Es waren Nachbarn, die auf den Fall aufmerksam wurden: Ein elfjähriges Mädchen hatte in einer Wohnsiedlung in Graz-Wetzelsdorf mehrere Nächste lang bei Temperaturen von nur wenigen Grad unter einem Busch im Freien geschlafen. Inzwischen beschäftigt der Vorfall die Staatsanwaltschaft.

Bereits am Samstagabend (14. November) wurden Polizisten in die Wohnsiedlung gerufen. Nachbarn hatten durch die Erzählungen ihrer Kinder bemerkt, dass ein angeblich vernachlässigtes Mädchen tagsüber mit den anderen Kindern spielt, nachts aber unter einigen Büschen im Hof schläft. Die Eltern sahen nach und entdeckten die Elfjährige in ihrem selbst geschaffenen Lager. Sie holten das Mädchen in ihre Wohnung und verständigten die Polizei.

Mutter wusste von allem

Den Beamten gegenüber gab sich die Elfjährige sehr verschlossen und wollte auch den Polizistinnen kaum Antworten geben. Sie bestätigte aber, dass sie bereits seit dem Donnerstag (12. November) in dem selbst errichteten Schlafplatz im Gebüsch hinter dem Wohnhaus geschlafen hatte und nicht zurück nach Hause wolle. Als die Beamten die Mutter des Mädchens damit konfrontierten, leugnete die 33-Jährige zunächst, gab dann aber zu, davon zu wissen. Die alleinerziehende Mutter von insgesamt vier minderjährigen Kindern gab an, überfordert zu sein und  rechtfertigte sich zudem damit, dass die Tochter in der Pubertät sei und aus eigenen Stücken draußen habe schlafen wollen. Der Vorfall wurde bei der Staatsanwaltschaft Graz und beim Amt für Jugend und Familie der Stadt Graz angezeigt.

Mädchen ist wieder daheim

Die Polizisten verständigten zudem das Jugendamt, welches das Mädchen zunächst übernahm und dann gemeinsam mit Tochter und Mutter ein Gespräch führte. Dabei habe sich die Mutter einsichtig gezeigt und gesagt, dass sie Hilfe benötige, schildert Jugendamtssprecherin Vasiliki Argyropoulos. "Unsere Sozialarbeiter haben dann entschieden, dass es für das Mädchen die beste Lösung ist, wenn es vorerst wieder daheim bei der Familie schlafen kann." Eine Kindesabnahme wäre per Gesetz dann vorgesehen, wenn Gefahr im Verzug besteht - und wenn diese Lösung für das betroffene Kind als die beste einzustufen wäre. Von der Familie gehe für die Elfjährige keine unmittelbare Bedrohung aus. Beim Schlafen im Freien soll es sich um keine "Bestrafung" gehandelt haben, sondern das Mädchen habe sich in sein "Geheimversteck" zurückgezogen.

Um die Situation genauer abzuklären, werden nun mit der Mutter in hoher Frequenz Gespräche geführt, sagt Argyropoulos. "Ein Gespräch hat es am Sonntagnachmittag gegeben, am Montag ein Telefonat und am Dienstag einen weiteren Hausbesuch." Die Mutter sei kooperativ und sehe ein, falsch reagiert zu haben. Und sie ist laut Jugendamt bereit, Hilfe für ihre schwierige Situation anzunehmen.

Kontakt bereits im Sommer

Eine solche Hilfe durch das Jugendamt ist der Familie nicht fremd. Bereits im vergangenen Sommer hatte die 33-Jährige von sich aus die Behörde kontaktiert und um Hilfe in der Alltagsbewältigung und eine Lernunterstützung für ihre Tochter gebeten. Diese Hilfsleistungen habe sie bis in den Spätsommer auch bekommen, sagt Argyropoulos - samt dem Hinweis, sich bei Bedarf wieder ans Jugendamt zu wenden. Jetzt soll die Familie für mindestens drei Monate engmaschig betreut werden.