Außerdem verrät Diekmeier, gegen welchen Gegenspieler er die meisten Probleme hatte und welche Mitspieler ihn besonders beeindruckten.

Herr Diekmeier, Sie haben mit Sandhausen 5:1 beim HSV gewonnen und Ihren Ex-Teamkollegen damit die Relegation vermasselt. Waren die Hamburger da ein wenig sauer auf Sie?

Dennis Diekmeier: Nein, denn es lag ja nicht an diesem einen Spiel. Der HSV hatte davor schon vier, fünf Mal die Chance, den entscheidenden Schritt zu machen und hat es nicht geschafft. Gegen uns mussten sie auch noch auf einen Ausrutscher von Heidenheim hoffen. Und wir hatten zuletzt auch einen guten Lauf und waren nicht chancenlos.

Dennoch: Hat Sie die Situation rund um den HSV, bei dem sie acht Jahre gespielt haben, in irgendeiner Form beeinflusst?

Diekmeier: Ich habe in meiner Zeit in Hamburg so viel erlebt, dass mich das überhaupt nicht beeinflusst hat. Da bin ich mit all meiner Erfahrung komplett immun. Ich hatte auch sehr viele Interviewanfragen zu dem Thema, aber damit hatte ich gar keine Probleme.

Woran hat es gelegen, dass es zum zweiten Mal in Folge nicht für den HSV mit einer Rückkehr in die Bundesliga gereicht hat?

Diekmeier: Das ist für mich schwierig zu sagen, weil ich nur wenige Spiele des HSV in dieser Saison gesehen habe. Gegen uns hat man aber deutlich gemerkt, dass die Spieler sehr, sehr nervös waren.

Dennis Diekmeier: "Eine Stadt wie Hamburg hat Bundesliga-Fußball verdient"

Glauben Sie, dass der HSV in der kommenden Saison den Aufstieg schafft?

Diekmeier: Das hoffe ich. Eine Stadt wie Hamburg hat Bundesliga-Fußball verdient. Dafür ist es aber wichtig, dass man die Ruhe bewahrt und einmal langfristig und konstant mit einem Trainer zusammenarbeitet.

Bekommen Sie noch alle Trainer aus der Zeit beim HSV zusammen?

Diekmeier: (lacht) Nein, das schaffe ich nicht. Das waren aber glaube ich 16 Stück. Und das in acht Jahren. Das ist schon eine krasse Zahl.

Was vermissen Sie am meisten an Hamburg?

Diekmeier: Aus privater Sicht war es die Nähe zu meiner Heimat und meiner Familie. Aus sportlicher Sicht die Heimspiele. Das war immer geil, in diesem schönen Stadion zu spielen, wenn einen die vielen Fans nach vorne gepeitscht haben.

Und was weniger?

Diekmeier: Dieser Druck, der permanent auf einem lastet. Das habe ich nach dem Spiel beim HSV wieder gemerkt, wie viel am sportlichen Erfolg oder Misserfolg dranhängt. Das ist Stress pur, mit einem riesigen Mediendruck. Das ist bei uns in Sandhausen zum Glück komplett anders.

Dennis Diekmeier im Steckbrief

geboren 20. Oktober 1989 in Thedinghausen Größe 1,88 m Gewicht 79 kg Position rechtes Mittelfeld, rechter Verteidiger starker Fuß rechts Stationen TSV Verden Jugend, Werder Bremen Jugend, 1. FC Nürnberg, Hamburger SV, SV Sandhausen Bundesligaspiele/-tore 203/0

Dennis Diekmeier: "Ich habe mich nicht arbeitslos gemeldet"

Apropos Sandhausen: Mit Ihrer Vertragsverlängerung bis 2022 haben Sie ein deutliches Zeichen gesetzt, dass Sie sich eine Zukunft dort aufbauen wollen.

