Ich kann mir sehr gut vorstellen, wie es Michael Walchhofer nach seiner Fahrt gegangen ist, als er wartete, ob die Zeit reicht. Zuerst denkt man sich: Gott sei Dank, ich bin gesund herunten, die letzte Abfahrt ist vorbei. Und dann steigt der Puls bei der Fahrt von Cuche wieder, bei der letzten Zwischenzeit hoffst du, bangst du. Du denkst: Das wird knapp. Du bemühst dich, nicht zu hoffen, denn in der Abfahrt kannst du immer eine Panier bekommen - und genau das ist Walchi passiert.

Er hat dann sofort gewusst: Das war's, Didier Cuche hat die vierte Kugel, nicht ich. Der erste Gedanke, der einem da durch den Kopf schießt, den kann sich jeder denken; sieben Buchstaben hat das Wort. Du begreifst, dass du das gesteckte Ziel nicht erreicht hast - und bist irgendwie doch froh, dass alles vorbei ist.

Vorwurf muss sich Walchhofer keinen machen. Die Körpersprache und die Konzentration haben gepasst, die Zwischenzeiten auch, letztlich entschieden nur ein paar Hundertstel, die Cuche zu schnell und er zu langsam war. Dann denkst du nach. Und Michi hat mir erklärt, dass er schon analysiert hat, wo er die Zeit verloren hat: Die Ausfahrt aus dem Steilhang war's, da nahm Cuche mehr Tempo mit. Gerade im Gleitteil ins Ziel, eigentlich Walchhofers Stärke, fehlte Walchi das Tempo. Er wurde von einem Didier Cuche geschlagen, der es geschafft hat, alles auszublenden. Den Rückstand auf Michi in der Abfahrtswertung, den Streit mit Hujara. Der Beweis: Cuche wusste im Ziel nicht, ob er nun vorne war oder nicht.

Einer der Größten

Was Walchhofer bei der Verarbeitung der Niederlage hilft ist das Wissen, dass es vor den Rennen in Kvitfjell nicht so ausgesehen hat, als ob es überhaupt noch eine Chance gäbe. Und dann das Wissen, dass es ab sofort keine Hundertstel gibt, die man analysieren muss, das Wissen, dass das Abenteuer Abfahrt vorbei ist.

Und auch mit drei Abfahrts-Kugeln ist Michael Walchhofer einer der größten Abfahrer aller Zeiten. Er hat auf allen Strecken gewonnen, war, obwohl als Slalom-Läufer groß geworden, unglaublich schnell, egal, welchen Charakter die Piste hatte. Das ist beeindruckend. Das einzige, kleine Manko: Walchi war zwar über viele Jahre schnell, selten aber in jeder Abfahrt über ein Jahr.

Österreich wird ihn vermissen, nach seinem heute definitiv letzten Auftritt im Super-G. Und doch: Mit Joachim Puchner schnuppert scheinbar endlich wieder ein Junger an der Spitze. Aber um ein Walchhofer-Nachfolger zu werden, braucht es viel - vor allem Siege.