Am Montag war im Grazer Straflandesgericht der erste Verhandlungstag im Prozess gegen 14 Mitglieder des "Staatenbundes Österreich". Ihnen wird unter anderem versuchte Bestimmung zum Hochverrat und Beteiligung an einer staatsfeindlichen Verbindung vorgeworfen. Unter den Beschuldigten ist die Präsidentin des Vereins, die sich - wie fünf weitere Beschuldigte - noch in Untersuchungshaft befindet.

Der ersten Prozesstag begann mit Störmanövern und ging mit den Verteidigern zu Ende. Während die Anklage den "Staatenbund" auch mit  der Terrororganisation IS verglich, bezonte der Verteidiger der "Präsidentin" es würde "kein Mindestmaß an Gefahr" ausgehen. Am Dienstag geht es weiter.

Verteidiger: "Wollen kann man viel"

Nach dem mehrstündigen Vortrag des Anklägers ("Staatsfeindliche Verbindungen sind in Österreich ein massives Problem"), war der Verteidiger der Präsidentin des "Staatenbunds" am Wort. Er ersuchte die Geschworenen, nur die tatsächlichen Handlungen der Angeklagten zu beurteilen, denn "wollen kann man viel".

"Wir sitzen nicht zu Gericht über eine jihadistische Vereinigung", rief Anwalt in Erinnerung. Der Staatenbund sei nicht mehr ähnlichen Vereinigungen in Amerika oder Deutschland zu vergleichen.

Überhaupt sei das Delikt ("Versuchte Bestimmung zum Hochverrat") noch "nie in einem österreichischen Verfahren vorgekommen". Das Gesetz diene dazu "Staatsstreiche hintanzuhalten", während "diese Menschen nur ein etwas verqueres Gedankengut" hätten.

Weiters sah der Anwalt nicht einmal "ein Mindestmaß an Gefahr und Ernsthaftigkeit gegeben". Die angeklagte Tat sei ein "vollkommen untauglicher Versuch" gewesen, die Regierung zu übernehmen.

"Hochverrat, kein Faschingsscherz"

Der Staatsanwalt schilderte am späten Vormittag detailliert, weshalb die unterschiedlichen Anklagepunkte zustande kamen, wobei die versuchte Bestimmung zum Hochverrat "über allem" stehe. Mehrfach sei die "Präsidentin" - teilweise auch mit anderen Angeklagten - direkt bei den Kasernen vorstellig geworden und habe Soldaten unterschiedlicher Dienstgrade für sich gewinnen wollen.

"Das war kein Faschingsscherz von denen", unterstrich der Staatsanwalt die Ernsthaftigkeit der Pläne, eine "Übergangsregierung" mit Hilfe von Militärgewalt zu erwirken. Ein eineinhalbstündiges Gespräch mit einem Major hatte in den Augen der "Staatenbund-"Chefin auch gefruchtet, denn sie erzählte ihren Mitgliedern dann, dass es bald zu Verhaftungen aufgrund der selbst ausgestellten Haftbefehle kommen werde. Stapelweise wurden derartige "Haftbefehle" geschrieben: "Das macht niemand aus Spaß." Von August 2016 bis April 2017 waren es 216 Personen - darunter die Bundes- und Landesregierung - die verhaftet werden sollten, so der Staatsanwalt. Sie sollen gegen ein "Fantasierecht" verstoßen haben.

Als dann Urgenzschreiben beim Bundesheer nicht fruchteten, wandte sich die "Präsidentin" an den russischen "Amtskollegen" Wladimir Putin: Sie schrieb ihm und bat um Hilfe, er möge in Österreich einmarschieren und ihr dann die Macht übergeben, schilderte der Staatsanwalt. Sie beschwerte sich in dem Brief, dass die österreichischen Beamten sie nicht ernst nehmen würden: "Sie wollen ernst genommen werden", unterstrich daher der Jurist.

