Vor 20 Jahren eroberten Sie bei den Olympischen Sommerspielen in Sydney Silber über 800 Meter. Erinnern Sie sich heute noch an das Rennen am 25. September 2000 in Sydney?
Es ist immer präsent und in den vergangenen Tagen erst recht. Auch weil mich vor Kurzem meine beiden Töchter Christine und Zita danach gefragt haben und das Rennen auch sehen wollten. Mit der Silbernen habe ich mir damals meinen Lebenstraum erfüllt, weil ich von Beginn meiner Karriere an im Kopf hatte, einmal im Sport etwas Großes erreichen zu wollen.

Sie erreichten Platz zwei, hatten im Ziel 0,49 Sekunden Rückstand auf Siegerin Maria Mutola. Wäre da nicht auch Gold möglich gewesen?
Nein, an diesem Tag war Silber das Maximum. Ich habe damals alles gegeben, was möglich war. Maria war in diesem Rennen für uns alle zu stark. Daher gab es bei mir nur pure Freude.

Können Sie sich noch an die Siegerehrung erinnern?
Ganz genau, auch an das Gefühl dabei. Ich habe damals ganz genau in mich hineingehört und mich genau darauf konzentriert, wie sich das anfühlt. Und dieses Gefühl ist quasi gespeichert – und speziell jeden September immer sehr präsent.

Gibt es eigentlich noch Kontakt zu den Gegnerinnen von damals? Zu Mutola oder Jolanda Ceplak?
Nein, gar keinen. Es hat sich alles aufgelöst. Ich treffe manchmal noch Athleten und Athletinnen von damals, die in anderen Bewerben starteten, beim Meeting in Monte Carlo, wo ich jetzt lebe. Die Ex-Langstreckenläuferin Paula Radcliffe läuft mir manchmal über den Weg, weil sie auch in Monaco wohnt.

Sie leben mit Ihrem Mann, Christian Baha, und den beiden Mädchen seit zehn Jahren in Monaco. Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Wir haben eine Wohnung ziemlich in der Mitte von Monte Carlo, der Hafen und das Casino sind in der Nähe. Ich verbringe viel Zeit damit, es zu schaffen, als Kärntnerin in Monte Carlo zu leben.

Können Sie das ein bisschen näher erklären?
Ich fahre nach Ventimiglia in Italien auf den Bauernmarkt zum Einkaufen. Alle zwei Wochen kommt eine Lieferung mit gesunden Sachen wie Schafskäse und Joghurt aus Kärnten. Dazu koche ich selbst und backe auch Brot.

Und die Kinder?
Die beiden spielen Eishockey in Monte Carlo, sie sind Mitglieder in fünf Tennisklubs. Mein 14-jähriger Lorenz spielt zu Hause in Kärnten Golf. Mir ist wichtig, dass die Kinder Sport treiben, weil der Sport eine Lebensschule ist. Durch den Sport werden Werte vermittelt.

In Ihre Fußstapfen zu treten, war für die Kinder nie ein Thema?
Nein, weil es den Kids sicher keine Freude macht, immer an mir gemessen zu werden. Sie lieben das, was sie machen.

Üben Sie noch viel Sport aus?
Ich laufe mit meinem Mann fast täglich am Meer entlang. Manchmal muss ich dabei an meine Grenzen gehen. Das brauche ich fürs Lebensgefühl.

Corona gibt es auch in Monte Carlo, wie gehen Sie damit um?
Hier herrscht überall Maskenpflicht, seit Beginn der Krise. Die Menschen sind sehr diszipliniert. Monaco folgt in vielem dem Kurs von Frankreich. Hier konnten sich alle Einwohner freiwillig testen lassen. Die Nachtklubs sind geschlossen.

Hat sich der Sport durch Corona aus Ihrer Sicht stark verändert?
Zuerst freue ich mich, dass ein Weg für den großen Sport gefunden wurde. Der Sport ist für viele Menschen ein Ventil, wo sie all ihr Freud’ und Leid im wahrsten Sinne des Wortes hinausschreien können. Dadurch sinkt das Aggressionspotenzial. Schlimm ist es für alle, die vom Sport leben, ihn aber nicht wirklich ausüben können. Ich denke dabei an die Leichtathletik, Fechten, Rudern oder Schwimmen. Da gibt es sicher viele Damen und Herren, die Existenzängste haben. Dazu fehlt die Belohnung für die Sportler, für gute Leistungen. Das macht es sehr schwierig für alle, sich weiter voll zu motivieren und zu trainieren.

Ihre Meinung zum Frauensport generell und jenem in Österreich nach Ihrem Rücktritt?
International gesehen haben die Frauen schon die gleichen Rechte wie die Männer. Der Frauensport ist weltweit ganz klar im Aufwind. Auch in Österreich bekommen Sportlerinnen, wenn sie gute Leistungen bringen, jetzt sicher genug Aufmerksamkeit. Ich sehe sie nicht mehr als benachteiligt an.