"Ja, im Grunde erfinden wir das Rad immer wieder neu“ schmunzelt Alexander Schwab, zuständig für die strategische Entwicklung des großen steirischen Wasserkraftunternehmens Andritz Hydro. Denn Wasserkraft ist ja seit Jahrhunderten eine verlässliche Energiequelle, und auch heute mit modernen Kraftwerken, Turbinen und Generatoren eine der saubersten Energieformen überhaupt. Ist also alles schon längst fertigentwickelt?

„Wir müssen jedes Kraftwerk speziell auslegen, und deshalb erfinden wir das Rad quasi immer neu. Ein Wasserkraftwerk fußt auf der Fallhöhe des Wassers und der Wassermenge“. Hydrologische und geologische Bedingungen diktieren also die Konstruktion, wobei Andritz Hydro für die mechanische und elektrische Ausrüstung des Kraftwerks zuständig ist, nicht aber für den Bau etwa der Staumauer. Der Wirkungsgrad eines Wasserkraftwerkes ist mit mehr als 90 Prozent unerreicht: „Da kommt keine Batterie mit“.

Und darum geht es zunehmend, denn Wasserkraftwerke müssen mehr und mehr als Puffer und Ausgleich zur ständig schwankenden Strommenge aus Solar- und Windkraftanlagen dienen.

„Die Betriebsbedingungen haben sich deutlich geändert. Früher war ein Speicherkraftwerk dazu da, im Sommer zu speichern und im Winter das Wasser abzulassen. Heute ist aber viel Solar- und Windstrom in den Netzen, wobei deren Einspeisung stark schwankt. Der tägliche Bedarf bleibt aber gleich, und das müssen Wasserkraftwerke ausgleichen.“

Das bedeutet konstruktive Änderungen, denn die Kraftwerke müssen rasch anspringen und abschalten können. Heute gibt es Wasserkraftwerke mit 500 Megawatt (MW) Leistung, die binnen 20 Sekunden von der Energieerzeugung auf Energiespeicherung umschalten können. „Wir müssen da gar nicht mehr die Drehrichtung der Turbinen umdrehen, sondern ändern nur den Weg des Wassers“, erklärt Schwab.

Die Lastwechsel erfordern entsprechende Maschinen. Längst wird das alles computergesteuert. Und auch Laufkraftwerke werden mittlerweile zum Ausregeln mitverwendet. Bei Donaukraftwehren wird etwa zwei Drittel als Grundlast gefahren, das letzte Drittel je nach Bedarf eingeregelt.

Wasserkraft ist ein internationales Geschäft: Die Exportquote bei Andritz Hydro beträgt mehr als 90 Prozent, die Kunden teilen sich etwa zur Hälfte in staatliche Aufträge und in Privatkunden. Typischerweise verschlingt der nackte Bau eines Wasserkraftwerkes 60 bis 70 Prozent der Kosten, die Ausrüstung (die eben von Andritz Hydro kommt), etwa den Rest.

Gezeiten- und Lagungen-Kraftwerke

Nicht nur in Europa ist es schwieriger geworden, ein Kraftwerk zu errichten. „Wir beschäftigen uns intensiv mit den Rahmenbedingungen. Es geht um Fragen der Nachhaltigkeit, um Umweltverträglichkeit und um Finanzierungsfragen“, erklärt Schwab.

50 Prozent aller Neuanlagen entstehen derzeit in Asien, den größten Nachholbedarf hat Afrika. „Wir gehen davon aus, dass sich bis 2050 die Wasserkraft weltweit verdoppelt.“ Denn: „Wir haben keine Alternativen, mit Solar- und Windkraftwerken allein geht sich die Energiewende nicht aus“, ist Schwab überzeugt.

Die Mitarbeiter von Andritz Hydro – weltweit etwa 7000 an 50 Standorten, 1300 davon in Weiz (Generatoren), Wien (Zentrale, elektrische Ausrüstung), Linz und Graz (Turbinen und Prüfstände) müssen sich aber auch auf andere Herausforderungen einstellen: „Es geht immer mehr in Richtung Hybridanlagen, also Wasserkraftwerke zusammen mit Solar- und Windkraftanlagen. Es gibt Ideen, schwimmende Solaranlagen auf Stauseen zu errichten.“ Gedacht wird an Gezeitenkraftwerke oder an Lagunen-Kraftwerke, kombiniert mit Meerwasserentsalzung oder Wasserstoffproduktion.

Gegen die Billiglohnländer könne man nur mit Innovation bestehen. Grundlagenforschung gibt es mit der TU Graz, der TU Wien, der ETH Zürich. Immer wichtiger wird das Thema Cyber-Security und generell die Digitalisierung. „Intelligente Software erleichert uns die Überwachung und hilft mit, die Wartungsintervalle zu vergrößern“.