Es wäre fast so, als ob ein Turmspringer Höhenangst hätte, ein Schwimmer wasserscheu oder ein Fechter elektrostatisch so aufgeladen wäre, dass die Trefferanzeige nicht funktioniert. Kendrick Farris ist Gewichtheber – und stemmt in Rio als einziger Amerikaner die olympischen Gewichte in die Höhe. Das wäre jetzt noch nichts Besonderes. Wäre er nicht Veganer, was für einen Gewichtheber doch außergewöhnlich ist.

Umstellung vor eineinhalb Jahren

Vor eineinhalb Jahren hat der 30-Jährige unmittelbar nach der Geburt seines zweiten Sohnes Kingsley beschlossen, auf tierische Produkte zu verzichten. Er rückte sogar in die 94-Kilogramm-Gewichtsklasse auf und musste sich natürlich ernährungstechnisch mächtig ins Zeug legen, um Gewicht zuzulegen.
Gewichtheber sind meist nicht nur Fleisch- und Muskelberge, sondern auch Kalorienmaschinen. Bis zu 8000 Kalorien hat etwas Matthias Steiner vor seinem Olympiasieg in Peking verschlungen. Gerade bei den Schwergewichtlern gilt, dass sie viel mehr essen müssen, als sie eigentlich Hunger haben.

6000 Kalorien pro Tag

Der deutsche Olympia-Brocken Alexej Prochorow (133 Kilogramm) erzählte hier in Rio, was er so alles zu sich nimmt: Fünf Spiegeleier und zwei belegte Brote zum Frühstück. Zu Mittag und am Abend Fleisch, Nudeln und Erdäpfel und dazwischen um 15 Uhr Protein-Pancakes sowie um 22 Uhr ein Gute-Nacht-Happen zum Drüberstreuen. Macht 6000 Kalorien pro Tag. Mahlzeit.

Zurück zu Kendrick Farris, der vor allem darauf achten muss, genügend Proteine zu sich zu nehmen. Diese sind die Grundbausteine aller Zellen, weshalb sie für den Muskelaufbau von großer Bedeutung sind. Proteine finden sich freilich nicht nur im Fleisch, sondern auch in Sojabohnen, Linsen, Erbsen oder Nüssen. Schon wenige Wochen nach der Ernährungsumstellung postete er auf Facebook: „Mein ganzes Leben ist besser geworden und ich fühle mich wie ein neuer Mensch.“ Mittlerweile liegt seine Zweikampfbestleistung bei 377 Kilogramm.

Für Farris sind Rio bereits die dritten Sommerspiele nach Peking 2008 (Rang acht) und London 2012 (Rang 12). Als er Montag Richtung Brasilien abhob, wurde am Flughafen in Shreveport die US-amerikanische Nationalhymne gespielt und sogar sein Vater, den er Jahre nicht mehr gesehen hatte, war zum Abschied gekommen. Sein Sohn Khalil (10) meinte gegenüber der „Times“: „Ich bin froh, dass Papa nach Rio fährt und eine Medaille holt. Nicht Bronze, nicht Silber, sondern Gold.“ Ach ja, und einen Weltrekord soll er auch noch aufstellen. Vegan natürlich.