Am 7. November 2016 musste Novak Djokovic nach 122 Wochen an der Spitze der Weltrangliste (die viertlängste ununterbrochene Regentschaft der Geschichte) das Tennis-Zepter an Andy Murray abtreten. Einen Monat später trennte sich der Serbe von seinem Star-Trainer Boris Becker, im Frühjahr 2017 mussten auch sein Langzeitcoach Marian Vajda sowie der österreichische Fitnesstrainer Gebhard Gritsch die Koffer packen.

Die folgenden Betreuer-Experimente mit Andre Agassi und Radek Stepanek waren ein Schuss in den Ofen, die Nähe zum umstrittenen „Friedens-, Liebes- und Umarmungs“-Guru Pepe Imaz erst recht. Dazu gesellten sich im Juli 2017 noch eine Ellbogenverletzung (inklusive Operation im heurigen Februar), der tiefe Fall in ein Motivationsloch (laut eigenen Angaben hatte „Nole“ bereits vom Karriereende gesprochen) sowie eine handfeste Krise mit Ehefrau Jelena. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Novak Djokovic schlichtweg ausgebrannt, fertig, am Boden, nur noch ein Schatten seiner selbst war.

Umso beachtlicher die kaum noch für möglich gehaltene Auferstehung, die der 31-Jährige heuer feierte. Intensive Gespräche mit seiner Frau hätten seinem Leben neuen Sinn gegeben, ihm einen neuen Weg gewiesen, ein neues „Licht“ gezeigt. Im April holte der „Djoker“ das Gespann Vajda/Gritsch zurück (Vajda redete ihm auch eine weitere Zusammenarbeit mit Imaz aus) und schlagartig nahm der Serbe wieder erfolgreiche Tennis-Fahrt auf: Halbfinale in Rom, Viertelfinale in Roland Garros und Finale in Queen’s, ehe er seinen vierten Wimbledon-Titel holte.

Triumphe in Wimbledon und New York

Das Bravourstück auf dem „Heiligen Rasen“ war aber nur Auftakt herausragender Erfolge. Mit seinem Sieg in Cincinnati schaffte es Djokovic als erster Tennisspieler, bei allen neun Masters-Turnieren zumindest einmal gewonnen zu haben. Als Draufgabe folgten der dritte Triumph bei den US Open – sein 14. Grand-Slam-Ttriumph – sowie der Titel in Schanghai. Ein ungebrochener Siegestaumel mit logischer Folge: Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Abstieg wird „Nole“, der im Juni 2016 als erster Spieler die 100-Millionen-Dollar-Preisgeld-Grenze durchbrach, heute wieder den Tennis-Thron besteigen.

Eigentlich wollte Djokovic diesen emotionalen Schritt mit einem weiteren Titel, nämlich dem beim Masters-Turnier in Paris-Bercy, krönen. Doch da spielte Karen Chatschanow nicht mit. Der Russe, der im Halbfinale Dominic Thiem verabschiedet hatte, setzte sich am Sonntag im Endspiel gegen den vierfachen Rekordsieger 7:5, 6:4 durch. Für Djokovic war es die erste Niederlage nach 22 Siegen in Folge. Ein Dämpfer, den er verkraften wird. Beim ATP-Finale in London (ab 11. November) ist der Serbe jedenfalls großer Favorit.