Viel Zeit hatte Marco Haller nicht, um seine sieben Sachen für die Tour de France zu packen. So spät wie noch nie wurden die Aufgebote für das größte Radsportspektakel der Welt veröffentlicht und der Kärntner ist zum siebenten Mal dabei. "Ich bin hocherfreut, dass ich dabei bin", sagt der Allrounder, "einerseits ist die Konkurrenz in der eigenen Mannschaft extrem groß und andererseits konnte ich nach einem verkorksten Frühjahr den Spieß noch umdrehen." Nach den Klassikern stellte Haller das Rad einmal in die Ecke und auch seine Hochzeit lieferte ihm frische Kräfte. Mit dem Etappensieg bei der Tour of Norway ist ihm dann endgültig der Knoten aufgegangen. "Radsport ist ein Mannschaftssport und keiner weiß das besser als ich", erzählt er, "aber am Ende ist es doch etwas ganz besonders, wenn man selbst auch einmal gewinnt." 

Mit seiner Erfahrung wird Haller in den drei Wochen eine besondere Rolle zuteil. Er ist der Bodyguard für die Bergfahrer rund um Aleksandr Vlasov. Der Russe ist Bora hansgrohes Mann für das Gesamtklassement, wiewohl das Team breit aufgestellt ist. "Meine Qualitäten in dieser Rolle habe ich bei der Tour de Suisse schon gezeigt." In der Schweiz bestätigte Haller seine aufsteigende Tendenz, bis ihn ein positiver Covid-Test ausgebremst hat. "Dass ich nichts von meiner Form verloren habe, habe ich bei der Staatsmeisterschaft gezeigt." In Gratwein-Straßengel hatte er maßgeblichen Anteil am Fünffacherfolg seiner Equipe Bora hansgrohe. "Unsere medizinische Abteilung ist sehr vorsichtig und daher habe ich mich vor der Meisterschaft in der Privatklinik Maria Hilf auch noch einmal durchchecken lassen."

Haller ist allerdings nicht der einzige Österreicher, den die deutsche World Tour-Mannschaft nach Frankreich bzw. zum Start nach Kopenhagen entsendet. Mit Patrick Konrad und der frisch gebackene Doppelstaatsmeister Felix Großschartner sind noch zwei heimische Asse von Bora dabei. So, wie auch Sebastian Schönberger (B&B) und Michael Gogl (Alpecin). Gregor Mühlberger (Movistar) wartet noch auf das Okay seiner Mannschaft. 

Wären 21. Etappen - sechs davon im Hochgebirge - nicht schon anstrengend genug, hat sich die Organisation einige "Extras" überlegt. So stehen Kopfsteinpflaster, Schotterpassagen und sogar eine 18 Kilometer lange Brücke über die offene See auf dem Speiseplan. "Ich bin der Meinung, dass man so ein Rennen nicht noch riskanter machen muss, aber das gehört dazu. Die Nervosität ist in der ersten Woche ohnehin schon groß genug." Im Gegensatz zum Giro, wo das Team alles auf die Karte Gesamtklassement gesetzt und die Jai Hindley gewonnen hat, ist die Mannschaft aus dem deutschen Raubling wieder breiter aufgestellt und kann auf allen Terrains angreifen. "Alles auf eine Karte zu setzten, wäre ein zu hohes Risiko." Auch wenn Haller nicht als Sprinter bei Bora zum Einsatz kommt, könnte es gut sein, dass er in Frankreich auch auf einen Etappensieg losgeht - denn das Gefühl des Siegens  "ist einfach unbeschreiblich", sagte er nach dem Triumph in Kristiansand.