Wenn in Amerika eine Sportveranstaltung auf dem Programm steht, darf ein Punkt an der Tagesordnung nicht fehlen: das Abspielen der Nationalhymne. Überdimensionale Flaggen werden gehisst, Feuerwerkskörper in die Höhe geschossen und zum Drüberstreuen fliegen Flugzeuge der Luftabwehr über die Stadien. Das alles hat seit 2009 auch in der National Football League (NFL), der besten American-Football-Liga der Welt, Tradition.

Eine Regel der Liga besagte: Spieler der Teams müssen während des Abspielens der Hymne an der Seitenlinien anwesend sein. Nicht mehr, nicht weniger. Seit 2016 ist aber klar: Wer nicht steht, rückt in den Fokus. Und wie. Colin Kaepernick, ehemaliger Quarterback der San Francisco 49ers, entschied sich in der Saison 2016 nämlich dafür, während der Hymne zu sitzen. „Ich stehe nicht auf, um stolz auf eine Flagge einer Nation zu sein, die schwarze und farbige Menschen unterdrückt“, begründete er die Entscheidung.

Ein Sturm der Entrüstung folgte, zumindest bei einem Großteil der Bevölkerung. Viele Spieler stimmten Kaepernick zu, knieten in Folge während der Hymne ebenfalls nieder. Andere wiederum standen weiterhin mit der Hand auf dem Herzen aufrecht. Auch Donald Trump mischte sich ein, der US-Präsident riet Kaepernick, auszuwandern, beschimpfte ihn und alle anderen, die sich den Protesten anschlossen, tief unter der Gürtellinie. Die Klub-Besitzer forderte Trump gar auf, jene Spieler zu entlassen. Und auch das Publikum, für das American Football in den USA der Sport Nummer eins ist, quittierte die Proteste nicht nur wohlwollend. So sanken die TV-Quoten der Spiele drastisch.

Bis heute, also zwei Jahre nach Beginn der Proteste, ist dieses Thema ein großes. Vor der heute Nacht startenden Saison wurde sogar ein neuer Punkt ins NFL-Reglement eingearbeitet: Während der Hymne muss jeder stehen. Zusatz: Spieler dürfen aber während der Nationalhymne auch in der Kabine warten. Vor Kurzem wurde die Regel wieder aufgehoben, denn pünktlich zum Start der Saisonvorbereitung protestierten erneut Spieler diverser Mannschaften. Der übertragende TV-Sender ESPN geht eigene Wege, um dem Thema auszuweichen: Künftig wird der Sender erst nach dem Abspielen der Hymne live einsteigen.

Grund zur Freude hat jedenfalls Kaepernick. Seiner Klage gegen die Liga, wonach sich Klub-Eigentümer über einen Einstellungs-Boykott gegen den immer noch arbeitslosen Quarterback absprachen, wurde stattgegeben. Die Liga ist nun gehörig unter Druck.

Und inmitten der finalen Vorbereitungen auf den Saisonstart tauchte Kaepernicks Gesicht in der neuen Nike-Werbung auf. Slogan: „Glaube an etwas. Auch, wenn du alles dafür opferst.“ „Just do it – mach es einfach“, steht darunter geschrieben. Für viele ist es eine geniale PR-Aktion. Einige Besitzer von Nike-Sportartikeln sehen das anders, verbrennen ihre Kleidung und posten die Videos davon im Internet. Der Aktienkurs des Konzerns sank um zeitweise mehr als drei Prozent. Und Donald Trump meinte: Die Zusammenarbeit sende eine „furchtbare Botschaft“ aus.