Corona bestimmt nicht nur den Lebens-, sondern auch den Sportalltag. Haben Sie sich an alle Regeln gewöhnt?
HERWIG STRAKA: Das ist schwierig, weil sich die ständig ändern. Man muss ein gesundes Maß an Hausverstand mitbringen, um diese Regeln auch umzusetzen. Egal, ob Vorschrift oder nicht, man muss gewisse Prinzipien einhalten – im täglichen Leben und bei Veranstaltungen. Und gewisse Regeln werden uns auch nach einer Impfung weiter begleiten. Insofern ist es ein Anpassen und Lernen.

Sportveranstalter in Österreich haben einen Hilferuf ausgesandt. Wie ist die momentane Lage?
HERWIG STRAKA:Nehmen wir die Erste Bank Open als Beispiel. Mit Stand heute werden wir das Turnier mit einer gewissen Kapazität an Zuschauern austragen können. Aber sicher ist das nicht, das wird im Winter mit Highlights wie Kitzbühel nicht anders. Wir haben uns mit Veranstaltern, Messen und Kongressen zusammengeschlossen, wir alle brauchen eine Art Schutzschirm. Momentan dürfen wir nichts veranstalten. Wenn wir dann dürfen, können wir nicht, weil jede Veranstaltung eine Vorlaufphase von einem halben bis Dreiviertel-Jahr benötigt. Das ist der sichere Tod der meisten Veranstaltungen. Aber das Volk will Brot und Spiele. Daher wollen wir unter einer Art Schutzschirm mit den Vorbereitungen starten. Sollte wirklich noch ein Lockdown kommen, dann müssen zumindest unsere Kosten ersetzt werden. Sonst wird es schwierig.

Wie stehen die Verhandlungen?
HERWIG STRAKA:Die Gespräche mit der Politik sind sehr konstruktiv, aber es ist noch nichts zu Papier gebracht. Wichtig ist: Gibt es keinen Lockdown, gibt es Veranstaltungen, dann kostet diese Lösung die Regierung nichts. Es ist also eine Art Versicherung.

Wie planen Sie ohne Gewissheit für die Erste Bank Open?
HERWIG STRAKA: Ab 1. September kommt eine neue Verordnung, die eine Maximalkapazität von 5000 Personen erlaubt. Da könnten wir in der Stadthalle sogar hinkommen. So planen wir auch, mit einem 40-seitigen Covid-19-Konzept. Denn natürlich hat die Gesundheit der Zuschauer oberste Priorität. Klar ist: Ohne Publikum würde es keine Erste Bank Open geben. Außer es gibt eine Unterstützung von der Regierung – so wie bei der Formel 1.

Wird gespielt, könnte es das bestbesetzte Wien-Turnier aller Zeiten werden, oder?
HERWIG STRAKA: Absolut. Es kann sein, dass heuer ein Nadal oder ein Djokovic in Wien aufschlägt. Paradox ist, dass wir deshalb trotzdem nicht mehr Zuschauer in die Halle bekommen. Das tut einem Veranstalter natürlich extrem weh.

Dass in New York gespielt wird, erachten Sie als richtig?
HERWIG STRAKA: Der amerikanische Tennisverband USTA ist in seinen Corona-Maßnahmen so rigoros, dass man sich kaum Sorgen machen muss. Zudem geht es dort um viele Punkte, viel Preisgeld und die Möglichkeit, wieder zu spielen. Der Protest der Spieler wegen der Einschränkungen war kurz, sie müssen sich wie alle anderen den Gegebenheiten anpassen. Geht alles gut, kann New York als gutes Beispiel für die Turniere im Herbst dienen.

Wie wichtig sind die Zuschauer für die ATP?
HERWIG STRAKA: Sport ohne Zuschauer ist kein Sport, wie man ihn konsumieren möchte. Auch wenn man sich an Geisterspiele im Fußball mittlerweile gewöhnt hat. Aber wenn man zu lang vom Live-Erlebnis Abstand nimmt und den Sport auf digitale und lineare Medien verlegt, sehe ich die Gefahr, dass die Begeisterung für den Livesport abflauen könnte. Außerdem leben und lieben die Sportler Livepublikum.

Wie hat Dominic Thiem das abrupte Saisonende verdaut? Wie haben Sie als Manager ihn dabei unterstützt?
HERWIG STRAKA: Es ist bewundernswert, wie resistent Dominic gegenüber Einflüssen von außen ist. Er ist mit der Situation sehr gut zurechtgekommen, hat die Akkus aufgeladen. Dann hat er gut trainiert, gute Vorstellungen bei Exhibitions gegeben. Aber was zählt, sind die Turniere. Die frühe Niederlage beim Cincinnati-Masters war auf alle Fälle ein Schuss vor den Bug. Hoffen wir auf den Spruch: Schlechte Generalprobe, gute Vorstellung.

