Vier Namen reichen als Motivation: Athos, Portos, Aramis und D’Artagnan – die vier Musketiere in Mantel und Degen aus der Feder von Alexandre Dumas. Kein Mann zwischen 30 und 50, der als Kind nicht fasziniert war von den fechtenden Helden. Auch die Geschichte des Fechtens ist legendär: Es ist eine der Gründungssportarten der Olympischen Spiele der Neuzeit, hat seit dem ersten Mal 1896 noch nie im Programm gefehlt.
Fünf Mal war auch Benny wendt dabei, das letzte Mal im Jahr 2000 in Sydney. Heute betreibt 56-jährige Kärntner eine „Fechtagentur“.
Dort steckt er mich nach intensivem Aufwärmen inklusive zahlloser Ausfallschritte in eine Fechtmontur: Kein eleganter Umhang wie D’Artagnan, sondern eine blütenweiße Weste mit seitlichem Reißverschluss, darüber die Elektroweste, die später die Treffer registrieren soll. Mit der Fechtmaske unterm Arm und dem Florett in der Hand kommt aber doch ein Musketier-Gefühl auf. „Helm auf, en Garde“ ruft Wendt noch und los geht’s.

Die Beine bringen den Sieg

Leichtfüßig tänzelt der einstige Europameister und Weltcupsieger auf der Blanche vor und zurück. Den Blick immer in den Augen des Gegners. „Damit sehe ich, was du vorhast. Es geht ja nicht nur um den Arm.“ Ich gebe seinem Florett einen leichten Schubser. In Windeseile wirbelt er meinen Angriff aus dem Handgelenk weg und trifft mich knapp über dem linken Schlüsselbein.
Kaum zwei Minuten sind vergangen. Unter dem Helm wird es heiß, das Tänzeln mit leicht gebeugten Knien ist anstrengender als es aussieht.

Ausfallschritt vom Profi, Verteidigungsversuch vom Laien
Ausfallschritt vom Profi, Verteidigungsversuch vom Laien © Christoph Duller

„Grundlagenausdauer kann man nie genug haben“, lacht Wendt. Spritzige Wadeln wären auch nicht schlecht. „Denn Fechten gewinnst du mit den Beinen, nicht mit der Hand.“ Darin liegt die Crux, denn mit zunehmendem Alter schwindet die schnelle Muskulatur. „Da musst du sehr viel investieren, um schnell zu bleiben.“
Taktikwechsel: Jetzt versuche ich, Wendts Angriffen auszuweichen – parieren ist angesichts seiner schnellen Bewegungen aussichtslos. Aber auch die Beine kommen nur selten mit Wendts Angriffen mit. Piep – Treffer, Piep – Treffer, Piep. Sein grünes Lamperl auf der Anzeigetafel leuchtet fast durchgängig während mein rotes große Pause hat. „Sei aktiver, setz mich unter Druck“, ruft Wendt. Einmal gelingt es Bein und Arm gleichzeitig nach vorne schnellen zu lassen. Treffer Rot. Ich reiße mir die Maske vom Kopf und juble, als hätt ich den bösen Kardinal Richelieu aus der Romanvorlage gerade eigenhändig zur Strecke gebracht. Für drei Sekunden fühle ich mich wie ein Musketier.

Olympia ausprobiert: Fechten

Danach geht’s zum Vokabeltest. „Quart, Terz, Sixt“. Die Ausdrücke bezeichnen verschiedene Haltungen des Floretts. „Aber in Wahrheit“, sagt Wendt, kannst du das alles vergessen. Wart auf den richtigen Moment und greif beherzt an.“ Also probieren wir es noch einmal. Wendt ist gnädig und lässt mich ein weiteres Mal treffen. Aber wenn er sein Florett oder seinen Körper auch nur mit Halbgas bewegt, rücken Treffer in aussichtslose Ferne. Zwischendurch führt er den Schmäh ebenso gekonnt wie seine Klinge.
Inzwischen ist Leben in die Akademie gekommen. Auf den anderen Bahnen fechten Burschen und Mädels schon fleißig. Dass ihr Trainer ein hochdekorierter Sportsmann ist, weiß hier keiner mehr. Auch den Erwachsenen, die Kurse machen, sagt der Name nichts. „Das ist mir aber auch völlig egal“, sagt Wendt und klatscht mit Benny, Stefan und Christian ab, deren Training beendet ist.

„Es geht nur noch um Geld“

Wenn es dieser Tage in Rio mit Degen, Säbel, Florett um Gold, Silber und Bronze geht, wird Wendt im Fernsehen mitfiebern. Erinnerungen werden wach. An Los Angeles, Seoul, Barcelona, Atlanta und Sydney. Welches seine schönsten Spiele waren? „Los Angeles 1984“. Weil es die ersten waren? „Vielleicht. Aber damals ist der Sportler noch im Mittelpunkt gestanden. Jetzt geht es doch nur noch ums Geld.“ Damals schaffte er im Teambewerb mit Rang 4 auch seine beste Olympia-Platzierung (auch in Atlanta 1996 reichte es für „Blech“).
Nach knapp zwei Stunden Ausfallschritte, Paraden und Finten lege die Montur wieder ab. Fazit: D’Artagnan wird keiner mehr aus mir. Nicht einmal ein Reserve-Musketier. „Dafür verspricht Wendt, „werden deine Oberschenkel und dein Gesäß noch ein paar Tage an mich denken.“ Er sollte recht behalten.