Kann Schalkes Baum auch Offensivfußball?

Schalkes Auftaktprogramm mit den Auswärtsspielen in München, Leipzig und Dortmund war brutal, die Prügel mit null Punkten und 0:15 Toren fürchterlich. Zumindest scheint das Schlimmste nun aber schon mal überstanden. Das ist eine der wenigen guten Nachrichten derzeit, eine andere ist: Das Spiel gegen den Ball sieht mit Manuel Baum wieder griffiger aus. Darauf fokussiert sich bei den Königsblauen derzeit fast alles.

Angesichts des Auswärtsspiels beim turmhoch überlegenen BVB nachvollziehbar, die Wochen der Wahrheit kommen aber jetzt. Und da wird der reine Umschalt-Ansatz im eigenen Ballbesitz nicht mehr genügen.

Bisher hat Schalke kaum Anhaltspunkte geliefert, dass die Mannschaft aus dem freien Spiel gefährlich werden, geschweige denn so etwas wie ein funktionierendes Positionsspiel aufziehen kann. Und Baum war in Augsburg nun auch nicht berühmt dafür, diese Spielphase nachhaltig zu entwickeln. Das könnte aber der Knackpunkt der Schalker Saison werden: Schafft es Baum, ein tragfähiges Offensivkonzept zu installieren? Die letzten auf Pressing und Gegenpressing ausgerichteten Pläne hatten eine überschaubare Halbwertszeit und endeten beinahe in sportlichen Katastrophen.

Nun ist der Start schon komplett vermasselt, es gibt kein Polster, von dem die Mannschaft zehren könnte. Umso wichtiger wäre ein Strategiewechsel. Denn nur mit gutem Fußball kommen auch die nötigen Punkte.

Wie Lewandowski den Bomber einholen könnte

Heute unvorstellbar, aber tatsächlich wahr: In den 1990er-Jahren schafften es die erfolgreichsten Torjäger des FC Bayern gleich im halben Dutzend nicht über die 15-Tore-Marke hinaus. Labbadia, Valencia, Scholl, Ziege, Jancker, Elber, zwischen elf und 14 Saisontoren war da alles dabei.

Robert Lewandowski steht jetzt nach fünf Spielen bei zehn Toren, so viel hatte noch keiner zu diesem frühen Zeitpunkt einer Saison in der Geschichte der Bundesliga. Und über die Bayern-Scorer des letzten Jahrhunderts kann Lewandowski nur müde lächeln.

Bis auf diesen einen: Gerd Müller und dessen Rekord aus den frühen 1970er-Jahren gilt gemeinhin als unerreichbar. 40 Tore hat Müller da geschossen, eine unglaubliche Zahl. Nach Lewandowskis Raketenstart in diese Saison scheint es aber nicht ausgeschlossen, dass der sich auch diese Bestmarke krallt.

Letzte Saison kam der Pole schon auf 34 Treffer und wäre bei etwas mehr Killerinstinkt vielleicht schon dran gewesen: Lewandowski vergab damals 14 seiner 40 Großchancen und benötige 140 Torschüsse für seine Ausbeute. Derzeit sind beide Quotienten deutlich verbessert, für die zehn Tore benötigte der 32-Jährige 13 Großchancen und "nur" 33 Versuche.

Bayerns erdrückende Dominanz dürfte auch zu einer zweistelligen Zahl von Strafstößen führen, für Lewandowski als erstem Schützen eine verlockende Zusatzchance. Das große Aber: Gerd Müller wurde nie ausgewechselt oder sogar geschont, wenn der Bomber nicht schwerer verletzt war. Müller spielte immer. Sehr wahrscheinlich wird Lewandowski angesichts des straffen Spielplans einige (Zwangs-)Pausen von Trainer Hansi Flick bekommen...

Der eleganteste Spieler der Liga ist...

... Dortmunds Raphael Guerreiro. Mit dem Abgang von Thiago zum FC Liverpool hat die Bundesliga ihren obersten Ballstreichler zwar verloren, beim BVB steht aber so etwas wie ein legitimer Nachfolger schon lange parat. Guerreiro spielt so leichtfüßig und elegant, schwebt bei seinen Dribblings beinahe übers Feld.