Und er hat sichtbar an Muskelmasse zugelegt. Sind Sie in solche Entscheidungen eingebunden?
HERWIG STRAKA: Man spricht natürlich über alles, aber das ist Sache der sportlichen Führung. Wenn man unkontrolliert und zu schnell Muskelmasse aufbaut, kann die Koordination leiden. Aber in der Pause war genügend Zeit, sein Spiel leidet nicht darunter.

Wo steht die Marke Dominic Thiem weltweit? Kann er zu den „Big Four“ hinschnuppern?
HERWIG STRAKA: Sportlich ist er auf gutem Weg dorthin, aber zu einem absoluten Superstar gehört viel. Der sportliche Erfolg, die Persönlichkeit, aber auch der Heimmarkt. Das ist in Österreich ein kleines Manko. Wäre Boris Becker Österreicher gewesen, wäre sein Ruhm wohl nicht so groß. Ob Dominic jemals Super-Superstar wird, kann man nicht sagen. In der Weltsportart Tennis ist er international aber definitiv eine relevante Größe. Er ist weltweit bevorzugter Interviewpartner, bei Fans gefragt. Es geht in kleinen Schritten nach oben.

Auf die US Open folgen die French Open. Ist ihm Paris wichtiger als New York?
HERWIG STRAKA: Dominic sagt nicht, dass er die French Open lieber als die US Open gewinnen würde. Er will jedes Spiel gewinnen und würde in New York das Finale oder den Titel natürlich sehr gerne mitnehmen. Im Gegensatz zu Nadal priorisiert er Paris nicht.

Ist es für Thiem ein Nachteil, dass sich Nadal voll auf die French Open konzentriert?
HERWIG STRAKA: Das glaube ich nicht. Die Beläge werden immer ähnlicher, Jetlag wird es auch keinen geben. Die Frage ist, wie weit er in New York kommt, wie intensiv er die Woche dazwischen spielt.

Die Weltrangliste sorgt derzeit weltweit für Verwirrung. Können Sie Licht ins Dunkel bringen?
HERWIG STRAKA: Wir sind vom 1. Jänner 2021 ausgegangen – ab da soll jedes aktuelle Ergebnis wieder das alte ersetzen. Derzeit ist es so, dass im Jahr 2020 nur die Turniere, die gespielt werden, gewertet werden. Und das auch nur, wenn das neue Ergebnis besser als das aus dem Jahr 2019 ist. Das war die einfachste Lösung.

Novak Djokovic ist in den vergangenen Wochen mehrmals negativ in die Schlagzeilen geraten. Wie geht die ATP damit um? Immerhin ist er als Nummer eins der Welt das Aushängeschild der Tour schlechthin.
HERWIG STRAKA: Da ist die Situation anders als etwa im Fußball: Dort sind alle Spieler angestellt, haben ein Dienstnehmer-ähnliches Verhältnis und damit auch gewisse Pflichten. Sie dürfen etwa nichts gegen ihre Dienstgeber sagen. Das ist im Tennis anders. Da kann jeder seine Meinung äußern – und klarerweise werden die Stimmen eines Djokovic oder Nadal mehr gehört als die der Nummer 200.

Wie groß ist der Verlust für die Weltsportart Tennis durch die Coronakrise?
HERWIG STRAKA: Für unsere Veranstaltungsfirma sind heuer in Deutschland zwei Herren- und ein Damenturnier ausgefallen. Da ist der Umsatz von geplanten 15 Millionen Euro auf fast null gefallen. Das unterscheidet die Eventbranche auch von vielen anderen. Die Gastronomie wurde auch empfindlich getroffen, doch in dem Moment, wo sie aufsperrt, hat sie 60 Prozent Kapazität. Wir haben null. Wenn die Erste Bank Open stattfinden dürfen, werden wir aufgrund der geringeren Einnahmen bei Eintrittsgeldern ein Minus von 20 bis 30 Prozent schreiben. Das wäre für ein Jahr zu verkraften – dank eines guten Jahres 2019, dank treuer Sponsoren.

Nochmals zurück zu Ihrem Schützling: Thiem wurde während der Coronakrise öfter in weiblicher Begleitung beim Essen gesichtet. Inwieweit wissen Sie über solche Dinge Bescheid?
HERWIG STRAKA: Überhaupt nicht – das ist das Privatleben von Dominic. Gott sei Dank. Mit wem er essen geht und mit wem er ein besseres oder schlechteres Verhältnis pflegt, ist seine Sache. Außerdem ist er aus dem vergangenen Jahr selbstbewusster und als gestärkte Persönlichkeit hervorgegangen, trifft jetzt vermehrt eigene Entscheidungen. Wir haben etwa in seinem Marketingumfeld viel weitergebracht, weil auch er sich sehr stark eingebunden hat. Das wäre früher in einem laufenden Turnierjahr nicht möglich gewesen. Das gibt Dominic zusätzliche Selbstsicherheit und ist wichtig für seine persönliche Entwicklung.