Diekmeier: Absolut. Ich habe es schon bei der Unterschrift gesagt und bin ehrlich: Sandhausen sollte eigentlich ein Sprungbrett sein, um mich für andere Vereine zu empfehlen. Aber ich bin so herzlich aufgenommen worden und meine Familie fühlt sich hier so unglaublich wohl, dass ich mich in den Klub richtig verliebt habe. Sportlich läuft es für mich überragend und ich habe richtig Lust, hier etwas aufzubauen. Zumal wir immer belächelt werden. Aber genau dann macht es doppelt Spaß, die Großen zu ärgern.

Sie waren vor dem Wechsel sechs Monate arbeitslos. Hat Sie das sehr belastet?

Diekmeier: Zu Beginn nicht. Ich hatte Erfahrung, war vertragslos, da sollte schon was kommen. Dachte ich. Aber mit der Zeit wurde ich schon ein wenig nervös. Dann war ich eigentlich schon mit Leganes aus der spanischen La Liga einig. Da hatte ich richtig Bock drauf. Aber die bekamen einen neuen Trainer. Und der wollte mich nicht auf der angedachten Position, weil ich kein Spanisch spreche. Das war schon ein Schock.

Sind Sie in der Zeit zum Arbeitsamt gegangen?

Diekmeier: Nein, ich habe mich nicht arbeitslos gemeldet, weil ich ja davon ausging, dass ich auf jeden Fall was Neues bekomme. Ich habe dann zweimal die Woche mit einem Individualtrainer in Norderstedt auf dem Platz trainiert und war jeden Tag im Fitnessstudio. Ich war die ganze Zeit über fit.

Und dann kam Sandhausen?

Diekmeier: Ja, als ich mein erstes Gespräch mit Trainer Uwe Koschinat hatte, habe ich meinem Berater gleich gesagt, dass ich nichts anderes mehr hören will, weil ich überzeugt war und mich endlich wieder auf Fußball konzentrieren wollte. Koschinat hat mir zu verstehen gegeben, dass er mich genauso Fußball spielen lassen will, wie ich es mag: intensiv und immer die Linie hoch und runter.

Sie sind auch gleich durchgestartet, sind mittlerweile Kapitän, Leader, Identifikationsfigur.

Diekmeier: Das ging wirklich alles schnell, aber das war auch mein Anspruch. Insgesamt habe ich bislang in jedem Spiel über 90 Minuten auf dem Platz gestanden. Nur nach der Roten Karte in Aue musste ich vorzeitig runter.

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Dennis Diekmeier: 293 Spiele ohne Tor? "Das nimmt mir so schnell keiner"

Und jetzt avancieren Sie ­auch noch zum Torjäger.

Diekmeier: Ja, ich wusste, dass ich in Fahrt komme, wenn der Knoten erst einmal platzt. (lacht)

Wie war das Gefühl nach Ihrem ersten Tor im Profi-Bereich nach zuvor 293 Spielen ohne Treffer?

Diekmeier: Auf dem Rasen habe ich das gar nicht so richtig realisiert. In der Halbzeit des Spiels in Wiesbaden wurde mir das dann bewusst. Und natürlich danach, da ist mein Handy fast explodiert mit all den Nachrichten und Glückwünschen.

Und dann haben Sie nur sechs Spiele später gegen den HSV nachgelegt. Hätten Sie dieses erste Tor gern im Volksparkstadion mit der Raute auf der Brust geschossen?

Diekmeier: Das wäre natürlich auch toll gewesen. Aber mit diesen 293 Spielen habe ich meinen Eintrag im Guinness-Buch der Rekorde erst einmal sicher. Das nimmt mir so schnell keiner.

Sie sind zu Beginn der Zeit in Sandhausen immer zwischen Hamburg und Ihrer neuen Heimat gependelt. War das nicht anstrengend?

Diekmeier: Das schlimmste war die Trennung von der Familie. Die Kinder haben jede Woche aufs Neue geheult und immer gefragt, wann ich wiederkomme. Das war wirklich hart. Aber ich habe mir mit den Besuchen in Hamburg auch die Kraft für die nächste Aufgabe geholt. Als meine Frau mit den Kindern nachgezogen ist, war ich überglücklich.

