Früher war alles besser. Was den alpinen Skirennsport betrifft, mag das zumindest in der Gegenwart zutreffen. Denn die scheint trist, wenn man die Erfolge der Gegenwart als Maßstab nimmt. Früher, da produzierte der Skisport Helden, da war der Skisport Garant dafür, wahrgenommen zu werden. Als Toni Sailer 1956 in Cortina dreimal Olympia-Gold heimbrachte, da richtete das Land sich an seinen Erfolgen auf, definierte die im Zweiten Weltkrieg abgegebene Identität neu. Und die zwei Bretter auf weißem Untergrund, die waren ab sofort Teil des genetischen Materials. Als Österreicher kam man fortan mit zwei Skiern auf die Welt – bildlich gesprochen. „Skisport liegt in unserer DNA“, das hörte man oft, wenn man in die Welt reiste.

Helden aus den kleinen Österreich

Schließlich gab es nach Sailer auch noch einen Karl Schranz, wenngleich der bei Olympia zum tragischen Helden mutierte, aber in der Opferrolle gefiel sich das Land ohnehin ganz gut, feierte Schranz ab wie einen griechischen Helden. Dann gab es da Annemarie Moser, der weibliche Sailer, sozusagen. Hermann Maier, der Maurer, der sich, wie er selbst in Nagano sagte, „unsterblich“ machte, weil er drei Tage nach einer Jahrhundertbrez’n Gold gewann – und ein zweites noch dazu. Es gab Helden wie Petra Kronberger, „Speed-Queens“ wie Renate Götschl, Doppel-Olympiasieger*innen wie Michaela Dorfmeister oder Benni Raich, Liebkinder wie Anna Veith, Abfahrtsasse wie Leo Stock, Fritz Strobl. Und zuletzt da gab es Marcel Hirscher, den Mann wie eine (Sieg-)Maschine. Es waren nicht einfach Sport-Stars, die der Skisport hervorbrachte, es waren Heroen. Menschen, die das kleine Österreich auf die Welt-Landkarte brachten, auch wenn der Ausschnitt der Welt mitunter ein kleiner war.

"Unsere" Skifahrer

Sie waren nie abgehoben, immer bodenständig – und vor allem waren „unsere“ Skifahrer Beweis dafür, dass Österreich mit Selbstvertrauen immer von sich behaupten konnte, in einer Sache die Nummer eins der Welt zu sein. Und das ist für ein Land, das der Skisport nachhaltiger veränderte als die industrielle Revolution, nicht unerheblich. Ganz ehrlich: Wo wären denn all die Nobel-Skiorte, ganze Täler in den Alpen, ohne den Skisport und den sich daraus generierenden Tourismus?
Was sich allerdings geändert hat, sind die Rahmenbedingungen. Ja, es gibt nach wie vor viele, die sich an die Wochenenden daheim vor dem Fernseher erinnern, als das Mittagessen noch an den Abfahrten in Gröden, Wengen und natürlich Kitzbühel orientiert war. Und die, die dabei waren, können sich auch noch an die leeren Wiener Straßen erinnern, als Franz Klammer in Innsbruck zu Gold raste. Voll war es da nur vor den Schaufenstern der Elektroläden, die die Abfahrt für die Passanten übertrugen.

Aber heute? Neben dem Skisport gibt es Alternativen. Unzählige. Sei es im TV-Programm, sei es in der eigenen Freizeitgestaltung. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Gastrobranche händeringend nach Personal sucht. Man lässt sich heute viel mehr verwöhnen, als selber Dienst zu leisten. Ähnlich ist es im Skisport: Der Weg an die Spitze ist hart und meist schmerzhaft, die Chancen auf ewigen Reichtum sind gering. Arbeits- und Gesundheitseinsatz ergeben im Vergleich mit den zu erwartenden Vergünstigungen nicht mehr per se ein ausgeglichenes oder gar positives Saldo.

Mehr Menschen auf der Piste

Ist die Nation verunsichert? Nein, sie ist nur abgelenkt. Faktum ist, dass nach dem Abgang des erfolgreichsten Skifahrers eine „post-hirschale Depression“ auszumachen ist, man überlegt es sich zweimal, den Sportlern auf die Bretter zu schauen. Faktum ist aber auch, dass die Zahlen der Lift- und Hotelbetreiber in den Skiorten passen. ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel, oft im Zentrum der Kritik, verweist gerne darauf, „dass auch in Österreich sowohl die absolute Zahl an Skifahrern als auch die relative, gemessen an der Bevölkerungsanzahl“, gewachsen seien. Dass die Verbundenheit zum Sport trotzdem gesunken ist, lässt sich aber nicht abstreiten.

Selbst dafür hat Schröcksnadel (der den Klimawandel grundsätzlich und speziell als Gefahr für den Wintersport negiert) aber eine Erklärung: „Der Skisport braucht Helden – entweder, weil sie siegen, oder um zu sehen, wie sie stürzen oder gestürzt werden.“ Momentan fehlen diese Helden. Und die Erinnerung an den letzten ist noch zu frisch, um sich neu zu binden.

Ski-DNA macht Pause

Verunsicherung der Ski-nation? Eher handelt es sich um eine Prise Gleichgültigkeit, was es nicht besser macht. Aber, wie sagt der Präsident so gerne: „Wenn man aus solchen Phasen als Sieger hervorgeht, dann hat man wirklich gewonnen.“ Und wer weiß: Gewinnt sein Verband nächste Saison wieder den Nationencup, ist er vielleicht sogar wieder etwas wert. Durch die Niederlage. Und dann wird man feststellen: Die Ski-DNA in Österreich, die ist schon noch vorhanden. Sie macht nur Pause, leicht verunsichert offenbar.