Alles wirkt in jeder Situation und Lage so leichtfüßig wie selbstverständlich und als neutraler Fan sollte man nur froh sein, dass der Portugiese im Sommer nicht wirklich in eine andere Liga abgewandert ist. (Video: Raphael Guerreiro im Fokus: So leitete er den Derby-Sieg ein)

Die Möglichkeiten dazu waren offenbar da, aber mit der Umstellung von Trainer Lucien Favre auf die Dreierkette Mitte der letzten Saison blühte auch der zuvor viel zu oft verschmähte Guerreiro auf und entwickelt sich als linker Außenbahnspieler immer mehr zum heimlichen Spielmacher der Borussia.

Im Derby gegen Schalke hatte Guerreiro unglaubliche 150 Ballaktionen und spielte 120 Pässe. Fast halb so viele wie die gesamte Schalker Mannschaft zusammen.

Guerreiro ist oft der Auslöser der Tempoaktionen und auch als Torschütze immer noch latent unterschätzt. Im medialen Wirbel um Haaland, Sancho, Reus oder Reina geht Guerreiro immer etwas unter. Dabei ist er der eigentliche Unterschiedspieler.

Mittelmaß produziert keine Geschichten

Fünf Spieltage hat es nur gedauert, bis die Liga in drei Teile zerfallen ist. Ganz oben die üblichen Drei, Leipzig, Bayern, BVB, ganz unten die Habenichtse Köln, Schalke und Mainz und dazwischen ein übergroßer Bauch aus zwölf Mannschaften.

Im Laufe der Saison wird sich der eine oder andere Klub noch etwas mehr an die Ränder bewegen, im Grunde war es das dann aber auch schon wieder.

Das Spitzen-Trio wird schwer erreichbar bleiben und ganz oben sein Ding durchziehen inklusive eines hoffentlich in Ansätzen spannenden Titelrennens. Und der große Rest gründet seine eigene Liga darunter.

Dass der VfB Stuttgart als Neuling und eingedenk des Montagsspiels Leverkusens gegen den FC Augsburg mit acht Punkten derzeit Vierter ist, spricht nicht unbedingt für die Qualität der Liga.

Das Mittelmaß ist zu stark ausgeprägt und Durchschnittlichkeit ist auf lange Sicht ein Problem für die Liga: Es produziert keine Geschichten. Und davon lebt der Fußball ganz speziell in diesen Zeiten, in denen kaum noch Fans in den Stadien zugelassen sind.

Dayot Upamecano übertrifft sie alle

Unter den 20 schnellsten Bundesligaspielern tummeln sich ein gutes Dutzend Angreifer und ein paar Außenverteidiger. Nur ein Innenverteidiger hat es bisher in die Liste der Spieler mit dem höchsten Top-Speed geschafft. Dayot Upamecano ist nach Stuttgarts Silas der bisher zweitschnellste Spieler der Liga, hat 35,3 km/h hingelegt.

Für einen Spieler von Upamecanos Statur und Masse mit rund 90 Kilogramm ein sensationeller Wert und nur ein weiteres Superlativ. Upamecano hat schon eine herausragende letzte Saison hinter sich und ist drauf und dran, diese Entwicklung in großen Schritten voranzutreiben.

Der Franzose ist wie eine fleischgewordene Wand in Leipzigs Defensive, im direkten Zweikampf kaum zu bezwingen, ebenso schlau wie aggressiv im Aufbau, mit starken Pässen ins Mittelfeld oder auch mal einem energischen Andribbeln und ab und zu auch torgefährlich.

So wie am Wochenende, als sich Upamecano zur Abwechslung mal im gegnerischen Strafraum den Ball zurückeroberte und traf. Es soll Experten geben, die in Upamecano den derzeit besten Innenverteidiger der Liga erkennen. Auf jeden Fall gibt es in seinem Alterssegment keinen, der auch nur annähernd so ein Gesamtpaket mitbringt wie der erst 21-Jährige. Entsprechend umworben dürfte Upamecano sein, der offenbar eine Ausstiegsklausel über 42 Millionen Euro besitzt und im Sommer gehen könnte ( Video: Upamecano vs. Cordoba - Zwei Maschinen im Duell) .

Leipzig hat den Nachfolger deshalb bereits verpflichtet: Josko Gvardiol von Dinamo Zagreb war RB angeblich 16 Millionen Euro plus diverser Bonuszahlungen wert. Im Sommer kommt der 18-Jährige nach Leipzig - und ersetzt dann sehr wahrscheinlich Dayot Upamecano.