Auf Tonbandmitschnitten sei zu hören, wie die Erstangeklagte sagte: "Lasst sie lachen, sie lachen über ihren eigenen Untergang." Sie sei überzeugt gewesen, das Militär für sich zu gewinnen und dieses dann für sie durchgreifen zu lassen, erklärte der Staatsanwalt.

Als das Vorhaben mit der Militärgewalt nicht gelang, ging es auf der "Eskalationsstufe nach oben": Briefe halfen nicht, also seien eigene, radikalisierte Leute zu den angeblichen "Verbrechern" geschickt worden. Ähnliches passierte bei der versuchten Einflussnahme auf Ämter und Behörden, so der Ankläger: Einschüchterungsversuche mit Drohschreiben sind eine versuchte Bestimmung zu Amtsmissbrauch. Die sogenannte Malta-Masche sei vom "Staatenbund" ebenfalls angewendet worden.

Herzerl und Betrug

Beim Vorwurf des schweren Betrugs schilderte der Staatsanwalt, wie Tausende Euro mit dem Verkauf von "Fantasie-Urkunden und -Gegenständen" für die Organisation des "Staatenbundes" sowie teilweise auch zur persönlichen Bereicherung mancher Angeklagter lukriert wurden. Angeboten wurden Auto-Kennzeichen mit "Herzerl" darauf, "Gewerbescheine" und "Landbucheintragungen".

Stets wurde den Käufern versichert, dass sie mit dem Erwerb die bisherige Kfz-Haftpflicht, Steuerabgaben und dergleichen nicht mehr leisten müssen. Viele meldeten tatsächlich ihre Fahrzeuge ab und legten den echten Gewerbeschein zurück. Allein mit den "Landbucheintragungen", angelehnt an das Grundbuch, das angeblich von der EU gelöscht werde und man dann um sein Grundstück gebracht werde, machte der "Staatenbund" 37.000 Euro an Einnahmen innerhalb von fünf Monaten, sagte der Staatsanwalt. "Das Tolle war, im Landbuch waren keine Pfandrechte mehr enthalten - man war praktisch schuldenfrei. Und die Leute glaubten das." Die 37.000 Euro gingen an die "Präsidentin" und seien bis heute verschollen.

Beim Betrugsschaden reichten die Summen bei den einzelnen Angeklagten bis zu knapp 80.000 Euro. Die "Präsidentin" soll sich mit rund 44.000 Euro selbst am meisten von allen bereichert haben. "Die Erstangeklagte war hauptberuflich Staatsverweigerin", sie meldete sogar ihr Kind von der Schule ab und nahm es mit zu ihren "Hasspredigten", so der Ankläger weiter.

Geordnet begonnen, aber immer wieder Zwischenrufe

Der Prozess hat geordnet begonnen, obwohl die Angeklagten immer wieder durch Zwischenrufe störten. Angeklagt ist unter anderem Bestimmung zum Hochverrat und staatsfeindliche Verbindung. Der Staatsanwalt beschrieb den "Staatenbund" als gefährlich und bezeichnete die Präsidentin als "eine der führenden Hasspredigerinnen Österreichs".

Schon bei der Überprüfung der Personalien der Angeklagten kam es zu lautstarken Bemerkungen und Zwischenrufen, bis die Richterin erklärte: "Das ist nicht ihre Bühne, sondern meine." Die Ruhe war trotzdem nur von kurzer Dauer und hielt kaum bis zu Beginn des Eröffnungsvortrags des Anklägers. "Sie sind teilweise noch immer so in ihrer Ideologie gefangen, dass sie sich nicht einmal vor Gericht zusammenreißen können", bemerkte der Staatsanwalt.

Dann begann er, den Geschworenen zu erläutern, dass der "Staatenbund" nichts Neues sei, sondern Ähnlichkeiten mit den Reichsbürgern in Deutschland aufweise. "Hier wurden sie belächelt, aber dort gibt es Todesfälle", erklärte der Ankläger. "Das verbiete ich mir", "Unglaublich", "Verhetzung", kam es da sofort von den sogenannten Staatsverweigerern.