Gab es etwas, dass Ihnen in Sandhausen im Vergleich zu Hamburg komisch oder ungewöhnlich vorkam?

Diekmeier: Nein, da gab es nichts. Denn ich habe mir gleich gesagt, dass ich nicht vergleichen darf. Das macht ja auch keinen Sinn, wenn man von einem Traditionsklub mit so viel Historie aus einer Millionen-Metropole hin zum SV Sandhausen in eine 15.000-Einwohner-Stadt wechselt. Da ist es doch klar, dass fast alles anders ist. Ich habe überhaupt nicht gewertet, sondern mich einfach nur auf die neue Aufgabe gefreut. Und das war genau der richtige Weg.

Sie sind als Fan ausgefallener Autos bekannt. Dürfen Sie damit im beschaulichen Sandhausen vorfahren?

Diekmeier: (lacht) Ja, der Verein hat mich schon so verpflichtet, wie ich bin. Ich hatte ja schon immer eine Vorliebe für Wagen mit einer starken Beschleunigung.

Zu Ihrer Zeit beim HSV gab es dagegen schon Neider, vor allem in den sozialen Netzwerken.

Diekmeier: Klar, beim HSV war das immer extrem. Vor allem nach Niederlagen. Es war nicht immer einfach, aber als Profi muss man einen Weg finden auch damit umzugehen. Dabei sind meine Frau Dana und ich extra sehr offen für die Fans und in keiner Weise irgendwie hochnäsig.

Dennis Diekmeier erzählt von zerstochenen Autoreifen

In Hamburg wurde Ihr Auto geklaut, stimmt das?

Diekmeier: Ja, der Wagen meiner Frau wurde gestohlen, Sachen rausgeklaut und von innen ziemlich verwüstet. Schlimmer war aber noch, als mir die Reifen vom Wagen aufgestochen wurden. Das war nach einer Niederlage. Das war eine noch schlimmere Erfahrung und die macht einem auch Angst.

Wie ist das in Sandhausen?

Diekmeier: Hier ist alles viel ruhiger, fast schon idyllisch. Ich suche aber auch hier den Kontakt zu den Fans, das finde ich wichtig. Und ich bin auch hier, um etwas aufzubauen. Das wird von den Fans honoriert.

Planen Sie Ihr sportliches Leben langfristig in Sandhausen, vielleicht auch in einer Funktion abseits des Platzes?

Diekmeier: Es gab tatsächlich schon lose Gespräche in diese Richtung mit unserem Präsidenten. Aber das ist noch weit weg. Ich fühle mich mit 30 Jahren so fit wie nie zuvor und ich traue mir noch viele Jahre Fußball auf einem hohen Niveau zu. Von daher denke ich noch nicht an ein Karriereende.

Träumen Sie noch von einem Engagement im Ausland, wie der Premier League?

Diekmeier: Das war einmal. Ich muss ehrlich sagen, dass mir diese Corona-Pandemie wieder einmal gezeigt hat, wie gut wir es doch in Deutschland haben mit unserem Leben. Die Krise haben wir bislang super gemeistert. Von daher ist das Ausland bei mir aktuell überhaupt kein Gedanke mehr.

Goldsteak und Privatjet? "Ein Stück weit verdient"

Sie waren U-19-Europameister 2008, Gewinner der Fritz-Walter-Medaille in Gold als größtes Talent 2008. Dennoch haben Sie keinen großen Titel gewonnen, kein Länderspiel bestritten. Sind Sie mit dem Verlauf der Karriere zufrieden?

Diekmeier: Bis auf das halbe Jahr Pause eigentlich schon. Rückblickend verlief meine Karriere erst einmal wie im Bilderbuch. Der Titel mit der U 19 und die Ehrung durch den DFB, der frühe Wechsel nach Nürnberg, dann zum HSV. Obwohl man sagen muss, dass ich gerade mit dem HSV doch wesentlich mehr hätte erreichen können. Wir hatten große Ambitionen. Dass es anders gekommen ist, war nicht so schön. Ich wollte dann irgendwann nicht verlängern, weil ich es einfach noch einmal woanders wissen wollte.

