Sie haben mit einer kurzen Unterbrechung Novak Djokovic seit 2009 als Fitnesscoach begleitet. Warum ist es nun zur Trennung gekommen?
GEBHARD GRITSCH: Die ist von mir ausgegangen. Ich habe im April offiziell gekündigt, Novak aber zugesagt, noch bis nach Wimbledon mit ihm zusammenzuarbeiten. Und mittlerweile hat er mit Marco Panichi auch einen Ersatz gefunden. Ich war nach zehn Jahren einfach müde vom vielen Reisen und dem vielen Stress. Es ist nicht einfach: Wenn du mit Novak zusammenarbeitest, musst du jede Minute voll konzentriert und stets bereit sein, man ist immer am Limit. Jetzt ist es an der Zeit, nach so vielen Jahren etwas anderes zu machen.

Wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?
GRITSCH: Ich habe bereits ein anderes Angebot – allerdings nicht im Tennisbereich. Obwohl ich mir sehr gut vorstellen könnte, im Tennis zu bleiben. Dann allerdings im Consulting-Bereich. Außerdem stehe ich ja nach wie vor mit Novak in Kontakt. Er meldet sich, wenn er was braucht.

Mit Ihrem Wissen und Ihrer Erfahrung wären Sie sicher auch ein Thema für Dominic Thiem.
GRITSCH: (lacht) Er hat mit Duglas Cordero einen sehr guten Fitnesscoach. Ein netter, cooler Typ, der auch frischen Wind hineingebracht hat. Außerdem, wenn etwas gut funktioniert, soll man auch bei seinen Leuten, bei seinem Team, bleiben.

Trauen Sie Thiem zu, die Nummer eins der Welt zu werden?
GRITSCH: Er hat die Voraussetzungen, die Chance ist auf alle Fälle da. Er muss nur noch die Balance zwischen Aktivität und Erholung finden. Er muss ausloten, wo seine Grenzen liegen und das richtige Gefühl dafür finden, wann er sich wie lange auf welche Turniere vorbereitet und wann er Pausen einlegt.

Eine von Thiems größten Schwächen ist seine Anfälligkeit für Infekte ...
GRITSCH: Das Leben als Tennisprofi kann brutal sein. Vor allem das viele Fliegen und die Jetlags. Da sitzt du neun Stunden im Flieger und musst zwei Stunden später zum Trainieren auf dem Tennisplatz stehen. Es hat schon viele Toptalente gegeben, deren Körper das viele Reisen und die Umstellungen nicht verkraftet haben und daran zerbrochen sind. Die Großen Drei (Djokovic, Nadal, Federer, Anm.) können ihre Körper hingegen bestens darauf einstellen. Das ist aber auch genetisch bedingt.

Trotz ihres vorangeschrittenen Alters dominieren Djokovic, Rafael Nadal und der bereits 38-jährige Roger Federer die Tennisszene nach wie vor nach Belieben. Wie geht das?
GRITSCH: Eine entscheidende Rolle spielen die Physiotherapeuten. Früher waren die Spitzenspieler meistens mit 30 Jahren körperlich bedient, heute gibt es eine Vielzahl an Regenerationsmaßnahmen, mit denen man kleine Wehwehchen gut in den Griff bekommt. Außerdem hat sich Tennis zu einer Präzisionssportart entwickelt. Du musst absolut fehlerfrei spielen können – Djokovic, Federer und Nadal sind extreme Arbeiter, trainieren mehrere Stunden täglich und können damit auch erste körperliche Schwächen, die im Alter auftreten, kompensieren.