und in der Volksschule bei den Jungen ankommen und dafür sorgen, dass sie den Mut nicht verlieren.

"Girls, go for MINT!", so heißt das Projekt, in dem Luttenberger mit Manuela Paechter und Lars Eichen von der Uni Graz zusammenarbeitet. Es läuft noch bis Ende November, das Bundeskanzleramt hat es für ein Jahr gefördert. Herausgekommen ist ein Fortbildungskonzept, und zwar eines für Kindergartenpädagoginnen und Volksschullehrer. Sie könnten bei den Mädchen großes bewirken.

Neben Familie, Freunden und der Gesellschaft allgemein haben sie Einfluss darauf, für welchen Beruf sich die Jungen später entscheiden. Zum Beispiel weiß man, dass Frauen, die MINT-Fächer studieren, schon in der Schule solche Fächer als Lieblingsfächer hatten. "Der Unterricht und damit die Pädagogen, die sie erlebt haben, spielen eine zentrale Rolle", sagt Luttenberger.

"Wir wollen Muster durchbrechen"

In der Fortbildung sollen die Kindergarten- und Volksschulpädagogen lernen, wie sie die Betreuung oder eben den Unterricht so gestalten können, damit Mädchen positive Erfahrungen beim Lernen machen. "Da geht es vor allem auch darum, zu beobachten und zu reflektieren", sagt Luttenberger. Schließlich haben viele Pädagogen in ihrer eigenen Schulzeit Erfahrungen gemacht, die sie – wenn auch unbewusst – in ihrer Arbeit weitertragen. "Das sind ja auch die Frauen, die vielleicht nicht die besten Mathematik-Erfahrungen gemacht haben. Da wollen wir Muster durchbrechen", sagt Luttenberger.

Konkret umfasst das Fortbildungskonzept einen Theorieteil, durch den die Pädagogen begleitet werden. Der praktische Teil sind Boxen mit Materialien, die sich die Pädagogen ausborgen können – jeweils eine zu jedem MINT-Fach. An die Technik werden die Mädchen spielerisch mit Kettenreaktionen herangeführt, in der Naturwissenschafts-Box befindet sich ein Skelett. Die Fortbildung ist verpflichtend für Volksschullehrer im ersten Dienstjahr, aber auch interessierte, erfahrenere Lehrer können sie machen. Elementarpädagogen sollen ebenfalls fortgebildet werden. Getestet wurde das Konzept in der Sommerschule, weil man im Frühjahr wegen Corona nicht in die Schulen durfte. Auch in Zukunft soll das Konzept in den Sommerschulen weiterlaufen.

Für Luttenberger steht fest: Alles muss daran gesetzt werden, Mädchen von MINT-Fächern zu begeistern. "Es gibt so viele Themen, in denen Naturwissenschaften stecken. MINT hilft dabei, ein Verständnis für die Welt zu entwickeln. Und viele Berufe der Zukunft haben damit zu tun", sagt sie. Die Mädchen sollen nie zu etwas gedrängt werden, aber: "Wenn es bereits so früh Interesse gibt, dann sollte Schule ermöglichen, dass das Interesse bleibt."