Nagelsmann begründet außerdem ausführlich, warum ihn Thomas Tuchel am meisten geprägt hat. Dazu beschreibt er, wie sich Jürgen Klopp weiterentwickelt und was ihn bei Pep Guardiolas Barca-Zeit besonders beeindruckt hat.

Auch ein Thema: seine ehrliche Art. Nagelsmann verrät, warum er immer sagt, was ihm in den Kopf kommt und was das für seine Spieler bedeutet.

Herr Nagelsmann, wie würden Sie Ihre erste Saison bei RB Leipzig bis zum jetzigen Zeitpunkt einordnen?

Julian Nagelsmann: Grundsätzlich läuft es gut. Es war keine ganz einfache Situation für mich, weil ich in einen bereits sehr erfolgreichen Klub gekommen bin und eine bereits sehr erfolgreiche Mannschaft übernommen habe. Es ist nicht leicht, in ein so funktionierendes Gebilde zu kommen und mit einer klaren Art und Weise dann einige Dinge anders machen zu wollen. Auch Neues installieren zu wollen. Meine Spieler haben es relativ schnell angenommen, im Trainerteam war es dagegen ein etwas längerer "Kampf". Da musste ich noch mehr Überzeugungsarbeit leisten.

Weil es ja eben vorher schon gut lief.

Nagelsmann: Ja, das ist ja auch normal. Wenn etwas gut läuft, wird zuerst immer hinterfragt, warum jetzt plötzlich Dinge verändert werden sollen. Mir war es immer wichtig, die Haupttugenden zu behalten und darauf aufbauend oben noch Elemente draufzupacken. Das haben wir über weite Strecken gut hinbekommen. Wenn uns jemand vor einem Dreivierteljahr die aktuelle Situation angeboten hätte, hätten wir das sicher unterschrieben. Auch wenn wir uns das Abschneiden im DFB-Pokal anders vorgestellt hätten. Aber generell stimmt die Entwicklung und wir können recht zufrieden sein bis hierhin - ohne uns jetzt auf die faule Haut zu legen.

Julian Nagelsmann: "Ich gebe den Spielern viel neuen Input, über den sie erst einmal nachdenken müssen"

Wie wichtig war für Sie die Winterpause in der Hinsicht, dass Sie mehr Zeit für intensive Trainingsarbeit hatten?

Nagelsmann: Die Phasen, in denen wir ein bisschen mehr trainieren können wie zuletzt auch in der Vorbereitung auf die Rückrunde, bringen immer eine gewisse Unruhe in die Mannschaft. Ich gebe den Spielern viel neuen Input, über den sie erst einmal nachdenken müssen. Es ist ungewohnt für sie und bringt die eigentlich stabile Struktur zwischenzeitlich ins Wanken. Das hat auch damit zu tun, dass wir sehr viele junge Spieler in unseren Reihen haben, denen es an Erfahrung mangelt. Wir mussten auch mit der tabellarischen Konstellation und der medialen Berichterstattung darüber klarkommen. Nicht viele Spieler bei uns kennen es, als Tabellenführer der Gejagte zu sein. Und ich als Trainer kenne es auch nicht. Damit mussten wir lernen umzugehen - das hat uns ein paar Prozentpunkte gekostet. Aber wie gesagt: Wir sind auf einem guten Weg und dass wir Wellentäler durchschreiten müssen, ist angesichts des jungen Kaders und der neuen Spieler nur normal.

Jetzt haben wir über die Entwicklung der Mannschaft gesprochen. Wie haben Sie sich denn persönlich zurechtgefunden in der neuen Umgebung Leipzig?

Nagelsmann: Man entwickelt sich immer mit neuen Aufgaben. In Hoffenheim habe ich zuvor eine ganz andere Situation erlebt. Dort habe ich einen sehr unerfolgreichen Verein übernommen und hatte ein Trainerteam an der Seite, das mir aus der Hand fraß. Mit Menschen, die ich teilweise seit Jahren schon aus der Jugend kannte. Hier habe ich viele Mitarbeiter, die ich vorher noch nie gesehen hatte. Da entwickelt man sich automatisch weiter. Du musst mehr Gespräche führen und diese auch ganz anders führen. So erhöht sich auch immer der Erfahrungsschatz, sodass man Dinge anders bewerten kann und daran auch wieder wächst. Als Typ bin ich aber nicht großartig anders geworden oder habe mich in eine spezielle Richtung entwickelt.

Und inhaltlich? Gibt es da Unterschiede?

