Die Teilnehmer: Jonas Hummels ( DAZN -Experte), Dennis Melzer (Bayern-Korrespondent SPOX und Goal ) und Romeo Agresti (Juventus-Korrespondent Goal ).

1. Welcher eher im Schatten stehende/U-23-Spieler wird seinen Durchbruch auf höchster Ebene feiern?

Jonas Hummels: Hier gibt es ein paar Kandidaten. Bei Manchester City sehe ich Eric Garcia (19) als einen möglichen Spieler, der sich festspielen könnte, auch wenn er seinen Abschied eigentlich schon verkündet hat. Der junge Spanier hat eine sehr saubere Technik und wirkt schon relativ ruhig, auch wenn die Champions League natürlich auch ein anderes Kaliber ist.

Ein weiterer Kandidat wäre der noch jüngere Ansu Fati (17) bei Barcelona. Auch wenn Barcas Mannschaft, inklusive Trainer, keine gute Saison zeigt und mit Sicherheit auch nicht in guter Verfassung ist, verfügen sie mit Messi über den Spieler, der einfach immer den Unterschied machen kann. Derjenige, der hinter dem Argentinier die meisten Dribblings macht und für Einzelaktionen sorgt, ist ebenjener Fati. Mit Sicherheit schon etabliert im Kader, kann er aber auf der großen Bühne zeigen, dass er auch wirklich so ein großes Talent ist wie viele, inklusive mir, bereits jetzt behaupten.

Dennis Melzer: Alphonso Davies ist in aller Munde, der Junge hat unter Hansi Flick eine unglaubliche Entwicklung genommen, die Bundesliga komplett aufgemischt. Auf internationalem Parkett hat er sich zwar schon durchaus bewiesen, aber ich kann mir vorstellen, dass er auch auf der ganz großen Bühne in Lissabon noch zum X-Faktor für den FC Bayern avancieren kann. Ich bin der Meinung, dass die gesamten vergangenen Monate ein einziger andauernder Durchbruch für den jungen Kanadier waren, aber das i-Tüpfelchen, die Kirsche auf der Torte, während des Finalturniers gesetzt wird.

Zudem bin ich auf Houssem Aouar gespannt, der mir in der laufenden bzw. abgelaufenen Saison sehr gut gefallen hat. Das Olympique-Eigengewächs hat beim überraschenden Weiterkommen gegen Juventus beide Lyon-Treffer eingeleitet (ja, der Elfmeter im Rückspiel war mehr als strittig) und besticht vor allem durch seine Vielseitigkeit. Schon seit geraumer Zeit buhlen etliche Top-Klubs um ihn, sollte er gegen ManCity - und gegebenenfalls danach - groß aufspielen, wird er für OL vermutlich kaum zu halten sein.

Romeo Agresti: Ansu Fati, Riqui Puig und Alphonso Davies. Das sind die drei Talente, die während des Finalturniers in Lissabon den Unterschied für ihre Mannschaften machen können. Auch weil sie bei den beiden Klubs aktiv sind, die meiner bescheidenen Meinung nach die absoluten Top-Favoriten auf den Titel sind: Barcelona und Bayern.

2. Auf was dürfen wir uns beim Champions-League-Finalturnier freuen?

Jonas Hummels: Ich erwarte natürlich ein etwas offeneres Visier bei den Mannschaften, weil es eben nur noch ein Spiel ist und das Ergebnis nicht in einem Rückspiel wettgemacht werden kann. Dadurch könnten die Teams etwas mehr Risiko eingehen, vor allem nachdem das erste Tor gefallen ist. Vielleicht wird es aber auch noch vorsichtiger und überlegter. Rein theoretisch erhöht sich dadurch natürlich die Chance für die vermeintlichen Underdogs, die in einem Spiel eher gewinnen könnten. Vielleicht wird auch Diego Simeones Atletico, mit ihrer eher destruktiven Spielweise, von dem Format profitieren.

Dennis Melzer: Auf den Modus. Die Tatsache, dass das Finalturnier an einem Ort stattfindet und lediglich ein K.o.-Spiel ansteht, wird vieles verändern. Ich rechne damit, dass die Mannschaften etwas mutiger zu Werke gehen als beispielsweise in einem Heimspiel im klassischen Champions-League-Modus, bei dem es zunächst vor allem darum geht, kein Gegentor zu kassieren.

