Heute startet die neue Saison mit der Qualifikation in Klingenthal. Wie groß ist Ihr Hunger nach der Weitenjagd?

STEFAN KRAFT: Ich bin sehr happy, dass es endlich losgeht. Wenn man monatelang nur trainiert, will man endlich wissen, wo man steht und sich mit der Konkurrenz messen. Ich denke, ich habe im Sommer meine Hausaufgaben erledigt und bin beret.

Trotz der außergewöhnlich hohen Temperaturen kann in Klingenthal gesprungen werden. Wie ist es für einen Wintersportler, bei bis zu 20 Grad in den Springer-Anzug zu schlüpfen?

KRAFT: Mir taugt es schon, wenn es schön ist. Da macht das Trainieren gleich mehr Spaß. Außerdem kennen wir das vom Sommer-GP - da hat es ja auch immer ganz feine Temperaturen. Und spätestens in Kuusamo frieren wir dann eh wieder bei minus zehn Grad oder gar weniger.

Sie wurden heuer zu Österreichs "Aufsteiger des Jahres" gewählt. Gratulation im Nachhinein!

KRAFT (lacht): Danke. Diese Auszeichnung ist schon etwas ganz Besonderes und eine Bestätigung für meine Arbeit. Außerdem ist sie ein Ansporn, irgendwann vielleicht sogar Sportler des Jahres zu werden. Sollte es klappen, werden ich den Preis auch persönlich entgegennehmen. Das hat heuer ja leider nicht geklappt.

Mitte Jänner steht am Kulm die Skiflug-WM an - ist das Ihr großes Saisonziel?

KRAFT: Definitiv! Vor eigenem Publikum um Medaillen zu kämpfen, ist einzigartig. Und mein Ziel ist es, um die Podestplätze mitzuspringen. Meine persönliche Bestweite liegt bei 240 Metern und zeigt, dass ich es draufhabe.

Nach der Premiere auf dem neuen Kulm wurde die Schanze nach Kritik von Betreuern und Athleten nochmals adaptiert.

KRAFT: Ich denke, das war auch notwendig. Der Vorbau wurde aufgeschüttet, damit ist die Flugkurve nicht mehr so hoch. Der Anlauf wurde ebenso erneuert, damit es keine Schläge gibt. Jetzt kann man sich voll auf den Sprung konzentrieren.

Heuer steht aber auch Ihre Titelverteidigung bei der Vierschanzentournee an.

KRAFT: Ich mache mir diesbezüglich keinerlei Druck. Wichtig ist, dass man von Anfang an gut in die Saison hineinstartet und keine Zweifel auftauchen. Klappt das, ergibt sich die Konstanz von selbst und dann bin ich auch für die Tournee gerüstet.

Die FIS hat wieder an den Regeln gebastelt. Die Athleten werden nun vor jedem Sprung nochmals vermessen und dürfen dann, wenn sie auf dem Balken sitzen, nichts mehr am Anzug verändern. Was ändert das?

KRAFT: Das ist schon eine gewisse Umstellung. Brust- und Oberschenkelklopfen oder die Keile nochmals nachstecken geht jetzt nicht mehr. Das waren alles langjährige Rituale, die man sich erst einmal abgewöhnen muss. Aber ich begrüße die neue Regel, weil sie für noch mehr Fairness sorgt.

Neben dem Skispringen gilt Ihre große Liebe dem Fußball und da insbesondere dem FC Bayern. Der hat Sie in den letzten Wochen und Monaten nicht wirklich enttäuscht, oder?

KRAFT (lacht): Ich habe mir den 5:0-Sieg über Zagreb in der Champions League in München angesehen. Sie haben heuer gut eingekauft und sind eine coole Truppe. Ich versuche, ebenso erfolgreich zu sein.

Sind Sie auch ein Fan des Nationalteams?

KRAFT: Logisch! Es ist bewundernswert, was die Mannschaft heuer abgeliefert hat. Endlich kann man mit unserem Team wieder richtig mitfiebern.

Ihr Metier bleibt aber das Skispringen. Was macht diesen Sport so faszinierend?

KRAFT: Ganz klar - dass man ohne Motor und nur mit zwei Brettern an den Füßen durch die Luft fliegen kann. Das ist ein unbeschreibliches Gefühl, das nur einigen Wenigen vergönnt ist.

Wie sieht der große Lebenstraum des Stefan Kraft aus?

KRAFT: Eine eigene Familie zu haben, ein Haus zu haben - und Gesundheit. Das ist das Wichtigste.

Das passt zu Ihrem Ruf, ein bescheidener Mensch zu sein.

KRAFT: Ich brauche nicht viel, um glücklich zu sein. Ich bin keiner, der auf den Putz haut. Ich habe alles, was ich brauche - und das ist nicht viel.

Hat sich durch die Erfolge etwas in Ihrem Leben geändert?

KRAFT: Nein. Ich bin nur erfahrener geworden. Und davon kann ich sehr profitieren.

INTERVIEW: ALEXANDER TAGGER