Einst war Markus Rogan einer, den Journalisten dafür schätzten, dass er seine Worte druckreif wählte. Doch ein Mikrofon vor Augen scheint der zweifache Olympiamedaillengewinner von 2004 (jeweils Silber über 100 und 200 m Rücken) mittlerweile sein Innerstes unmissverständlich nach außen zu kehren. Gestern dürfte der Wiener, der für das Nationale Olympische Komitee von Brasilien als Psychologe im Einsatz ist, den Bogen jedoch überspannt haben. "Ich habe mich gefragt, ob nicht der eine oder andere Putin einen geblasen hat", kommentierte der 34- Jährige in einem ORF-Interview untergriffig. Den Verzicht des Internationalen Olympischen Komitees auf einen Ausschluss Russland brachte der Wiener mit Präsidenten Wladimir Putin in Verbindung.

Moderatorin Karoline Zobernig beendete das Gespräch wenig später höflich, im Netz indes braute sich ein Sturm der Entrüstung zusammen. Es war nicht Rogans erste Entgleisung. Schon bei den Olympischen Spielen 2012 in London machte er sich wenig Freunde, als er seinen ehemaligen Sponsorkollegen Hermann Maier ein einfaches Gemüt unterstellte: "Ich glaube, es ist ein Riesenvorteil, wenn du weniger denkfähig bist. Es gibt ja einen guten Grund, warum die richtig guten Sportler nicht viel im Kopf haben, weil da ist der Kopf nicht im Weg." Nachsatz: "Warum hat Armin (Assinger, Anm.), der relativ schlau ist, nur vier (Rennen, Anm.) gewonnen und Hermann (Maier, Anm.) 50?"

Keine russische Reaktion

In den Katakomben des Aquatic Center, dem Schauplatz der olympischen Schwimmbewerbe, wartete man gestern jedoch vergebens auf eine harsche Reaktion von russischer Seite, derzeit scheint Deeskalation angesagt. Andrey Grechin etwa hielt sich nach seinem Vorlauf über 100 m Brust bedeckt: "Ich habe nichts zu verbergen, meine Tests waren allesamt negativ. Dass uns nicht jeder mit offenen Armen empfängt, ist nach den jüngsten Diskussionen klar. Aber fair ist das nicht, ich habe nichts verbrochen."

Auch Alexandra Nekrasova, Pressesprecherin des russischen Schwimmverbands, schüttelte nur den Kopf: Sie wolle Aussagen wie diese nicht kommentieren: "Sie können sich vorstellen, dass das für uns keine einfache Zeit ist." Ständig würde man auf das vermeintliche Staatsdoping angesprochen, das schlage sich auch auf die Stimmung im Olympischen Dorf nieder. "Die Stimmung ist geteilt: Die Hälfte der Athleten anderer Länder versteht unseren Ärger, die andere Hälfte plädiert wohl für den Ausschluss." Eine anwesende russische Journalistin schüttelt bei diesen Worten nur den Kopf und meinte kryptisch: "Sehen Sie sich die Goldmedaillengewinner und die Bestzeiten an! Da war noch kein einziger Russe darunter."

Russen dennoch im Mittelpunkt

Im Mittelpunkt des Geschehens stehen die Russen dennoch. Der Gang der Sportler durch die Mixed Zone, in der sie unmittelbar nach den Rennen mit den Journalisten zusammentreffen, kommt einem Spießrutenlauf gleich. Und immer wieder die gleiche Frage: "Finden Sie es fair, hier starten zu dürfen?" Mit stoischer Ruhe kommen die Antworten, Leute wie Andrey Grechin fragen höchstens zurück: "Soll ich mich dafür entschuldigen?"

Ein wenig Doppelbödigkeit schwingt dennoch mit, wenn sich im deutschen Fernsehen eine frühere DDR-Schwimmerin, die sechsmalige Olympiasiegerin Kristin Otto, über Julija Jefimowas Doping-Vergangenheit befindet. Sie sei selbst Opfer gewesen und habe nie "willentlich gedopt". Aber mit ihrem Auftreten erweist sie dem Sport einen ähnlich großen Dienst wie der zeit seiner Karriere saubere Markus Rogan.