Nicht viele Menschen sind auf der Siegerstraße daheim, Andreas Evers ist es durchaus. "1 Victory Lane, Park City, Utah" lautet die Adresse auf seiner Visitkarte. Das entspricht zwar nicht dem Naturell des zurückhaltenden Flachauers, aber das ist halt der Preis, wenn man für den US-Verband arbeitet. Denn hinter der außergewöhnlichen Anschrift verbirgt sich der Sitz des US-Ski-Verbandes.

Nach 17 Jahren beim Österreichischen Skiverband (ÖSV), in denen er Wegbegleiter von Hermann Maier und später Abfahrts-Gruppentrainer war, arbeitet der Salzburger nun als verantwortlicher Abfahrtscoach für den US-Verband. "Ich wollte einen Wechsel. Aber seit sechs oder sieben Jahren hat sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt gestellt. Nur: Wann ist schon der richtige Zeitpunkt?", fragt sich Evers heute noch. Für ihn war es der Gewinn des Abfahrts-Weltcups durch Klaus Kröll: "Ich wollte das Team verlassen, wenn es Erfolg hat, nicht in der Krise."

Dabei hat Evers genügend Krisenzeiten miterlebt. "Zwischen 2003 und 2008 ist unser Abfahrtsteam gestorben", sagt er rückblickend. Es war die Zeit, in der sich die großen Triumphatoren Maier, Stephan Eberharter, Andreas Schifferer oder Hans Knauß langsam zurückzogen. Dahinter klaffte ein Loch. Dieses zu schließen war in den letzten Jahren die Aufgabe von Evers. "Wir", sagt er und korrigiert sich sogleich selbst, " nein, Österreich hat jetzt das auf Jahre hinaus beste Abfahrtsteam!" Und er gerät sofort ins Schwärmen über die Talente Max Franz und Joachim Puchner: "Das ist das Holz, aus dem Abfahrer geschnitzt sind. Die sind einfach unbekümmert und fahren drauflos."

Gewaltig in jeder Hinsicht

Dabei wollten wir eigentlich über seinen neuen Job sprechen. Der bringt für Evers viele neue Erkenntnisse: "Das Land ist gewaltig, das Potenzial ist gewaltig und die Aufgabe auch." Damit meint er allein die Sichtung von Talenten in den USA. "Es sind genügend da, aber wir müssen schauen, dass sie wir sie nicht aus den Augen verlieren." Dazu kommt, dass in den USA der Skisport längst nur für eine gut verdienende Oberschicht ist: "In Österreich wird das auch bald so sein, aber hier ist es Realität." So sind viele Talente auf eine Karriere im Skisport erst gar nicht angewiesen. Im Gegenzug erlebt er auch andere Überraschungen. "Wenn etwa ein Gönner dem Skiklub Vail eine Beschneiungsanlage für die Trainingsstrecken spendiert. Wir dürfen nicht klagen, müssen die Möglichkeiten nutzen."

Womit er zu seinem aktuellen Tätigkeitsfeld kommt: Strukturen aufbauen. "Im ÖSV haben wir geschaut, dass unsere Fahrer mit ihren FIS-Punkten im Weltcup mit Startnummern zwischen 35 und 50 starten. Hier kommen die besten Talente mit Nummern um 70. Damit sind sie fast chancenlos." Einen beachtlichen Erfolg hat er in seiner kurzen Zeit aber schon gefeiert: Marco Sullivan, der im Sommer aus dem US-Kader gefallen wäre und keinen Skivertrag hatte, belegte in der Abfahrt in Lake Louise Rang drei. "Ich habe um seinen Kaderplatz gekämpft und Atomic ersucht, ihn mit Material zu versorgen." Sullivan bekam einen Leistungsvertrag ohne Fixum, aber mit Prämien für die Plätze eins bis drei. "Und gleich beim ersten Rennen hat er abgeräumt. So sind die Amerikaner", sagt Evers lachend.

Gewöhnungsbedürftig war die Vorbereitung auf Beaver Creek: Das US-Skiteam war zu einem Football-Spiel der Denver Broncos eingeladen. "Meine Sache ist es nicht", sagt der Eishockey-Fan, "aber ich muss ja wissen, worüber meine Läufer diskutieren."