Nagelsmann: Inhaltlich sind die Themen nahezu identisch zu meiner Hoffenheim-Zeit. Ich habe eine Mannschaft vorgefunden, die defensiv schon sehr weit war und sehr viel richtig gemacht hat. Dort musste ich nicht mehr so viel Arbeit reinstecken. Es ging eher darum, das vorhandene auszubauen und in der Offensive neue Ideen reinzubringen.

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Julian Nagelsmann über das Thema Spieleröffnung bei RB Leipzig

Sie waren Herbstmeister und liegen aktuell auf Rang zwei. Unabhängig davon: Wie nahe ist RB Leipzig für Sie an einem echten Spitzenteam?

Nagelsmann: Wir sind noch zu vielen Schwankungen unterlegen, um wirklich ein Spitzenteam darzustellen. Das gilt sowohl für die Leistungen von Woche zu Woche als auch innerhalb eines Spiels. Spitzenteams schaffen es größtenteils, über 90 Minuten eine Top-Leistung abzurufen. Das gelingt uns nicht immer. Wir haben mal 20 sehr gute Minuten drin, dann aber auch mal wieder 20 sehr träge Minuten. Da brauchen wir noch Zeit, um unsere Idee von Fußball innerhalb eines Spiels und Woche für Woche auf den Platz zu bekommen. Erst dann sind wir eine wirkliche Spitzenmannschaft. Vom Potenzial her sind wir es, aber Potenzial beschreibt immer Dinge, die nicht immer zu sehen sind, sondern im Verborgenen schlummern und irgendwann ans Tageslicht kommen. Wir haben immer mal wieder sichtbare Potenziale auf dem Feld, die eines Topteams würdig sind. Aber eben nicht immer, was allerdings in der Natur der Sache liegt, wenn wir wieder unsere Kaderstruktur und die fehlende Erfahrung einbeziehen.

Was haben Sie aus dem Spiel bei den Bayern diesbezüglich mitgenommen?

Nagelsmann: Generell müssen wir uns in Spielen gegen die Topteams fußballerisch noch verbessern. Wir haben es gegen die Bayern defensiv über weite Strecken gut gemacht, aber gerade in der ersten Halbzeit hätten wir einige Situationen fußballerisch besser lösen können. Da gab es viele Momente, in denen die Bayern nicht gnadenlos gut angelaufen sind und sich uns viele Räume geboten hätten. Da fehlen uns noch ein paar Prozentpunkte. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir erst seit acht Monaten zusammenarbeiten und dass das Thema Spieleröffnung in Leipzig vorher nahezu kein Thema war und wenig trainiert wurde. Das ist gar kein Vorwurf, es ist einfach ein Fakt. Auch deshalb brauchen wir da noch Zeit. Wenn es heißt, dass man etwas 10.000 Stunden trainieren muss, bis es funktioniert, sind wir von diesen 10.000 Stunden leider noch weit weg.

Sie sagen, dass RB noch Zeit braucht. Wie lange wird es dauern, bis man mit den Großen konstant mithalten kann?

Nagelsmann: Wir müssen gesund wachsen, das ist der entscheidende Punkt. Am Beispiel von Dani Olmo sieht man zwar, dass wir einige Transfers tätigen können, die andere Vereine nicht machen können. Aber von Bayern und Dortmund sind wir finanziell gesehen dennoch meilenweit entfernt. Wir müssen im nächsten Schritt mit Überzeugung jedes Jahr die Champions League erreichen. Und wir dürfen vor allem nicht den Fehler machen, den andere Vereine in der Vergangenheit häufiger gemacht haben. Nämlich ein Jahr lang über seine Verhältnisse zu leben und dann im nächsten Jahr abzustürzen - dann bricht alles in sich zusammen. Bayern und Dortmund sind globale Player, wir sind dagegen ein sehr junger Verein. Natürlich können wir noch nicht mit Vereinen mithalten, die seit Jahrzehnten am Markt sind.

Hat man den Unterschied jetzt auch am Transfer von Erling Haaland nach Dortmund gesehen?

Nagelsmann: In gewisser Weise ja. Auch da konnten wir nicht mithalten. Ich glaube nicht, dass Haaland in Dortmund sportlich die so viel größere Perspektive gesehen hat. Auch wenn er beim BVB auf seiner Position vielleicht weniger Konkurrenz hat, als er das bei uns gehabt hätte. Die Frage wird sein, wann wir hier eines Tages mithalten können? Ich bin jemand, der es total respektiert und akzeptiert, dass wir für einen Spieler nicht unsere Gehaltsstruktur über den Haufen werfen können. In Hoffenheim habe ich das ja noch in viel extremerem Maße erlebt.

