Ein 75-jähriger Patient erleidet eine Hüftfraktur, er kommt von der Notaufnahme auf die Traumatologie. Dort ist dem Ärzte- und Pflegeteam gleich klar, dass bei der Behandlung besondere Vorsicht geboten ist. Der Patient ist anfällig dafür, gebrechlich zu sein – das zeigt ein blinkendes Alarmlämpchen in einem digitalen System.

Die Vision der Forscher von Joanneum Research und von der Spitalsgesellschaft Kages ist schnell erklärt. Was dahintersteckt, ist viel komplizierter. Eines vorweg: Die Grundlage für das gemeinsame Projekt sind Daten.

Seit 2001 erfasst man bei Joanneum Research am Zentrum für Wissens- und Technologietransfer (ZWT) in Graz – in unmittelbarer Nähe zum LKH Graz – medizinische Daten über Patienten im Krankenhaus und in der Arztpraxis – sogenannte "Real World Data". "Die Daten beschreiben den Patienten: Wie alt ist er? Ist er mobil? Wie fit ist er?", erklärt Klaus Donsa. Er leitet die Kompetenzgruppe "Klinische Entscheidungsunterstützung" am Institut "Health". Die Datenbank umfasst mehr als 500.000 Patientinnen und Patienten.

Klaus Donsa von Joanneum Research (li.) und Diether Kramer von der Kages entwickeln ein System, das in der Geriatrie zum Einsatz kommt
Klaus Donsa von Joanneum Research (li.) und Diether Kramer von der Kages entwickeln ein System, das in der Geriatrie zum Einsatz kommt © Joanneum Research/Schwarzl

Um nun verborgene Risikopotenziale zu erkennen, setzen Forscher Künstliche Intelligenz (KI) ein. Diese erstellt aus den Daten Modelle zur Vorhersage. "Weiß man zum Beispiel, dass ein Risiko für ein Delir, also eine geistliche Verwirrung, besteht, dann kann man vorbeugen und sich vergewissern: Trägt der Patient ein Hörgerät, trinkt er genug, ist er in einer ruhigen Umgebung?", sagt Donsa.

Mehr Daten ergeben besseres Bild

Ein ganz ähnliches System – nur mit Daten aus anderer Quelle – haben unterdessen Experten der Kages unter der Leitung von Datenwissenschaftler Diether Kramer aufgebaut. Beide Forscherteams – jenes von Joanneum Research und jenes von der Kages – arbeiten nun zusammen. Dadurch sollen bessere Modelle entstehen. "Die Daten ergänzen sich. Umso mehr Daten wir haben, umso kompletter wird das Bild, das wir von einem Patienten haben", so Donsa.

Allerdings ein anonymes Bild, wie die Forscher betonen. "Patientendaten sind immer eine ganz heikle Sache", gibt Donsa zu bedenken. Für die Teams des Projekts sind die Daten also zu jedem Zeitpunkt anonymisiert, nur die Träger – von denen die Daten kommen – können die echten Namen der Patienten einsehen.

Ziel: In zwei Jahren treffsichere Vorhersagen

Offiziell startet das gemeinsame, finanziell geförderte Forschungsprojekt namens "Idris" Anfang nächsten Jahres. Auch die Kärntner Spitalsgesellschaft Kabeg ist mit im Boot. Konkret will man in den nächsten zwei Jahren Modelle entwickeln, die treffsicher vorhersagen können, ob bei dem Betroffenen erhöhtes Sturzrisiko, das Risiko für eine Schluckstörung, für ein Delir oder für Gebrechlichkeit besteht. "Die Pfleger und Ärzte sollen die Behandlung dann entsprechend anpassen und individuell reagieren können", so Donsa. Nach zwei Jahren soll das zu entwickelnde System so weit sein, dass es Krankenhäuser nutzen können.