Der Staatsanwalt verglich die Terrororganisation Islamischer Staat mit dem "Staatenbund". Mit ihrer ständigen Äußerung, sie seien "der lebendige Mensch aus Fleisch und Blut, heben sie sich aus der staatlichen Ordnung heraus" und seien der Überzeugung, "alle anderen gehören eingesperrt". Immerhin hätten sie mit ihren Ideen "2700 Menschen in Österreich hinter sich geschart", gab der Ankläger zu bedenken. Er bezeichnete die Präsidentin des Vereins als "eine der führenden Hasspredigerinnen Österreichs".

Personenschutz

Die Staatsverweigerer hatten laut Anklage vor, "ein eigenes Staatsgefüge nach ihren Vorstellungen errichten". Um das zu erreichen, wollten sie das Militär dazu bringen, für sie zu arbeiten, um eine eigene Regierung zu installieren. Die Präsidentin, die gleichzeitig die Präsidentin dieser Regierung werden wollte, "wusste, dass das kein Spaß ist, daher wollte sie für sich Personenschutz", führte der Staatsanwalt aus.

Auch die Flüchtlingswelle habe man für sich genützt: Die Migranten seien "alles bezahlte Söldner" soll der "Staatenbund" verkündet und einen Bürgerkrieg in Aussicht gestellt haben. Die Führungsriege habe "Angst, Furcht und Hass gegen das System gesät", war der Ankläger überzeugt.

Während der Ausführungen wurden die Präsidentin, ein ehemaliger Polizist und ein weiteres Mitglied wechselweise abgeführt und nach einer kurzen Abkühlphase wieder in den Saal gebracht. Dem pensionierten Beamten wurde von der Gerichtspsychiaterin eine "geistige Abartigkeit höheren Grades" bescheinigt.

Seltsame Szenen zu Beginn

Seltsame Szenen haben sich zu Beginn des Prozesses abgespielt. Während vor dem Gerichtsgebäude alles ruhig war, haben die Angeklagten, vor allem vier von sechs aus der U-Haft vorgeführte Verdächtige, für Kopfschütteln gesorgt. Sie erkannten das Gericht nicht an und sprachen von "Personenstandsfälschung".

"Guten Morgen, die Herren, was für eine feine Gesellschaft heute hier", läutete einer der sechs aus der Untersuchungshaft in den Saal gebrachten Angeklagten den Prozess ein. Es waren die ersten Vorzeichen eines kommentarreichen Auftakts, bei dem die Richterin mit ruhiger Entschlossenheit durchgreifen musste. Gut 20 Journalisten, durch die Bank aus Österreich, hatten sich für die Verhandlung akkreditiert. Weitere 20 haben es mit gefälschten Identitäten versucht und sich als Journalisten ausgegeben, obwohl sie es nicht sind, hieß es am Montag seitens der Gerichtssprecherin.

Ein Aufgebot an Polizisten und Beamten in Zivilkleidung sicherte das Landesgericht, vor dem Gebäude blieb es allerdings ruhig - keine Demonstration, keine Herzerl-Plakate getreu dem rosaroten Logo des "Staatenbundes".

Wenig später im Gerichtssaal versuchten die Staatsverweigerer dann aber den Saal als Bühne zu nutzen: Die lächelnde "Präsidentin", in rosarotem Pullover und mit geflochtenen Haaren, wurde von maskierten Justizwachebeamten aus der Haft zu ihrem Platz geführt - ebenso wie die anderen fünf Angeklagten aus der U-Haft.

Victory-Zeichen und andere Kuriositäten

Heiter gab sich der letzte der sechs inhaftierten Verdächtigen: Der Deutsche schlenderte in kurzer Hose hinein und grinste mit beidhändigem Victory-Zeichen in die Kameras. Andere Beschuldigte dagegen versteckten ihre Gesichter hinter Zetteln. Als die Richterin die Verhandlung begann und sich alle setzen durften, blieben die "Präsidentin" sowie der Angeklagte neben ihr, ein Mann in reiferem Alter, demonstrativ stehen.