Julian Nagelsmann: "Ich denke nicht, dass es einen klassischen Favoriten gibt"

Also schießt Geld doch Tore?

Nagelsmann: Geld schießt keine Tore, aber es erleichtert die Sache schon ein bisschen. Nehmen wir jemanden wie Thomas Müller bei den Bayern. Der hat so viele Bundesliga-, CL-, WM- oder EM-Spiele auf dem Buckel - diese Erfahrung kannst du nicht kaufen. Das betrifft unsere Spieler genauso wie mich. Du musst aber diese Erfahrungen machen, um Schlüsse daraus ziehen zu können. Wir werden einige Jahre brauchen, um eventuell auf ein ähnliches Niveau kommen zu können. Und ob wir es dann jemals schaffen, steht auch in den Sternen. Wir können keinen Thiago oder Coutinho holen. Deshalb müssen wir etwas andere Wege gehen. Für uns wird weiterhin der Schlüssel sein, dass wir bei Transfers größtenteils richtige Entscheidungen treffen. Das ist die Basis.

Was wird die Basis für ein erfolgreiches CL-Achtelfinale gegen Tottenham?

Nagelsmann: Wir werden auch gegen Tottenham versuchen, unseren Stil aufs Feld zu bringen. Wir werden uns nicht hinten einigeln und auf das Beste hoffen. Wir sehen uns nicht klar schlechter als Tottenham. Die Spurs haben in puncto Qualität der Einzelspieler vielleicht einen kleinen Vorteil, aber sie haben in dieser Saison auch nicht den stabilsten Eindruck gemacht. Wenn wir unsere Unbekümmertheit auf den Platz bekommen, haben wir auch eine Chance weiterzukommen. Unsere Jungs werden gierig sein, das Viertelfinale zu erreichen. Ich denke nicht, dass es einen klassischen Favoriten gibt. Es ist ein 50:50-Duell, bei dem es zweimal auf die Tagesform ankommen wird. Wichtig wird für uns auch sein, dass wir das Hinspiel nicht isoliert betrachten. Natürlich hat das Hinspiel-Ergebnis einen großen Einfluss auf das Rückspiel, aber wir müssen uns schon vorher genauer überlegen, wie wir beide Spiele angehen wollen.

Champions League: Die Achtelfinal-Hinspiele in der Übersicht

Datum Uhrzeit Heim Gast Übertragung 19. Februar 2020 21 Uhr Atalanta Bergamo FC Valencia DAZN 19. Februar 2020 21 Uhr Tottenham Hotspur RB Leipzig Sky 25. Februar 2020 21 Uhr FC Chelsea FC Bayern München Sky 25. Februar 2020 21 Uhr SSC Neapel FC Barcelona DAZN 26. Februar 2020 21 Uhr Olympique Lyon Juventus Turin Sky 26. Februar 2020 21 Uhr Real Madrid Manchester City DAZN

Jose Mourinho ist seit November Spurs-Cheftrainer. Wie sehr hat er Sie denn beeinflusst?

Nagelsmann: In seiner Zeit bei Porto hat er mich schon sehr geprägt. Da hat er mit Deco und Co. einen außergewöhnlich guten Fußball spielen lassen, auch einen Tick offensiver als die Jahre danach. Wie er damals mit einem Team, das zwar in Portugal eine große Nummer ist, aber im europäischen Vergleich nicht der größte Klub ist, erst den UEFA-Cup und ein Jahr später gegen Monaco die Champions League gewonnen hat, war sehr beeindruckend. Damals war er auch noch ein sehr junger Trainer, der vorher selbst kein großer Spieler war und so ein bisschen einen ähnlichen Werdegang wie ich hatte. Das war für mich spannend zu sehen und da habe ich mir auch ein paar Dinge abgeschaut. Er war ja auch danach bei all seinen Stationen gerade international erfolgreich. Du hast in allen Spielen gemerkt, dass er einfach weiß, wie man diese K.o.-Spiele gewinnt. Da fiel das Siegtor in der 93. Minute und man hatte das Gefühl, es sei irgendwie geplant gewesen. Mourinho ist für mich ein extremer Ergebnistrainer, dem es wenig um Glamour auf dem Platz geht. Er stellt das Ergebnis über alles und wenn du damit so viele Titel holst, ist das sicher kein verkehrter Weg.

