Im stenografischen Protokoll der Nationalratssitzung vom 12. Dezember wird Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka so zitiert: „Ich darf jene Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag die Zustimmung erteilen, um ein Zeichen ersuchen. – Das ist einstimmig.“ Debatte beendet. Antrag einstimmig angenommen. Ein millionenschwerer Antrag, den der damalige Sportminister Heinz-Christian Strache und Finanzminister Hartwig Löger gestellt und den die Abgeordneten Tanja Graf (ÖVP) und Petra Steger (FPÖ) dann im Nationalrat eingebracht haben.

Es geht um die Judo-WM im September 2021 in Wien. Im Ministerantrag steht, dass diese zwölf Millionen Euro kosten wird, dass sie ein Leuchtturmprojekt der Sportstrategie Austria sei, dass die WM in 190 Ländern im Fernsehen zu sehen sei und dass 50 VVIPs kommen. Erst im letzten Absatz wird das Fördervolumen beschrieben: Drei Millionen Euro bringt der Judoverband ÖJV durch Eigenmittel auf, der verbleibende offene Teil wird vom Bund getragen. Pikantes Detail: Der Vertrag über die WM-Vergabe zwischen dem Judo-Weltverband IJF und dem ÖJV wurde nach Finanzierungszusagen bereits im Juli 2018 unterschrieben. Also Monate vor dem Nationalratsbeschluss. Und Heinz-Christian Strache durfte ebenfalls vor dem Beschluss im September 2018 im Rahmen der Judo-WM in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku verkünden, dass Wien 2021 WM-Ausrichter wird. Wobei es gar keine Abstimmung gab – Wien war der einziger Bewerber.

Strache ist aber nicht nur wegen der Judo-WM nach Baku geflogen, die Reise diente auch dem Knüpfen von Kontakten und einem Treffen mit Regierungsvertretern von Aserbaidschan um Präsident Ilham Alijew. Johann Gudenus war ebenso Teil der FPÖ-Delegation wie der freiheitliche Mandatar Markus Tschank, der nach dem Ibiza-Video mit dem Verein „Austria in Motion“ ins Visier der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gerückt ist. Tschank erklärte später ausdrücklich, dass der Verein keine Spenden für die Judo-WM erhalten habe. Das könne er „hundertprozentig ausschließen“.

Fünf Millionen Euro an Veranstaltungskosten

Spannend ist freilich auch die Frage, warum man für eine Judo-WM zwölf Millionen Euro benötigt. Sechs Millionen sind als Gebühr an den Weltverband abzuliefern, eine zusätzliche Million muss der Gastgeber für Preisgelder stemmen. Bleiben fünf Millionen an reinen Veranstaltungskosten, wie etwa für die Miete der Stadthalle.

Den Preis bestimmt der Internationale Verband. Besser gesagt, der Verbandschef. Der heißt Marius Vizer und ist seit 2007 im Amt. 1958 in Rumänien geboren, flüchtete er 1988 nach Ungarn und 1989 weiter nach Wien, wo er die österreichische Staatsbürgerschaft erhielt. Er ist einer der mächtigsten Sportfürsten weltweit und ein persönlicher Freund von Wladimir Putin, dem prominentesten Judoka des Planeten, den er zum IJF-Ehrenpräsidenten gemacht hat. Vizer befürwortete natürlich eine WM in Wien, Putin wäre selbst angereist. Wie auch Israels Premier Benjamin Netanjahu, der ein großer Fan von Sagi Muki ist, der im Oktober in Tokio als erster Israeli WM-Gold geholt hatte. Auch Chaltmaagiin Battulga, Mongolischer Präsident und Vorsitzender der Mongolischen Judo-Föderation, hätte Bundespräsident Alexander Van der Bellen in Wien begrüßen dürfen.

Die zweite Ratenzahlung blieb aus

Es bleibt beim „hätte“. Denn Vizer hat Österreich die WM 2021 wieder entzogen. Der heimische Verband hätte in Summe sechs Millionen Euro an den Weltverband überweisen müssen. Zwei Millionen sind im Jänner gezahlt worden, die zweite Rate, ebenfalls in Höhe von zwei Millionen Euro, wäre am 30. September fällig gewesen. Aber der Bund hielt das Geld zurück, weil Hans-Paul Kutschera, heimischer Verbandschef, Verpflichtungen gegenüber dem Sportministerium nicht nachgekommen war. Er hätte eine Absicherung für die drei Millionen Euro an Eigenmitteln und eine Dokumentation der Budgetentwicklung vorlegen müssen – konnte er nicht.

Kutschera war also nicht „flüssig“. Nach dem Rücktritt von Sportminister Strache hatte er in einer vertraulichen internen Mail sogar schon eine Rückabwicklung der WM prüfen lassen. Was prompt öffentlich wurde. Und worauf acht von zwölf Vorstandsmitgliedern des Verbandes zurücktraten. Bei der außerordentlichen Generalversammlung wurde Kutschera am Wochenende abgewählt, aber nicht entlastet. Schließlich ist unklar, was mit den zwei Millionen passiert, die bereits überwiesen wurden. Rainer Rößlhuber, Kabinettschef im Sportministerium, sagt: „Wir werden alles versuchen, um das Geld zurückzubekommen. Aber ohne ein blaues Auge wird es wohl nicht gehen.“