Außerdem ist die Chance bei nur einem Spiel größer, dass die Entscheidung in der Verlängerung oder im Elfmeterschießen fällt, was immer einen ganz besonderen Nervenkitzel mit sich bringt. Ich bin tatsächlich gespannt, wie die Begegnungen ablaufen werden. Ich könnte mir aber vorstellen, dass im Anschluss darüber diskutiert wird, dieses Modell fortan beizubehalten.

Die Mannschaften, denen ich am meisten zutraue, sind der FC Bayern und ManCity. Ich glaube, dass die Münchner aktuell, trotz Pause, mit enormem Selbstbewusstsein aufwarten und über das stärkste Kollektiv verfügen. Die Skyblues stehen voll Trainingssaft, werden von einem der besten Trainer der Welt gecoacht und haben zuletzt mit dem Weiterkommen gegen Real Madrid ein Ausrufezeichen gesetzt.

Romeo Agresti: Dass wirklich alles passieren kann und alles offen ist. Der Fußball hat sich seit der Wiederaufnahme nach dem Corona-Lockdown verändert, die Mannschaften experimentieren herum. Im Wettbewerb können allein dadurch große Überraschungen passieren. Dazu kommt, dass keine Mannschaft im Turnier körperlich wirklich auf der Höhe ist. Daher werden diejenigen den Unterschied machen, denen es am wenigsten schlecht geht, was es so wohl noch nie gegeben hat und ein völlig anderes Konzept als sonst ist. Daher kann meiner Meinung nach etwa Atalanta Bergamo eine wichtige Rolle im Turnier spielen: Wegen ihrer physischen Qualitäten, ihrer Taktik, ihres Enthusiasmus. Atalanta ist eine Mannschaft, die jeden Gegner in Schwierigkeiten bringen kann.

3. Wer wird die Enttäuschung des Champions-League-Finalturniers?

Jonas Hummels: In einem Viertelfinale zu stehen ist an und für sich natürlich schon ein Erfolg, also ist es auch eher schwierig von einer großen Enttäuschung zu sprechen. Ich sehe City vor Bayern und Barca als die großen Favoriten, von daher liegt bei den drei Vereinen auch das größte Potential für eine Enttäuschung.

Gerade bei Barca könnte die erste titellose Saison seit 2013/14, wenn man die Supercopa mit einbezieht sogar seit 2007/08, entstehen. Das könnte gerade für Messi, noch in absoluter Top-Form, zu einer sehr großen Enttäuschung werden. Bei den Bayern könnte man bei einem eventuellen Viertelfinal-Aus gegen Barca auch von einer Enttäuschung sprechen, gerade weil die Münchner so zuversichtlich und selbstbewusst waren in den letzten Wochen.

Selbiges gilt auch für Peps City. Sollte der Katalane den Titel nicht holen, könnte seine Zeit in Manchester tatsächlich ungekrönt bleiben und er weiterhin der Trainer sein, der nur mit seinem FC Barcelona den Titel in der Königsklasse holen konnte.

Dennis Melzer: Ich tue mich schwer mit dem Begriff Enttäuschung, wenn wir über Mannschaften sprechen, die es in der Champions League unter die besten Acht geschafft haben. Sicherlich haben Vereine wie Bayern, Barca, PSG oder City andere Ansprüche als RB Leipzig, Lyon oder Sensations-Viertelfinalist Atalanta.

Ich glaube tatsächlich, dass ein Ausscheiden des FC Barcelona die größte Enttäuschung wäre. Die Katalanen würden nämlich erstmals seit sechs Jahren ohne Titel bleiben, seit Monaten herrscht Unruhe im Klub. Auch Paris und ManCity, die finanzkräftigen Scheichvereine, die seit Jahren nach dem CL-Titel lechzen, haben neben Barca vielleicht noch "Enttäuschungspotenzial".

Romeo Agresti: Paris Saint-Germain. Das Team hat absolute Top-Spieler in seinen Reihen, scheint mir aber als Mannschaft immer noch nicht bereit für eine absolute Hauptrolle in Europa zu sein. Und dann haben sie es ja sofort mit Atalanta zu tun, das mir eine der Mannschaften zu sein scheint, die am meisten in Form und absolut heiß aufs Turnier sind. PSG hat auf dem Papier einen monströsen Angriff, aber in der Defensive tun sie sich gegen schnelle Gegner schwer und können da schnell in Gefahr geraten.

Champions League: Das Viertelfinale im Überblick

Datum Team 1 Team 2 Mittwoch, 12. August Atalanta Bergamo Paris Saint-Germain Donnerstag, 13. August RB Leipzig Atletico Madrid Freitag, 14. August FC Barcelona FC Bayern München Samstag, 15. August Manchester City Olympique Lyon