In der Leichtathletikhalle des Allgemeinen Turnvereins Graz (ATG) in der Kastellfeldgasse steht für Djeneba Touré (24) heute nicht Sport auf dem Programm. Normalerweise verbringt die Diskuswerferin hier täglich bis zu vier Stunden, um zu trainieren. Diesmal legen wir die Utensilien allerdings beiseite und stellen zwei Bänke auf den Mittelkreis, um zu reden. Einfach nur zum Plaudern, der Sport bleibt Statist.

Die Black-Lives-Matter-Demonstrationen, auf denen weltweit lautstark gegen Rassismus und Polizeigewalt skandiert wurde, sind auch in der Steiermark für viele ein Thema gewesen. Touré nahm an der letzten Kundgebung in Graz selbst teil, bei der Beobachter von bis zu 10.000 Anwesenden sprachen. Diese Solidarität würde sie bestärken, sagt sie: „Die Vorfälle in den USA haben mich betroffen gemacht, es hat mich gewundert, dass die globalen Proteste solche Ausmaße angenommen haben.“ Nicht aber zuletzt deshalb, weil sie als Schwarze mit dem Thema seit ihrer Ankunft in der Steiermark oft auf unliebsame Weise in Berührung gekommen ist, sondern auch, weil sie als politischer Mensch auftreten will.

Die internationalen Leichtathletikbewerbe sind für heuer abgesagt, als Nächstes stehen für die gebürtige Ivorerin die steirischen und die österreichischen Meisterschaften ins Haus. Mit zahlreichen Rekorden im Gepäck zählt sie dabei zu den absoluten Favoritinnen, vor allem auch deshalb, weil sie mittlerweile auch weit über die Landesgrenzen hinaus vorne mitmischt.

Der Sport sei ihre Blase, in der sie eher selten mit rassistischen Situationen in Berührung komme – ein liberales Umfeld, ein aufgeschlossener Freundeskreis. „Aber auch im Sport ist bei Weitem nicht immer alles gut.“ Von Kollegen aus anderen Bereichen würden oftmals die unglaublichsten Geschichten kommen. „Wenn ich von Fußballspielen höre, wo Fans Affenlaute nachahmen, wenn Afrikaner am Ball sind, da fehlen mir echt die Worte. Man gewinnt den Eindruck, dass es den Leuten nicht mehr um den Sport an sich geht, sondern um den Menschen dahinter, um seine Hautfarbe, seine Herkunft oder seine Sexualität. Ist das nicht traurig?“ Die Macht des Wortes, das sei es, was viele sich nicht bewusst machen würden, erläutert sie: „Manche kapieren einfach nicht, was sie mit Gesagtem anrichten.“

Durch die Vorfälle in den USA, insbesondere durch den Tod George Floyds, wird die Debatte nun nach und nach angeheizt, wie auch Touré bemerkt. Während eine Welle der Solidarität auch den Sport überschwemmt – bei Jubelposen, auf den Shirts der Athleten oder in Interviews –, gehen einige auch den umgekehrten Weg: Sie kennt die Aussagen nur zu gut: „Die Leute meinen: Nicht schon wieder dieses Thema. Und ich denke mir nur so: Ja, ich würde auch lieber nicht drüber reden.“

Djeneba Touré
Djeneba Touré © GEPA

Und obwohl gerade ihre Sportart sehr multikulturell sei, komme es dennoch auch hier zu bizarren Situationen. Etwa Konkurrenten, die meinen, es sei klar, dass sie besser ist: Schließlich sei sie schwarz. Darauf antwortet sie eigentlich nur mit Kopfschütteln. „Deshalb muss ich doch nicht weniger hart trainieren, oder?“

Von der Elfenbeinküste kam sie 2000 als Vierjährige nach Österreich, zuerst nach Bruck an der Mur, dann gleich nach Graz, wo sie seither ihr Leben verbringt. Eine Lehrerin habe sie schließlich motiviert, eine sportliche Karriere zu starten. Seither befindet sie sich auf dem ständigen Weg nach oben. Hier aufgewachsen, zur Schule gegangen und bald in den Sport verliebt, war Diskriminierung ein steter Begleiter. „Immer wieder wurde ich komisch angeschaut. Als Kind nimmt man das noch nicht so wirklich wahr – je älter man aber wird, desto mehr beschäftigt es einen.“ Dazu meint sie: „Ich bin ja niemandem böse, ich find’s nur verwirrend.“ Ihr fehle es an Verständnis, Rassismen nachzuvollziehen. „Ich bin schwarz, na und? Das ist doch bitte nichts Besonderes.“

Djeneba Touré
Djeneba Touré © Alexander Danner

Beispiele von alltäglichen Angriffen gebe es zur Genüge, manche Übergriffe seien zum Schmunzeln und Wegdrehen, andere würden einfach nur wehtun, wie es heißt. „Einmal hat mir ein Jugendlicher am Grazer Hauptbahnhof aufgrund meiner Hautfarbe direkt ins Gesicht geschimpft, auf wüsteste Weise – aus dem Nichts. Ich glaube, weil er einfach cool wirken wollte“, erinnert sich die Athletin. Vorfälle wie dieser seien keine Seltenheit gewesen und es werde vermutlich auch nicht besser werden, wagt sie einen mehr als skeptischen Blick in die Zukunft.

Was aber würde es brauchen, um solche verbalen Ausfälle zu verhindern? „Einerseits gezieltere Bildung, also mehr Sensibilisierung für das Thema. Und auf der anderen Seite: die Politik. Solange es Parteien gibt, die mit Hass und Intoleranz auf Stimmenfang gehen und so diese Debatte anheizen, wird sich wenig bis gar nichts ändern!“

Was aber kann der Sport selbst bewirken? „Er erreicht sehr viele Menschen und ich finde es echt schön, dass ich durch meine sportlichen Erfolge nun gehört werde und meine Meinung nach außen tragen kann“, so Touré.