Als die Oststeirerin zu ihren Generalien befragt wurde, begann sie zu erklären, dass sie nicht die besagte Angeklagte sei, sondern es sich um eine "Personenstandsfälschung" handle. Die Richterin unterbrach die gestartete Ansprache: "Jetzt heißt es Klappe, das ist nicht Ihre Bühne, sondern meine."

Der zweite Angeklagte begann ebenfalls schon bei den Generalien, sich zu "definieren", wurde aber ebenfalls von der Richterin unterbrochen und murmelte dann nur noch vor sich hin. "Wenn Sie nichts sagen wollen, müssen Sie auch nicht", sagte die Vorsitzende den Angeklagten. Die Dritte an der Reihe wollte erst gar nicht antworten, ob sie die angeklagte Person ist, sondern warf der Richterin Befangenheit vor, da sie auch die Untersuchungsrichterin gewesen sein soll. Das wies die Vorsitzende allerdings kurz und knapp zurück: "Das muss wohl eine ähnlich aussehende Kollegin gewesen sein." Fragen der Angeklagten ließ die Richterin - vorerst - nicht zu.

Namen notiert

Vor einem kaum halb vollen Gerichtssaal, der zum Großteil von Medienvertretern besetzt war, ging es mit den Kuriositäten weiter: Während die Richterin die Generalien der weiteren Angeklagten überprüfte, schritt der immer noch stehende zweite Angeklagte nach vorne, um sich die Namen der Verteidiger, die auf Schildern auf den Plätzen zu lesen waren, zu notieren. Die kurze Aufregung bei den Justizwachebeamten legte sich allerdings wieder schnell. Erst beim deutschen Beschuldigten mussten die Wachorgane beinahe wieder eingreifen, denn der Angeklagte startete mit einem Zettel in Richtung Richterin und fragte, ob sie das ausgestellt habe. Als er keine Antwort bekam, sondern gefragt wurde, ob er "draußen warten will", hielt er sich wieder zurück.

Laienrichter entlassen, störende Zwischenrufe

Für neuerliche Aufregung sorgte dann die Vereidigung der Geschworenen, denn einer der Ersatz-Laienrichter hatte merklich sprachliche Verständnis-Schwierigkeiten. Die Angeklagten legten sofort Einspruch ein: "Der kann ja kein Wort Deutsch." Die Richterin entließ ihn, zumal noch einige andere Ersatz-Geschworene vereidigt wurden.

Als der Staatsanwalt mit seinem Eröffnungsplädoyer beginnen wollte, lief es abermals nicht nach Plan: Sowohl die "Präsidentin" als auch der Deutsche redeten dauernd dazwischen. Die "Staatenbund"-Chefin meinte, sie habe keine Anklage erhalten. Beide Beschuldigten wurden abgeführt, durften aber nach Rücksprache mit ihren Verteidigern wieder in den Saal - "ohne Gewähr auf Zwischenrufe", so ein Verteidiger.

"Militärische Übergangsregierung" als Ziel

Die Sicherheitsvorkehrungen waren streng. Doch dann begann der Prozess, bei dem die Anklage ungewöhnliche Punkte auflistet. Das Verbrechen der versuchten Bestimmung zum Hochverrat liegt laut Staatsanwaltschaft deshalb vor, weil einige der Angeklagten mehrmals versucht haben, Mitglieder des Bundesheeres zu "Verhaftungen" auf der Grundlage von selbst ausgestellten Haftbefehlen zu bewegen. Ziel sei es gewesen, eine "militärische Übergangsregierung" zu bilden und dabei alle 'Schlüsselpositionen' zu besetzen, wobei es mangels Mitwirkung der betreffenden Führungsoffiziere des Bundesheeres sowie dessen Generalstabschefs beim Versuch blieb.

(APA)