Julian Nagelsmann: Deshalb kann ich von Liverpool wenig übernehmen

Wie viel kann man sich von den großen Trainern abschauen und gleichzeitig seinen eigenen Stil finden?

Nagelsmann: Es ist nicht ganz einfach, Sachen zu adaptieren, weil du immer andere Spieler hast. Wenn ich an Liverpool denke: Die Reds gewinnen aktuell jedes Spiel, aber ich kann wenig übernehmen, weil ich diese zwei klassischen Konterstürmer und den einen, der dazwischenschwimmt, gar nicht habe. Du kannst und musst aber auch nicht Dinge 1-1 kopieren. Du solltest als Trainer dann auch irgendwann das nötige Selbstvertrauen haben, eine eigene Idee zu haben. Aber dennoch lohnt es sich, immer über den Tellerrand hinauszuschauen.

Worauf achten Sie, wenn Sie sich Spiele anschauen?

Nagelsmann: Wenn ich mir Spiele anschaue, bewerte ich grundsätzlich nur die Attraktivität. Auch wenn ich wahrscheinlich oft auch die Taktik einschätzen könnte, scheue ich mich davor, weil mir der tiefe Einblick fehlt und nicht weiß, was ein Klopp von seiner Mannschaft in dem Spiel genau verlangt hat.

Was denken Sie generell über die Entwicklung, die Liverpool unter Klopp genommen hat?

Nagelsmann: Auch Klopp hat sich enorm weiterentwickelt. Es gibt zwar immer noch den überfallartigen Fußball, der ihn auszeichnet. Aber inzwischen entsteht dieser oft auch aus dem Ballbesitz heraus. Und nicht nur aus der Balleroberung wie früher. Diesen reinen Umschaltfußball a la Klopp gibt es nicht mehr. Es kann ihn auch gar nicht mehr geben, weil viele Gegner gegen Liverpool im 5-4-1 20 Meter vor dem eigenen Tor stehen - da gibt es keine Räume zum Umschalten.

Wir haben über Klopp und Mourinho gesprochen, aber noch nicht über Guardiola. Wie haben Sie seine Zeit in Barcelona in Erinnerung?

Nagelsmann: Als Pep in Barcelona diesen unglaublich attraktiven und facettenreichen Fußball spielen ließ, mit diesem genialen Ballvortrag, wurde immer viel über Barcas Spiel mit dem Ball geschrieben und erzählt. Aber der eigentliche Wahnsinn war das Gegenpressing. Die meisten Gegner haben den Ball nie länger als fünf Sekunden gehabt, dann ist die Walze über sie drübergerollt. Dann war es fußballerisch natürlich überragend, aber der Schlüssel war das Gegenpressing.

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Julian Nagelsmann: "Das hat Tuchel komplett anders gemacht"

Guardiola, Mourinho, Klopp: Welcher Trainer hat Sie am meisten geprägt?

Nagelsmann: Keiner der drei. Am meisten hat mich Thomas Tuchel geprägt. Aus dem einfachen Grund, dass er mein eigener Trainer und der Austausch so viel intensiver war. Bei ihm kann ich ganz anders bewerten, wie er wirklich denkt und tickt. Aber es gibt sicher große Parallelen zu Pep Guardiolas Fußballidee. Dominanz in allen Phasen des Spiels - das wäre wohl die große Überschrift dafür. Einfacher ausgedrückt: Es geht um ein Bewusstsein dafür, dass es im Fußball nicht nur um Umschalten, nicht nur um Balleroberung, nicht nur um Ballbesitz geht. Es geht um einen ganzheitlichen Ansatz und darum, in allen Phasen Lösungen zu entwickeln. Bei Tuchel habe ich selbst erlebt, welche Übungen er im Training gemacht hat - das hat mich geprägt. Da habe ich auch eine ähnliche Herangehensweise. Bei mir gibt es auch verschiedene komplizierte Übungen und ich folge nicht der klassischen Trainingslehre und ihrem linearen Aufbau. Aufwärmen, Passspiel, Torschuss, Spielform. Das hat Tuchel komplett anders gemacht. Ich möchte auch im Training ein Spiel abbilden. Und im Spiel läuft es eben nicht so, dass du erstmal locker reinkommst. Da kann es sein, dass du in der ersten Minute schon total gefordert bist und da sein musst.

