Kaum eine Sportart ist hinsichtlich medialer Aufmerksamkeit dermaßen abhängig von Rekorden, wie die Leichtathletik. Schmerzt es dann, wenn man es verpasst, die eigene Bestleistung zu verbessern?

IVONA DADIC: Wer meine Leistungen verfolgt, weiß, welches Potenzial in mir steckt. Die vier Punkte, die mir in Ratingen (Mehrkampf-Meeting, Anm.) gefehlt haben meinen eigenen und österreichischen Rekord zu verbessern, wirken vielleicht wie eine Niederlage. Ich ärgere mich allerdings viel mehr über die 250 liegengelassenen Punkte bei den Sprüngen. Schmerzen fühle ich aber höchstens körperliche.

Was meinen Sie damit?

IVONA DADIC: Ein Siebenkampf zehrt extrem an den Kräften. Binnen zwei intensiven Tagen sind in den Disziplinen Höchstleistungen gefragt. Mir tut nach so einem Wochenende immer alles weh. So lässt mein Körper auch nur drei Mehrkämpfe im Jahr zu.

Leichtathletik tritt in Österreich zusehends aus dem Nischendasein. Sie gelten als ein wichtiges Aushängeschild. Wie gehen Sie damit um?

IVONA DADIC: Natürlich bekommt man mit, dass sich um einen herum etwas tut. Ein Sport wie dieser benötigt eben Aushängeschilder. Wenn ich mit meinen Leistungen der Leichtathletik endlich zu jenem Stellenwert verhelfen kann, den sie verdient, freut mich das.

Sie stehen im Rampenlicht. Verspüren Sie auch Druck, als Wegbereiter für andere bei Großereignissen liefern zu müssen?

IVONA DADIC: Ich lasse mich von außen nicht beeinflussen. Druck und Erwartungshaltung lege ich mir prinzipiell selbst auf. Ich kann nicht mehr als alles geben an solchen Tagen, also nicht mehr als mein Körper hergibt. Meine Leistungen bei Großereignissen haben aber immer gestimmt.

Würden Sie unterschreiben, dass Sie in der Welt-Elite angelangt sind?

IVONA DADIC: Es war ein Riesenschritt, den ich in den vergangenen Jahren nach vorne gemacht habe. Ich habe es zumindest geschafft, die Lücke zur Spitze deutlich zu verringern. Wir investieren sehr viel in das Training und ich bin zu 100 Prozent auf die EM eingestellt.

Eine Medaille ist in Berlin realistisch?

IVONA DADIC: Ich zähle zu den Favoritinnen und fahre nicht mehr zu Wettkämpfen, bloß um dabei zu sein.

Von den sieben Disziplinen – gibt es eine, die Ihnen mehr oder weniger liegt?

IVONA DADIC: Das ist ja jener Fortschritt den ich gemeint habe: Es gibt bei mir nicht mehr die eine große Schwäche. Ich bin in allen Disziplinen besser geworden, selbst im Hürdenlauf. Wenn ich als Spezialistin wählen müsste, würde ich Weitsprung nehmen.

Nervt es, dass man hinsichtlich sportlichen Erfolgs so ganz auf sich allein gestellt ist?

IVONA DADIC: Ich würde in einem Mannschaftssport gar nicht funktionieren, sondern bin sehr glücklich darüber, dass ich für meinen Erfolg oder Misserfolg selbst verantwortlich bin. Ein Team gibt es dennoch. Meine Trainer, meine Trainingspartner und die Betreuer spornen mich an – es ist also ebenfalls eine Mannschaft. Nur abliefern muss ich eben ganz alleine.

Sie haben schon öfters betont, dass es einen langfristigen Plan für ihre Karriere gibt. Inwiefern spielen da Tokio 2020 und Paris 2024 (Olympische Sommerspiele, Amn.) eine Rolle?

IVONA DADIC: Unser Plan ist dezidiert auf Tokio ausgerichtet. Mit Zwischenstopps wie EMs und WMs. Wir befinden uns auf dem richtigen Weg. Eine Medaille in Tokio ist aber das große Ziel.

Und dann?

IVONA DADIC: Bis 2024 ist es realistisch, dass ich Weltklasse-Leistungen zeigen kann. Ich möchte dafür nichts dem Zufall überlassen. Für die nächsten sechs Jahre gilt es also das Maximum herausholen und auf gewisse Dinge zu verzichten. Das bedeutet auch, zu sich selbst ehrlich zu sein.

Denken Sie mit 24 Jahren bereits an das Leben danach?

IVONA DADIC: Wie gesagt, Mehrkampf bedeutet irrsinnige Strapazen für den Körper. Gott sei Dank werde ich nicht ewig Athletin sein. Es ist schon jetzt meine Pflicht, mich um einen Plan B zu kümmern. Wie auch immer der aussehen mag. Sonst wacht man auf und steht vor dem Nichts.