In Nürnberg mussten Sie aber eine Schrecksekunde erleben. Sie hatten einen allergischen Schock. Wie kam es dazu?

Diekmeier: Ich wusste zwar, dass ich eine Rasenschimmel-Allergie habe, aber so krass hatte ich das bis dahin nicht erlebt. Es war beim Training. Ich hatte eine Schürfwunde am Bein und bin über den Rasen gegrätscht. Scheinbar ist der Rasenschimmel direkt ins Blut gegangen und hat deshalb diese extreme Reaktion hervorgerufen. Da ich so einen allergischen Schock aber schon häufiger hatte, war ich gar nicht mal so verängstigt. Schlimmer war, dass ich dann aufgrund einer Doping-Schutzsperre auf dem Weg zum nächsten Spiel aus dem Kader genommen wurde.

Sie waren damals noch jung: Wäre es Ihnen in den Sinn gekommen, wie manch Jungstar von heute mit Goldsteak oder Privatjet in den sozialen Netzwerken zu "glänzen"?

Diekmeier: Nein, das sicher nicht. Aber man muss die jungen Spieler von heute auch ein Stück weit verstehen. Sie haben ein Leben lang auf den Traum vom Profi-Fußballer hingearbeitet und viele Entbehrungen hingenommen, als Kind auf Freunde und Familie verzichtet. Da haben sie sich das auch ein Stück weit verdient.

Ist das in der jetzigen Zeit aber nicht das falsche Zeichen?

Diekmeier: Natürlich ist das unglücklich und man sollte so etwas am besten auch vermeiden. Die Jungs bekommen das in der Jugend aber auch nicht richtig vermittelt. Der Erfolg steht im Vordergrund. Dabei wäre es wichtig, diese jungen Spieler auch für ein Leben nach dem Fußball zu schulen. Schließlich bleiben meist nur rund 15 Jahre, um ordentlich Geld zu verdienen.

Ihr Mitspieler Ilkay Gündogan hat während des Übergangs zu den Profis parallel das Abitur gemacht. Sie waren damals sein Teamkollege. Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?

Diekmeier: Nein, das war mir gar nicht so bewusst. Ich weiß nur, dass Ilkay schon damals das gewisse Etwas hatte. Jeder wusste, dass aus ihm mal ein ganz großer Star werden würde, obwohl er zu dem Zeitpunkt noch ein wenig hintendran war.

Diekmeier: Das war mein härtester Gegenspieler

Wer war Ihr bester Mitspieler in Ihrer Karriere?

Diekmeier: Da hatte ich wirklich einige und mir fällt es schwer, nur einen zu nennen. Als Stürmer war Ruud van Nistelrooy eine echte Erscheinung, auch wenn er nicht mehr ganz auf dem Höhepunkt seiner Karriere war. Rafael van der Vaart hat im ersten Training gleich Bälle aus dem Stand verteilt, da gingen einem die Augen auf. Oder ein Ze Roberto, der in jeder Hinsicht ein echtes Vorbild war. Auch oder vor allem im Alter.

Und wer war Ihr unangenehmster Gegenspieler?

Diekmeier: Ganz klar Franck Ribery. Was der mit einem gemacht hat, das war schon hart. Seine schnellen Richtungs- und Tempowechsel. Das ist ungemein schwierig zu verteidigen. Aber deshalb hat es mir immer besonders Spaß gemacht, gegen ihn zu spielen.

Wer war Ihr Vorbild als Kind?

Diekmeier: Das war Thierry Henry. Ich mochte seine Schnelligkeit und die Art, wie er die Tore geschossen hat. Ich war damals ja auch Außenstürmer. Bis Mirko Votava mich in der U19 von Werder Bremen dann nach hinten rechts verschoben hat. Ich wusste erst gar nicht, wo ich hinzulaufen habe, aber dann wurde es immer besser.