Sie haben einige Wochen lang auf Nationalratssitzungen in Wien verzichtet. Haben Sie die Corona-Unannehmlichkeiten verdaut?
Die vergangenen Wochen waren stressig, im Juni und Juli haben wir alles nachgeholt.

Aufgrund Ihrer Einschränkung haben Sie als Teil der Risikogruppe gegolten. Inwiefern hat Sie das beeinflusst?
Angst habe ich keine gehabt. Aber als die Infektionszahlen zugenommen haben, habe ich fast täglich auf der Homepage des Sozialministeriums nachgeschaut, wie viele Intensivbetten noch frei sind. Jetzt bin ich wieder gelassener.

Wie empfinden Sie das Echo der Bevölkerung auf die politisch verordneten Maßnahmen?
Im Großen und Ganzen als sehr positiv. Jedoch merkt man, dass die Luft heraußen ist. Viele verstehen es wohl nicht oder wollen es nicht mehr verstehen, dass das Virus noch da ist.

Sie haben ein gutes (enges) Verhältnis zu Kanzler Sebastian Kurz. Wie erleben Sie ihn in dieser Zeit voller Entscheidungen?
Er hat mir einmal gesagt, dass er als Kanzler so schnell Entscheidungen zu treffen hätte. Zuletzt habe ich ihn bei einem internen Grillfest getroffen, da hat er schon etwas gelöster gewirkt.

Kira Grünberg hält noch heute mit 4,45 m den österreichischen Rekord
Kira Grünberg hält noch heute mit 4,45 m den österreichischen Rekord © (c) GEPA pictures/ Mario Kneisl

Viele berichten, dass Ihnen die Auszeit gutgetan hätte. Lösten die Tage auch in Ihnen etwas aus?
Bei mir hat sich nicht allzu viel verändert, außer dass ich viel mehr von daheim aus gearbeitet habe. Ich bin bei schönem Wetter auf der Terrasse gesessen, habe Mails beantwortet, viel telefoniert und an Videokonferenzen teilgenommen. Meine Motivationsvorträge habe ich verschieben müssen.

Welche Motivation haben Sie, vor Publikum zu sprechen?
Ich teile gerne meine Geschichte und hoffe, dass ich Menschen etwas mitgeben kann.

Was wollen die Leute wissen?
Wie mein Unfall passiert ist, was mir geholfen hat, mit meinem Leben im Rollstuhl zurechtzukommen, was mich motiviert, meine Ziele usw. Ich habe das mittlerweile gefühlte 1000 Mal erzählt. Es macht mir nichts mehr aus, über den Unfallhergang zu sprechen. Ich habe das Gefühl, je mehr ich darüber rede, umso besser kann ich es verarbeiten.

Selbst ein Buch („Mein Sprung in ein neues Leben“) handelt vom schicksalhaften 30. Juli 2015. Wie haben Sie den Trainingsunfall rückblickend im Kopf?
Mein Bänderriss im Knöchel war auskuriert, ich habe mich topfit gefühlt. Am Unfall hätte ich rückblickend nicht viel ändern können. Wenn man daliegt und nichts spürt, überlegt man natürlich. Da ist die Erkenntnis schnell da.

Dass Sie gelähmt bleiben könnten?
Genau. Dass es einen Unterschied zwischen Para- und Tetraplegie gibt, wusste ich aber nicht. Das hat sich schnell geändert. Als ich dagelegen bin, habe ich zuallererst meine Eltern gefragt: War’s das jetzt? Im Nachhinein weiß ich nicht, ob ich damals den Sport an sich gemeint habe oder die Möglichkeit, dass ich im Rollstuhl landen würde.

Wie gehen Sie heute mit Ihrer Situation um? Kommt in Ihnen oftmals Unzufriedenheit hoch?
Ich hadere selten, aber manchmal doch. Das ist wohl nicht anders als bei anderen Menschen auch. Mir ist allerdings bewusst: Ich bin privilegiert, nicht viele können eine so lebenseinschneidende Situation so schnell verarbeiten. Zudem habe ich ein starkes Team hinter mir gehabt.

Man spricht davon, dass einem die neue Lebenssituation erst viel später bewusst wird. Haben Sie einmal den Fall in ein schwarzes Loch erlebt?
Alle haben mir das prophezeit, aber man kann so etwas wohl auch heraufbeschwören. Sportpsychologe Christopher Willis hat mich lange begleitet. Er hatte von mir einen stabilen Eindruck. Wenn es mir schlecht gegangen ist, habe ich ihn einfach angerufen.

Was ist Ihre Erkenntnis aus den letzten fünf Jahren?
Dass man auch im Rollstuhl ein selbstständiges und erfülltes Leben leben kann, dass man sich nicht von einzelnen Personen abhängig machen darf und auch bei ärztlichen Ratschlägen stets eine zweite Meinung einholen sollte, um dann selbst zu entscheiden.

Kira Grünberg über den Dächern der Hofburg...
Kira Grünberg über den Dächern der Hofburg... © Facebook

Zu den ersten koordinativen Herausforderungen gehörte es, sich die Zähne zu putzen.
Da bin ich mittlerweile viel weiter, die Fortschritte sind erstaunlich. Das bestätigen mir auch meine Physiotherapeuten. Mein Ziel war es, vom Rollstuhl ins Bett oder auf die Therapieliege zu kommen. Das dauerte früher 20 Minuten, jetzt nur mehr eineinhalb. Vor zwei Jahren war das noch undenkbar.

Als ehemalige Leichtathletin beobachten Sie wohl auch das Wettkampfgeschehen.
Die jüngste Idee mit einem Stunden-Siebenkampf finde ich super. Da passiert in kurzer Zeit sehr viel.

Und glauben Sie, dass die Olympischen Spiele 2021 in Tokio stattfinden?
Das hoffe ich, ansonsten fallen diese Sommerspiele wohl endgültig aus. Es ist ja nett, im Fernsehen die Schätze aus dem Archiv zu sehen, aber natürlich will man endlich wieder ein Live-Erlebnis haben.

Was steht bei Ihnen im Sommer noch bevor?
Am Freitag treffe ich alle Ärzte und Therapeuten, die ich länger nicht mehr gesehen habe. Wir gehen in ein Restaurant essen. Ein schöner Moment, um mal wieder Danke zu sagen. Ich habe durch meine Verletzung ein tolles Netzwerk aufgebaut, das mir immer noch eine große Unterstützung ist.