Die ersten Tage nach dem Kriegsausbruch lassen die Stimme von Anastasija Schepilenko noch immer erzittern. „Als der Krieg begann, waren wir gerade bei den nationalen Meisterschaften. Unser Auto war aber gerade beim Service, alle anderen brachen plötzlich auf. Es waren fürchterliche Momente. Keiner wusste, was jetzt passieren wird“, erinnert sich die 22-jährige WM-Teilnehmerin aus der Ukraine.

Selbst im Westen des Landes nahe der Slowakei, im Skigebiet von Krasiya, war die Angst zu groß, um zu bleiben. Daher brach Schepilenko mit ihrer zwei Jahre jüngeren Schwester Katerina und Mama und Ex-Olympia-Starterin Julija nach Polen auf, wo sie gut einen Monat blieb. Ehe eine Nachricht aus dem Kaunertal auf ihrem Smartphone eintrudelte. „Wir waren dort schon seit Jahren in einer Ferienwohnung zum Trainieren untergebracht, sogar schon als Kinder. Als der Krieg ausbrach, haben sie uns sofort geschrieben, dass wir bei ihnen bleiben können“, sagt Schepilenko und ergänzt: „Ich kann gar nicht beschreiben, wie großzügig diese Leute sind. Wir sind so dankbar für das, was sie für uns getan haben.“

In Tirol konnte die Sportwissenschaftsstudentin, die online an der Universität in Lemberg ihren Master macht, ihren Traum vom Profisport weiterverfolgen. Schepilenko, die schon mit 13 Jahren ihre Ski selbst herrichtete, schloss sich anderen Nationen im Training an, fährt mit kleiner finanzieller Hilfe des Staates und Eigenmitteln von Rennen zu Rennen. „Mit großartiger Unterstützung aller Beteiligten“, wie Schepilenko gerührt anmerkt. Trainiert wird mit der Mama als Coach, die nie wollte, dass ihre Töchter Profi-Sportlerinnen werden. „Ich musste als Kind sogar einen Skilehrer nehmen, weil sie mich nicht unterrichten wollte“, lächelt Schepilenko.

Ihren Traum hat sie klar vor Augen: Einmal im Weltcup starten und dort unter die Top 30 kommen. Bei der WM reichte es im Super-G für Rang 30, im Parallel-Rennen scheiterte sie an der Qualifikation für das Finale – noch wartet der Riesentorlauf. Den Krieg blendet sie dabei aus, so gut es geht: „Es ist nicht immer leicht. Enge Freunde von uns sind an der Front – wir bekommen alles mit und können nichts tun. Es ist schrecklich.“