Herr Kasper, diese Schi-WM steht, wie die ganze bisherige Weltcup-Saison, im Zeichen einer umfassenden Sicherheitsdiskussion. Nur Lösungen scheinen weit und breit keine auf.
GIAN-FRANCO KASPER: Dass wir nichts machen, ist nicht richtig. Wir schicken Ex-Läufer als verkabelte Vorfahrer die Hänge hinunter und sammeln Daten, beziehen die Universitäten in Salzburg und Oslo mit ein, investieren eine Unmenge Zeit und Geld. Etwa eine Million Euro. Und wir sind in einem regen Austausch mit vielen Fachleuten. Wenn wir wüssten, wo wir genau ansetzen sollen, hätten wir es schon gemacht. Die jüngsten Unfälle sind ausnahmslos durch Fahrfehler passiert.

Was halten Sie von Airbags?
KASPER: Unser Problem ist prinzipiell: Die Meinungen stehen einander diametral gegenüber. Nehmen wir nur eben das Thema Airbag: An sich eine gute Idee, nur hat mir noch niemand erklären können, wie der im Notfall ausgelöst werden soll.

ÖSV-Chefcoach Mathias Berthold fordert andere Anzüge, damit könnte sofort das Tempo reduziert werden.
KASPER: Das ist natürlich auch eine Idee, über die man gerne reden kann. Ich bin nur gegen Schnellschüsse und wir müssen aufpassen, das wir nicht durch ein Mosaiksteinchen den ganzen Sport verändern. Ich muss aber auch noch etwas anderes sagen: Es hat in den letzten Jahren eine Mentalität um sich gegriffen, ganz nach dem Motto: Den Kopf zwischen die Knie und Vollgas - und für den Rest ist die FIS verantwortlich. Risikolos wird der Schisport nur sein, wenn wir das Tempo auf null reduzieren.

Sie sind hier in einer brisanten Doppelrolle: Als IOC-Mitglied bei einem Olympia-Bewerber und als FIS-Präsident bei der eigenen WM. Gibt es da keine Unvereinbarkeit?
KASPER: Zuerst gab es die WM und dann die Idee einer Olympia-Bewerbung, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich glaube auch nicht, dass die laufende WM ein Vorteil für Garmisch-Partenkirchen ist, eher eine Gefahr. Denn von einer Schi-WM wird das Altherren-Komitee im IOC wenig mitbekommen. Wenn es hier aber Probleme gibt, dann wird das jedes IOC-Mitglied in allen Details erfahren.

Stichwort Olympia: Die Aufarbeitung der Bewerbung in Salzburg ist ja alles andere als erfreulich. Wie beurteilen Sie das heute?
KASPER: Das ist politisches Tagesgeschäft. Nach einer verlorenen Olympia-Kandidatur zerfleischt man sich eben gerne, das war auch in Berlin oder Leipzig nicht anders. Trotzdem tut es mir um den Kandidaten Salzburg leid: Mit solchen Orten könnte man dem Gigantismus einen Riegel vorschieben. In Vancouver gab es 5000 offizielle Autos für Olympia, das alles brauche ich in Salzburg oder St. Moritz nicht.

Wandert der Schiweltcup künftig immer mehr in den Osten ab?
KASPER: Diese oftmals geäußerte Angst ist übertrieben. Es wird im Rotationsverfahren ein bis zwei Rennen im Osten geben, das ist nicht vermeidbar. In Russland etwa und in Bulgarien. Wenn wir ein Weltverband sein wollen, dann müssen wir zwangsläufig auch weltweit Schirennen fahren. Klassische Orte wie Kitzbühel oder Wengen werden im Kalender immer berücksichtigt werden. Aber wenn sich Saalbach-Hinterglemm, Crans Montana, St. Anton oder Madonna di Campiglio um Weltcuprennen anstellen, dann kann die Serie nicht so unattraktiv sein. Es war ein Fehler von Papst Gregor, dass er im Kalender zu wenig Wochenenden im Winter eingebaut hat.

Warum wird die attraktive Disziplin Schicross nicht in die alpine WM integriert?
KASPER: Auch eine Frage des Kalenders. Schicross wird ja vom Alpinkomitee der FIS organisiert. Irgendwann wird es vielleicht mit der alpinen WM kombiniert. Was mich wundert: Dass nicht mehr Alpinfahrer beim Schicross mit tun.

Bei dieser WM wird erstmals Preisgeld ausbezahlt. Sollte es nicht endlich auch bei Olympia Preisgeld für Medaillengewinner geben?
KASPER: Hier gibt es 100.000 Franken pro WM-Bewerb, aber mir gefällt das überhaupt nicht. Ein WM-Titel ist eine Sache der Ehre. Wenn schon, dann müsste man jeder Weltmeisterin und jedem Weltmeister eine Million geben. Denn 40.000 Franken für den WM-Titel sind fast lächerlich, das gibt es im Weltcup bei jedem kleinen Damen-Slalom. Für die Veranstalter ist es aber nicht unerheblich, ob sie in Garmisch-Partenkirchen elf Mal oder wie in Oslo bei der Nordischen WM 23 Mal Preisgeld zahlen müssen. Bei Olympia wird es in naher Zukunft sicher kein Preisgeld geben.

Zurück zur laufenden Schi-WM. Wie waren Sie mit der ersten Woche zufrieden und können Sie die Kritik an den Strecken nachvollziehen?
KASPER: Eine WM in Deutschland ist für einen großen Verband immer risikolos, weil organisatorisch alles klappen wird. Die Kritik an den Strecken kann ich nicht nachvollziehen, ganz im Gegenteil. Wären die Pisten hier nicht so gut präpariert gewesen, hätte es bei den warmen Temperaturen keine regulären Rennen gegeben.