Felix Gall hat eine neue Sphäre: Der Berufsradfahrer aus Nußdorf-Debant hat die 17. Etappe der Tour de France nach 165 Kilometern und 5399 Höhenmetern gewonnen. "Es ist einfach unglaublich", sagte der 25-Jährige vom AG2R Citroën Team. "Das ist das größte Rennen der Welt und in einem französischen Team ist das doch noch einmal wichtiger und man spürt noch mehr Druck." Mit dem Sieg auf der Landebahn von Courchevel kletterte er in der Gesamtwertung auf den achten Platz.

Es war der sechste Etappensieg eines Österreichers in Frankreich. Max Bulla gelang das 1931 drei Mal, Georg Totschnig (2005) und Patrick Konrad (2021) gewannen je ein Mal. Dazu kommt noch ein Sieg von Peter Luttenberger im Mannschaftszeitfahren (Once/2000). Für Gall, den Juniorenweltmeister von 2015, war es der zweite Sieg als Profi. Nach seinem Titel von Richmond tat er sich schwer, fand in "Sunweb" nicht das richtige Team. Bei AG2R blüht er auf und konnte in diesem Winter seit Langem wieder ohne Unterbrechung trainieren. Das zahlte sich aus.

Historischer Erfolg für Gall

Die Königsetappe wurde durch Ausreißversuche und das Diktat von Jumbo schon im ersten Anstieg (Col des Saisies) hektisch. Selbst Tadej Poga(c)ar stürzte, war aber schnell wieder auf dem Rad. Gall sprang später in die große Fluchtgruppe und war somit vor Leader Jonas Vingegaard (Jumbo) und Tadej Pogacar (UAE) – also vor dem Rennen. "Eigentlich dachte ich nicht, dass die Gruppe eine große Chance auf den Sieg hat, aber ich bin mitgegangen. Ich wollte im letzten Anstieg einen Vorsprung auf die Favoriten haben." Galls Helfer opferten sich auf dem 28 Kilometer langen Weg zum Dach der Tour – den Col de la Loze (2304m) – auf und zogen ihn; allen voran Ben O’Connor.

Die Rolle des Kapitäns bekam Gall während der Tour vom Australier übertragen. "Ben ist ein Freund und diese Rolle plötzlich vom Team zu erhalten hat mich mental sehr gefordert. Es war eine sehr schwere Belastung. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll", erzählt der Osttiroler, "letzten Mittwoch stand ich kurz davor, alles hinzuwerfen. Zum Glück habe ich mich aber wieder gefangen." Zusätzlich kam mit zwei Defekten auf der 15. Etappe ein harter Schlag, den er erst verdauen musste. Mit dem 13. Platz im Zeitfahren und seiner Leistung auf der Königsetappe hat er die beste Antwort gegeben.

Vingegaard vor Toursieg

Um das Gesamtklassement zu fahren, stellt ganz andere Anforderungen an einen Fahrer als die Rollen der Helfer oder Etappenjäger. Man darf sich keinen schlechten Tag erlauben, muss permanent wachsam sein und fährt in den Anstiegen stets am Limit. So auch auf dem Col de la Loze, wo in Méribel Pogacar "explodierte" und Vingegaard das Beil fallen ließ. Fast gleichzeitig attackierte Gall 6,2 Kilometer vor dem Gipfel den Rest der hochkarätigen Fluchtgruppe. "Ben hat einen tollen Job gemacht. Ich habe einfach nur auf den steilen Teil gewartet und es einfach versucht." Er wollte den Tagessieg und kurbelte durch die dünne Luft. "Ich hatte einfach nur Angst, dass ich noch erwischt werde", sagt er.

Dem war nicht so und die letzten Meter auf der Rollbahn wurden zum aus rot-weiß-roter Sicht epochalen Triumph. "Es ist einfach nur richtig emotional. Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass ich noch etwas mehr Abstand herausfahre, aber ich habe es Gott sei Dank ins Ziel gebracht. Ich bin einfach nur dankbar für das alles. Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahren in diesem Team. Es ist so viel passiert. Das ist wirklich eine schöne Art, für alles Danke zu sagen. "

Galls Sterntag wurde zum Desaster für Pogacar. In Méribel "explodierte" der Slowene und Vingegaard griff an. Vier Tage vor Paris hat der Titelverteidiger 7:35 Minuten Vorsprung auf den Kontrahenten. Gall hat sich aber nicht nur im Gesamtklassement verbessert. Er liegt in der Bergwertung nur zwei Punkte hinter dem Italiener Giulio Ciccone (Trek).