Wir haben sehr viel über Trainer gesprochen, die wir alle in die Kategorie Top-Trainer einordnen würden. Guardiola hat jetzt selbst gesagt, dass er sich nicht als den besten Trainer sehen und ohne ein Team wie City auch nicht gewinnen würde. Sehen Sie sich selbst schon als Top-Trainer?

Nagelsmann: Grundsätzlich sollten das besser andere beurteilen. Ich würde mich aber schon als guten Trainer bezeichnen. Zu einem Top-Trainer gehört für mich mehr als nur die reine Fußballlehre. Da gehört Empathie dazu, da gehört es dazu, dass du vor einer Gruppe sprechen kannst, dass du mit den Medien umgehen kannst - das musst du alles können. Ich würde mich, was das angeht, nicht als blind beschreiben, aber zu einem Top-Trainer gehören dann auch vor allem Titel. Und die habe ich noch nicht vorzuweisen. Außer den U19-Meistertitel mit Hoffenheim. (lacht) Ich sehe mich auf keinen Fall auf einer Stufe mit Klopp, Guardiola oder Mourinho. Aber ich bin auch noch ein junger Trainer. Mein Ziel ist es, ein sehr guter Trainer zu werden und Titel zu gewinnen. Ob ich dann ein Top-Trainer bin, können wie gesagt dann gerne andere bewerten. Und was Pep angeht: Das ist natürlich ehrenhaft von ihm. Die Frage wäre ja, ob er mit Hoffenheim Meister geworden wäre? Das wäre auf jeden Fall interessant zu sehen.

Julian Nagelsmann: "Ich sage, was mir in den Kopf kommt"

Sie haben schon mehrfach betont, wie wichtig die Menschenführung als Trainer ist. Zuletzt sind Sie mit Ihren kritischen Aussagen nach der Niederlage in Frankfurt in die Schlagzeilen geraten. Wie kalkuliert sind Sie in dem, was Sie wann sagen?

Nagelsmann: Ganz ehrlich: Ich überlege mir gar nichts. Ich sitze nicht in Frankfurt in der Trainerkabine und überlege mir, was ich jetzt auf der Pressekonferenz erzähle. Mir ist auf der Treppe spontan die Metapher mit dem Gipfel eingefallen, also habe ich sie erzählt. Ich verbringe drei Viertel meiner Lebenszeit mit meinem Beruf als Fußballtrainer. Wenn ich mich in dieser Zeit auch noch verstellen und ein Schauspiel aufführen müsste, wäre das sehr mühsam und anstrengend. Dann wäre ich auch nicht mehr der glückliche Mensch, der ich bin. Und darauf habe ich keine Lust. Also sage ich, was ich denke.

Sie haben auch mal gesagt, dass Silvester ein schwachsinniges Festist.

Nagelsmann: Das war genau das Gleiche. Ich sage, was mir in den Kopf kommt. Einige Menschen werden das gut finden, andere nicht. Das Fundament ist Ehrlichkeit. Und Ehrlichkeit ist ein großer Teil von Menschenführung. Ich habe meinen Spielern vor der Saison gesagt, dass ich auch extern ein reelles Abbild geben will. Das heißt natürlich nicht, dass ich 1:1 alles nach außen gebe, aber ich bin ein großer Freund davon, auch gegenüber den Medien ehrliche Einschätzungen abzugeben. Das fliegt mir dann manchmal um die Ohren, aber über einen längeren Zeitraum führt es hoffentlich dazu, dass die Medien die Dinge besser einordnen können und ehrlicher berichten. Wenn wir wie in München in der 93. Minute den Ball nicht ins Aus donnern, sondern noch den Konter fahren, weil wir das Spiel gewinnen wollen, dann sage ich das. Weil es ein Zeichen von Siegeswillen und Mentalität ist. Und wenn wie in Frankfurt etwas nicht gut ist, sage ich es auch.

Erwarten Sie diese Ehrlichkeit auch von Ihren Spielern?

Nagelsmann: Auf jeden Fall. Wenn Spieler eine Trainingsform scheiße finden, dürfen sie das gerne sagen. Wenn man sehr direkt ist, muss man als Trainer auch mal mit dem entsprechenden Echo klarkommen. Wenn ich einen Spieler auf dem Feld kritisiere und dieser zurückmault, bin ich auch niemand, der den Spieler dann zwei Wochen lang suspendiert und zu einer Geldstrafe von 10.000 Euro verdonnert. Auf der anderen Seite falte ich auch nicht jede Woche einen Spieler zusammen. Wenn wir gut trainieren und spielen, sollte es dafür auch nicht so oft Anlass geben.